Wenn es keinen Gott gibt, dann fällt nicht nur das Leben nach dem Tod weg, dann ist auch der Anfang reiner Zufall, so Kardinal Christoph Schönborn.
Wenn es keinen Gott gibt, dann fällt nicht nur das Leben nach dem Tod weg, dann ist auch der Anfang reiner Zufall, so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Hochfest der Geburt des Herrn, 25. Dezmeber 2013
Ich besuche oft Schulen. Das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern macht mir Freude. Ihre oft sehr direkten Fragen gefallen mir. So fragte mich vor kurzem ein Schüler: Was sagen Sie einem Atheisten? Was für Argumente haben Sie, um zu glauben, dass es Gott gibt? Ich antwortete ganz spontan: Der Tod! Wenn es keinen Gott gibt, dann ist der Tod das totale Ende, das endgültige "Aus". Wir sprachen dann noch über die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, und was diese Hoffnung für unser Leben bedeutet.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs mit den Schülern kamen wir auch auf den Anfang zu sprechen. Wenn es keinen Gott gibt, dann fällt nicht nur das Leben nach dem Tod weg, dann ist auch der Anfang reiner Zufall. Zufällig ist dann mein Leben, mein Dasein in dieser Welt. Ja, dann ist das Dasein dieser Welt selbst Zufall. Kein Plan, keine Absicht, kein Schöpferwille steht dahinter. Alles ist ein blindes Spiel von willkürlichen Kräften. Der Ursprung des Alls, die Entstehung der Sonne, das Werden unseres Planeten, die Entwicklung des Lebens auf dieser Erde, bis hin zu uns Menschen: Alles reiner Zufall. Und daher alles ohne Sinn. So mein Argument auf die Frage dieses Schülers.
Das Evangelium vom Christtag, von heute, gibt in seiner feierlichen Sprache eine beeindruckende Antwort: "Im Anfang war das Wort". Wir können die beiden Schlüsselworte auch anders übersetzen: "Im Ursprung war der Sinn". Das Wort "archä" – wir finden es zum Beispiel in "Archäologie" – meint eben das, was allem zugrunde liegt, den Ursprung, den Anfang von allem. Und das Wort "Logos" kann übersetzt werden mit "Sinn", aber auch mit "Wort". Wir nennen etwas "logisch", wenn es sinnvoll, geordnet und vernünftig ist. Deshalb kann "Logos" auch "Vernunft" bedeuten. "Am Anfang steht die Vernunft", so könnten wir den ersten Satz des heutigen Evangeliums auch übersetzen. Nicht blinder Zufall steht hinter allem, sondern eine liebende Vernunft. So versuchte ich, den Schülern meine Antwort an den Atheisten zu erklären.
Ist das nicht alles etwas hoch und fern der Wirklichkeit? Ich glaube nicht. Lesen wir weiter in diesem wunderbaren Text des Johannesevangeliums: "Alles ist durch das Wort geworden". Das heißt doch: Hinter allem waltet ein Sinn. Dieser Sinn wird auch Licht und Leben genannt: "In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen". Was für Wunder sind das Licht und das Leben! Das soll alles Zufall sein?
Der Höhepunkt dieses Evangeliums aber steht in der Mitte: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt". Der Sinn, die Vernunft, das Licht und das Leben sind sichtbar und greifbar geworden, haben "Fleisch angenommen", Menschengestalt, ein menschliches Gesicht. Und hier sind wir bei Weihnachten: Das Kind in der Krippe, Jesus, ist in Person dieses Wort, das schon im Anfang war; der Sinn, der hinter allem steht; das Licht, das jedes Menschenherz erleuchtet; das Leben, das kein Tod zerstören kann. Das Christkind ist die Antwort auf die Frage, ob es Gott gibt! So nahe ist uns Gott.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.