"Jesus sagt, leistet dem, der euch Böses antut, keine Widerstand", betont Kardinal Schönborn.
"Jesus sagt, leistet dem, der euch Böses antut, keine Widerstand", betont Kardinal Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 23. Februar 2014
Wer kennt nicht dieses Wort Jesu: "Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch die andere hin!" Und wer wüsste nicht, dass das alles eher als leicht ist! Die ganz menschliche Reaktion ist die Vergeltung. Jemand hat mir übel mitgespielt. Ich sinne darüber nach, wie ich es ihm heimzahlen kann. Zwar sind bei uns nicht mehr die schrecklichen Formen der Blutrache üblich, wie sie in vielen Teilen der Welt üblich waren, ja zum Teil noch praktiziert werden. Weniger blutige, deswegen aber nicht weniger grausame Formen der Rache sind bei uns durchaus alltäglich. Wenn in einer Beziehung der Rosenkrieg tobt, mit wie viel Rafinesse, mit welchem Fantasiereichtum wird da oft die feine, kleine Rache geführt! Besonders tragische Formen nimmt das bisweilen in Scheidungskonflikten an, und wenn dann die Kinder hineingezogen und gar als Geiseln verwendet werden, dann ist das nicht viel besser als die alte Blutrache.
Um Begrenzung der Blutrache ging es schon im Alten Testament. Jesus bezieht sich darauf, wenn er die Bibel zitiert: "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge, Zahn für Zahn." Oft wird das missverstanden als typische Grausamkeit des Alten Testaments. In Wirklichkeit steht das im Gesetz des Mose, um die Vergeltung einzudämmen und die hemmungslose Rache zu begrenzen. Die Strafe darf nicht das Maß des Schadens überschreiten. Hier wird, in sehr bildhafter Sprache, gefordert, dass die Strafe angemessen sein soll. Diesen Grundsatz gibt es ja bis heute in der Rechtsprechung. Wir empfinden es als ungerecht, wenn ein kleiner Diebstahl schwer bestraft, das fahrlässige Verwirtschaften von Milliarden aber kaum geahndet wird. Die Strafe muss der Straftat entsprechen.
Jesus aber geht weit darüber hinaus. Geht er nicht viel zu weit? "Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand." Wohin kommen wir, wenn dem Bösen freier Lauf gelassen wird? Aber Vorsicht: Jesus schreibt hier nicht ein "Staatsgrundgesetz". Er will nicht die Polizei, das Militär und die Justiz abschaffen. Er spricht uns, mich persönlich an: Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt… Es geht um die ganz persönliche Frage: Soll ich mich rächen? Soll ich zurückschlagen? Wie gehe ich mit dem um, der mir Böses will, ja Böses tut?
Jesus stellt uns eine einfache Frage: Was hast du von der Rache? Sie bringt dir vielleicht im Moment eine gewisse Befriedigung. Aber was ist damit gewonnen? Bildlich gesprochen: Der andere hat dir ein Auge ausgeschlagen. Du rächst dich – maßvoll – und schlägst ihm auch ein Aug' aus. Dann fehlen zwei Augen. Wie viel besser ist es, du gewinnst den anderen, indem du nicht zurückschlägst. Was für ein Gewinn, wenn du deinen Gegner zum Freund machst! Ihr seid dann beide Gewinner, und rund um euch wächst Eintracht, wo sonst die Rache neue Zwietracht sät.
Es ist also gar nicht so unsinnig, was Jesus da vorschlägt. Es ist ein Wagnis. Aber einer muss anfangen: Ich selbst!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damitihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.