"Auf den Bildern steht Josef meist im Hintergrund, hinter Maria. Das ist nicht so falsch. Er ist wirklich hinter ihr gestanden", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Auf den Bildern steht Josef meist im Hintergrund, hinter Maria. Das ist nicht so falsch. Er ist wirklich hinter ihr gestanden", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium am 4. Adventsonntag, 22. Dezember 2013.
Im Laufe der Jahre habe ich Josef mehr und mehr "entdeckt". Wer war, wer ist er, der Mann im Schatten seiner Frau Maria? Sie steht im Vordergrund. In aller Welt wird sie verehrt, geschätzt, geliebt. Und natürlich ihr Sohn Jesus, durch den sie wohl zur bekanntesten Frau der Weltgeschichte wurde. Stets wird sie dargestellt, in zahllosen Bildern und Statuen, Josef nur selten. Überall hat sie ihre Heiligtümer, ihre Wallfahrtsorte. In allen Völkern gehören die Lieder, die auf sie gesungen werden, zu den populärsten: Immer nur sieht man sie und ihr Kind, das sie in den Armen hält.
Josef bleibt im Hintergrund. Fast vergessen. Meist älter oder alt dargestellt. Nicht so strahlend wie sie, Maria. Nicht so wichtig wie sie, die Mutter. Und der Sohn. Doch geschieht das zu Recht? Stimmt es? Führt Josef nur ein Schattendasein?
Mir wurde der heilige Josef mit der Zeit immer lieber, immer wichtiger. Dazu hat Verschiedenes beigetragen, auch das heutige Evangelium. Denn in diesem steht eindeutig Josef im Mittelpunkt. Und wie sich zeigt, ist er dort nicht fehl am Platz. In dem Drama, das sich da abspielt, kommt ihm eine entscheidende Rolle zu. Man stelle sich das vor: Er ist verlobt und plötzlich wird klar, dass sie schwanger ist, aber nicht von ihm. Also von einem anderen? Von wem?
Was für quälende Fragen! Hat er ihr zu Unrecht vertraut? Hat sie ihn betrogen? Aber so kannte er sie nicht. Seine Liebe zu ihr will es nicht glauben. Aber die Tatsachen sprechen eine andere Sprache: Sie ist schwanger.
Josef hätte sie anzeigen können, bloßstellen, verurteilen lassen. Sie hätte nach damaligem Recht die Todesstrafe verdient. Keine Reaktion der Wut, der Rache aus Enttäuschung! Stattdessen denkt er daran, sich ohne Lärm von ihr zu trennen. Dann würde er die Schuld auf sich nehmen. Seine Liebe schlägt nicht in Hass um, sondern will die geliebte Frau beschützen, auch wenn er annehmen muss, dass sie ihn hintergangen hat. Schon das allein ist bewundernswert an Josef.
Noch staunenswerter ist aber, was dann folgt: Im Traum sieht Josef einen Engel, der ihm sagt, das Kind, das seine Verlobte erwartet, sei nicht von einem anderen Mann, sondern vom heiligen Geist. Es gibt ja allerlei seltsame Träume, Albträume, phantastische Träume. Manchmal sind sie auch Botschaften, die uns von Gott gesandt werden. Wie können wir wissen, ob wir einen Traum ernst nehmen sollen? Wann ist ein Traum eine glaubwürdige Botschaft? Josef hat seinem Traum vertraut. Er sah sich durch ihn in der Gewissheit bestärkt, dass Maria ihn wirklich liebt und nicht betrogen hat. Und er war offen genug, Gott das Wunder zuzutrauen, von dem der Traum gesprochen hat. Josef tat also, als er erwachte, was der Engel ihm im Traum gesagt hatte: Er nahm Maria als seine Frau zu sich. Das heißt aber: Josef ist zu ihr gestanden, obwohl sich nicht verheimlichen ließ, dass sie schwanger geworden war, noch ehe sie verheiratet waren.
Diese Haltung ist groß. Das Evangelium sagt, Josef sei gerecht gewesen. Nicht selbstgerecht, sondern gerade. Das beeindruckt mich so an ihm. Auf den Bildern steht Josef meist im Hintergrund, hinter Maria. Das ist nicht so falsch. Er ist wirklich hinter ihr gestanden. Er hat sie nicht fallen gelassen, sich nicht aus dem Staub gemacht. So habe ich ihn lieben gelernt, als Vorbild eines durch und durch geraden Menschen. Deshalb vertraue ich ihm und bitte ihn gerne um seine Hilfe.
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete- durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.