"Die größten Feinde des Glaubens sind nicht Sünde, Fehler und Schwächen, sondern Oberflächlichkeiten, die alles gleich-gültig erscheinen lassen. Darin ist Gott nicht zu finden", so Erzbischof Franz Lackner.
"Die größten Feinde des Glaubens sind nicht Sünde, Fehler und Schwächen, sondern Oberflächlichkeiten, die alles gleich-gültig erscheinen lassen. Darin ist Gott nicht zu finden", so Erzbischof Franz Lackner.
Wortlaut der Stellungnahme des neuen Salzburger Erzbischofs Franz Lackner bei seiner Antrittspressekonferenz am Dienstag, 19. November 2013, in Salzburg.
Ich entstamme einer kleinen oststeirischen Familie aus der Pfarre St. Anna am Aigen. Meine Eltern sind beide schon gestorben. Ich habe vier Geschwister. Meine Kindheit war geprägt von Armut und kargem Leben der Kleinbauern. Das entfachte in mir brennendes Fragen nach dem Warum. In dieser Situation habe ich den Glauben der Eltern und der Pfarre als sehr lebensdienlich erfahren. Der Glaube war Anker in Situationen der Not. Der Sonntag galt dem Gottesdienst und dem Ausruhen von den Mühen der Arbeit. Das Kirchenjahr mit seinen religiösen Feiern hat mich sehr angesprochen, und ich spürte, wie viel Kraft und Hoffnung meine Eltern daraus schöpften. Diese Grundlegung des Glaubens hat mich durch das Leben getragen, selbst noch in Zeiten, als ich dem Glauben fern gestanden bin.
Nach der Hauptschule erlernte ich den Beruf des Elektrikers. Die Elektrikerlehre habe ich abgeschlossen, den Beruf aber nie ausgeübt. Es folgte eine Zeit der Gelegenheitsbeschäftigungen und der Arbeitslosigkeit. So empfand ich die Einberufung zum Österreichischen Bundesheer, den Präsenzdienst abzuleisten, als willkommen. Mehr aus Not als aus Neigung entschloss ich mich, den Grundwehrdienst beim Bundesheer freiwillig zu verlängern; insgesamt drei Jahre lang, davon ein Jahr als UNO-Soldat auf Zypern.
Als Jugendlicher habe ich den guten Glauben der Eltern und des Pfarrlebens "verloren". Es war keine Entscheidung gegen Gott. Gegen Gott nichts zu haben, ist für den Glauben allerdings zu wenig. Gottes Beziehung braucht Pflege und Aufmerksamkeit. Durch all diese Zeiten hindurch bin ich jedoch in meinem Herzen Suchender und Ringender nach dem Sinn des Lebens geblieben.
Die größten Feinde des Glaubens sind nicht Sünde, Fehler und Schwächen, sondern Oberflächlichkeiten, die alles gleich-gültig erscheinen lassen. Darin ist Gott nicht zu finden. Ich suchte Veränderung. Eine gute Möglichkeit schien mir der UNO-Einsatz auf Zypern. Auf Wachposten in der Pufferzone und bei einsamen Wachgängen hatte ich Zeit - Zeit zum Nachdenken über die großen Fragen des Lebens: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn des Lebens? "Zufällig" fand ich eine Bibel. Das Lesen in der Heiligen Schrift wirkte sich beruhigend auf mich aus und wurde mir zur lieb gewordenen Gewohnheit. An einer Stelle, bei Matthäus 11,28 las ich: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen." Da war mir, als ob Gott vorüberginge. Ich war zutiefst berührt und innerlich erschüttert. Ich konnte nicht mehr weiterlesen. Eine Sehnsucht ist aufgebrochen. Dieses Ereignis prägt und bestimmt meine Gottesbeziehung und mein Glaubensleben bis auf den heutigen Tag.
Glaube sucht! Von Augustinus stammt das Wort "Du würdest mich nicht suchen, hättest Du mich nicht gefunden". Christ-Sein bedeutet Gott finden und je neu suchen. Der Weg des Glaubens ist gesäumt von Marksteinen gelungener Gottsuche, die weiterführen. Der erste Markstein auf meinem Weg der Nachfolge war die Antwort eines Priesters auf die Frage: "Was muss ich tun?" Seine Antwort lautete nach längerem Nachdenken: "Gib Gott in Deinem Leben eine Chance!"
Dieser Zuspruch sagte mir damals wenig. Heute weiß ich: Darin liegt das große Wagnis des Glaubens. Erste zögerliche Schritte folgten: beten, die Heilige Messe am Sonntag mitfeiern, Umfeld und Gewohnheiten neu gestalten. All das erwies sich in einem militärischen Sperrgebiet schwierig und reizte zum Widerspruch. Dennoch war die Sehnsucht, Glaubensschritte zu tun, größer. Die Frage "Wohin gehe ich?" bekam zudem neue Dringlichkeit. Fast aus dem Nichts heraus durchkreuzte mich der Gedanke, Priester zu werden. Dies erschien unmöglich. Doch der Ruf war stärker! Zaghaft das erste "Ja". Dies geschah vor 35 Jahren; und heute darf ich als neu ernannter Erzbischof von Salzburg vor Ihnen stehen. Ringen und Suchen bleiben nicht abgeschlossen, sondern wiederholen sich immer wieder neu in ursprünglicher Weise.
Auf all meinen "Stationen" habe ich die Menschenfreundlichkeit Gottes und in Folge die Gottesfreundlichkeit von Menschen erkennen und erfahren dürfen. Im Freund-Sein Gottes und im Freund-Sein der Menschen sehe ich das Anliegen meiner Berufung. In den 11 Jahren als Weihbischof der Diözese Graz-Seckau durfte ich das in den mir anvertrauten Bereichen erfahren: bei allen bischöflichen Diensten, in der Verantwortung der Kinder- und Jugendpastoral, dem Ständigen Diakonat und der Berufungspastoral.
"Wer glaubt, ist nie allein!", hat uns Papst Benedikt XVI. zugesprochen. Die Erfahrung des Christ-Seins ist grundgelegt in der Erfahrung der Kirche. Kirche ist der Ort, wo der einzelne in Einmaligkeit und Einzigartigkeit sowie in innerer Verwiesenheit auf Gemeinschaft in Gott geborgen ist. Glaube stiftet Gemeinschaft. Glaube schließt nicht aus, sondern ist allianzfähig mit allen Bereichen des menschlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Nur gemeinsam können wir die Menschenfreundlichkeit Gottes in dieser Welt glaubhaft bezeugen.
Mit offenem Herzen komme ich in die Erzdiözese Salzburg. Ich freue mich, wenngleich mit einem leichten inneren Zittern. Gerne nehme ich die Verantwortung des Hirtenamtes auf mich und werde gewissenhaft und nach Kräften die Leitungs- und Führungsaufgabe übernehmen gemäß dem Wort des heiligen Augustinus: "Mit Euch bin ich Christ und für Euch bin ich Bischof". Die Worte des 2. Vatikanums "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi" (GS 1) sind mir Orientierung. Dabei ist mir wohl bewusst, dass ich mit den Gläubigen und allen Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft einen Weg weitergehe, der eine lange Herkunft hat. Ich darf anschließen, wo andere aufgehört haben.
Mein bischöfliches Motto stammt von Johannes dem Täufer, der mit den Worten auf Jesus hinweist: "Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden" (Joh 3,30). Ich möchte meinen Dienst als einen Fingerzeig verstehen, der auf den hinweist, der: "nach mir kommt", aber auch schon "mitten unter uns ist"! Pax et bonum!
Mit herzlichen Segensgrüßen
+ Erzbischof Dr. Franz Lackner OFM