"Antworten" von Kardinal Christoph Schönborn, Freitag, 8. November 2013.
Morgen ist es 75 Jahre her, dass in einer konzertierten Aktion im gesamten "Deutschen Reich" die Synagogen brannten. 1.406 Synagogen und 7.500 jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört, verwüstet und niedergebrannt. Vom nationalsozialistischen Regime wurde das Ganze als Ausbruch des "Volkszornes" gegen die Juden ausgegeben. In Wirklichkeit war es eine von Hitler und seinen Schergen gezielt angeordnete Aktion. Auch in Österreich wüteten die Nazis gegen die jüdische Bevölkerung, besonders schlimm in Wien. Von den 25 Wiener Synagogen wurden 24 vernichtet. Nur der Stadttempel in der Seitenstettengasse überlebte, weil er nicht ohne Schaden für die Nachbargebäude hätte in Brand gesteckt werden können.
Morgen finden an vielen Orten Gedenkfeiern statt. Wie war es damals? Heute wissen wir, dass es der "Startschuss" für die Schoa, die gezielte, geplante Vernichtung des jüdischen Volkes war. Dass es damals kaum klare Proteste gab, weder von den Staaten noch von den Kirchen, gab Hitler freie Hand, seine mörderischen Pläne anzugehen. Schmerzlich müssen wir heute dieses weitgehende Schweigen einbekennen. Jene einzelnen Stimmen, die sich erhoben und sich auf die Seite der Verfolgten stellten, waren viel zu wenige. Als Christen haben wir aus diesem Versagen gelernt. Dankbar bekennen wir jetzt, dass wir im Judentum unsere Wurzeln haben, nicht nur historisch, als Jesus, der Jude, der Messias, lebte. Sondern wir leben aus dieser Wurzel, bis heute.