"Österreich tut einiges, aber wir können mehr. 1.000 syrische Flüchtlinge sind eine bewältigbare Größe", so Caritaspräsident Michael Landau.
"Österreich tut einiges, aber wir können mehr. 1.000 syrische Flüchtlinge sind eine bewältigbare Größe", so Caritaspräsident Michael Landau.
Die Bundesregierung soll angesichts der "größten humanitären Katastrophe der vergangenen Jahre" an außenpolitischem Gewicht zulegen und menschliche Größe zeigen, so Caritaspräsident Michael Landau.
Die Republik Österreich soll die Aufnahme syrischer Flüchtlinge von den zugesagten 500 Personen auf zumindest 1.000 erhöhen. Das forderte Caritaspräsident Michael Landau bei einem Hintergrundgespräch zur Lage in Syrien am Donnerstag, 9. Jänner 2013, in Wien. "Österreich tut einiges, aber wir können mehr. 1.000 syrische Flüchtlinge sind eine bewältigbare Größe", so der Caritaspräsident. Die Bundesregierung solle dem Beispiel Deutschlands folgen, das ankündigt habe, die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge von 5.000 auf 10.000 zu verdoppeln. "Die vorherrschende Not darf uns nicht kalt lassen", sagte Landau.
Gerade weil der Aufnahmeprozess der Flüchtlinge sich als "langwierig und bürokratisch" herausstellt, müssten "jetzt die Weichen gestellt werden" für eine Ausweitung der Hilfe. Auch von den zugesagten 500 Syrien-Flüchtlingen, die, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Ende August versicherte, innerhalb "einiger weniger Wochen" aufgenommen werden sollten, sind erst der Großteil der von der syrisch-orthodoxen und katholischen Kirche vorgeschlagenen Personen im Land. Jene weiteren 250 Syrer, die vom Flüchtlingshochkommissariat UNHCR vorgeschlagen wurden, sind noch nicht in Österreich.
Zur Frage nach der Auswahl der Flüchtlinge betonte Landau, dass "die Schutzbedürftigkeit der Menschen der entscheidende Punkt ist". Zugleich sei es auch ein Faktum, dass "Christen zu den am meisten verfolgten Gruppen in der Region gehören". Der Caritaspräsident plädierte dafür, die Auswahl der aufzunehmenden Flüchtlinge und die Verantwortung beim Resettlement in die Hände des UNHCR zu legen. Österreich sollte sich, so Landau, dem Resettlementprogramm anschließen und sich auf diese Weise "stärker für die Schwächsten der Schwachen einsetzen".
Der Ausbau der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit sei auch eine Chance für die österreichische Außenpolitik, sagten Caritaspräsident Landau und Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer. "Wenn der neue Außen- und Entwicklungshilfeminister Sebastian Kurz zu Recht forderte, Österreich solle mehr außenpolitisches Gewicht bekommen, so können wir das als kleines und neutrales Land primär dadurch erreichen, dass wir an humanitärem Gewicht zulegen und menschliche Größe zeigen", so Schweifer. Dadurch könne einerseits Menschen geholfen, andererseits das internationale Gewicht Österreichs "substanziell erhöht" werden.
Mehr als acht Millionen Menschen mussten infolge des syrischen Bürgerkriegs bereits ihr Zuhause unfreiwillig verlassen, "das ist von der Größenordnung so, als wenn ganz Österreich auf der Flucht ist", erinnerte Landau. Jeder zweite Flüchtling sei noch minderjährig, Kinder, aber auch alte und behinderte Menschen seien besonders verwundbar und angesichts der tiefwinterlichen Verhältnisse in der Region besonders gefährdet.
Die Caritas Österreich, die seit Ausbruch des Konflikts schon mehr als 3,5 Millionen Euro an Nothilfemaßnahmen zur Verfügung gestellt hat, setzt sich das Ziel, 10.000 weitere Kinder sicher durch den Winter und das Jahr 2014 zu bringen. "Für diese Menschen geht es ums Überleben", betonte Caritaspräsident Landau. Dass die österreichische Bundesregierung seit 2011 rund sieben Millionen Euro für die Hilfe syrischer Flüchtlinge bereitgestellt habe, sei anerkennenswert. Alleine für 2014 liege jedoch der gesamten Hilfsbedarf für die Syrien-Flüchtlinge, die sich in den Nachbarländern zum Krisenstaat aufhalten, bei rund vier Milliarden Euro. Das zeige die Dringlichkeit des Hilfsbedarfs, so Landau und Schweifer unisono.
Schweifer forderte deshalb, dass die im Regierungsprogramm bekundete Aufstockung des Auslandshilfekatastrophenfonds von fünf auf 20 Millionen Euro "umgehend umgesetzt und nicht auf die lange Bank geschoben wird". Überhaupt müsse Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ein "zentraler Auftrag der Außenpolitik" werden und dürfe nicht "wie bislang" als "Nebensache" marginalisiert werden.
Während im Regierungsprogramm die Erhöhung der bilateralen EZA-Hilfe als Absichtserklärung festgesetzt sei, sehe im Widerspruch dazu der Finanzrahmen vor, die dafür notwendigen Mittel von 85 auf 65 Millionen Euro zu reduzieren, kritisierte Schweifer. "Das heißt, von einem beschämend niedrigen Niveau aus könnte noch weiter gekürzt werden."
Für die Flüchtlinge aus Syrien sei die Lage verheerend, bis in den März hinein werde der bitterkalte Winter dauern, weshalb nun vor allem Heizöfen, Winterbekleidung und Decken dringend notwendig seien, berichtete der Nahost-Koordinator der Caritas, Stefan Maier. Vor allem der mit der Größe des Bundeslandes Tirol vergleichbare Libanon mit seinen rund 4,5 Millionen Einwohner sei angesichts von rund 1,6 Millionen syrischen Flüchtlingen überfordert.
"Die Kapazitäten sind längst ausgereizt, selbst in den Viehställen und Bauruinen, die vielen Flüchtlingen als Behausung dienen, ist kein Platz mehr", sagte Maier, der 2013 acht Mal den Libanon besuchte, um Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Viele der Flüchtlinge würden eigenständig provisorische Zeltanlagen errichten, weil die libanesische Regierung die Bildung richtiger Flüchtlingslager aus Furcht vor der Entstehung langfristiger Siedlungen untersage.
Kleinkriminalität und Prostitution würden dramatisch ansteigen, die Ausbreitung von Seuchen und Hautkrankheiten stelle ein virulentes gesundheitliches Problem dar. Zudem könnten syrische Kinder und Jugendliche kaum Schulen besuchen, weil das Schulsystem im Libanon und anderen Nachbarländern "völlig überfordert" sei.
Einer der minderjährigen Flüchtlinge, die es nach Österreich geschafft haben, ist Ayham Alkhabtib. Der knapp unter 18-Jährige, der in einem Dorf nahe Damaskus wohnte und sich im Kofferraum eines Pkw versteckend in die Türkei und von dort nach Österreich kam, ist seit drei Monaten in Wiener Neustadt und gilt als "unbegleiteter minderjähriger Flüchtling" (UMF).
"Mein Onkel und mein Cousin wurden ermordet und als ich militärpflichtig wurde, habe ich mich gezwungen gesehen, das Land alleine zu verlassen", sagte Alkhabtib. Der Großteil seiner Familie befinde sich im Libanon, alle zwei bis drei Wochen könne er einen kurzen Kontakt zu ihnen herstellen. Derzeit müsse er im Flüchtlingsheim auf die Klärung seines Status warten. Einen Sprachkurs habe er bereits begonnen. "In Syrien konnte ich noch die Matura abschließen. Wenn es mein Status erlaubt, hoffe ich, arbeiten oder studieren zu können."
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