"Sehr bewegend war für mich die Begegnung mit dem emeritierten Papst Benedikt bei der Einführung der neuen Kardinäle im Petersdom", erzählt Kardinal Christoph Schönborn.
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"Sehr bewegend war für mich die Begegnung mit dem emeritierten Papst Benedikt bei der Einführung der neuen Kardinäle im Petersdom", erzählt Kardinal Christoph Schönborn.
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Kardinal Christoph Schönborn wendet sich monatlich an die Leserinnen und Leser des "Sonntag" mit Themen, die ihn gerade beschäftigen.
Gerade komme ich aus Rom zurück, wo große Aufregung herrscht. Mit seiner Ankündigung einer Radikalreform bei Verwaltung und Finanzen im Vatikan am Montag hat Papst Franziskus wieder einmal alle erstaunt. Er führt praktisch ein Finanzministerium ein, das "Wirtschaftssekretariat" (Segreteria di Economia), das alle Finanzangelegenheiten des Vatikans regeln und beaufsichtigen soll. Ein ganz wichtiger Schritt: Bisher haben – seit Generationen – die einzelnen Ämter relativ unkontrolliert gewirtschaftet.
So sind im Lauf der Zeit fünf voneinander unabhängige Hauptfinanzverwaltungen entstanden: Neben der Regierung des Vatikanstaates die sogenannte Vatikanbank IOR, weiters die APSA, die Güterverwaltung des Heiligen Stuhls (Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae), das Staatssekretariat selbst und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker (Propaganda Fidei), die als zentrale Missionseinrichtung der katholischen Kirche ein großes Vermögen für die über tausend Missionsdiözesen verwaltet. Daneben haben auch die anderen Räte und Kongregationen oft ihre eigene Verwaltung.
Dass dies nun alles unter ein Dach gestellt wird, ist eine erste Frucht aus der Arbeit des Papstes mit internationalen Verwaltungsexperten und seinem Beratungskollegium der acht Kardinäle. Einer von ihnen, Kardinal George Pell, Erzbischof von Sydney, wird die Leitung des Wirtschaftssekretariats übernehmen und damit eine der Schlüsselfiguren im Vatikan. Es zeigt die kraftvolle Hand des Papstes, dass er für diese Aufgabe einen nüchternen Angelsachsen gewählt hat, der von der Kurie unabhängig ist. Die Mühe liegt freilich nun in der Umsetzung – Widerstände sind zu erwarten.
Schon die Tage davor, als sich alle Kardinäle in Rom versammelten, habe ich als erfreulich lebendig und zukunftsorientiert erlebt. Die offene Atmosphäre unter den Kardinälen, die schon vor einem Jahr bei den Gesprächen vor dem Konklave so erfrischend war, ist erhalten geblieben. So haben wir ausführlich und ohne jede Einschränkung oder Scheu auch über die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen gesprochen – mit einer großen Bandbreite.
Hervorragend fand ich das Referat, dass der deutsche Kardinal Walter Kasper zum Thema Ehe und Familie gehalten hat: Er hat blendend formuliert – bewusst aber nur Fragen formuliert und keine fertigen Lösungen angeboten. Damit hat er zu den beiden Sitzungen der Bischofssynode 2014 und 2015 hingeführt. Die Synode heuer soll ja auch erst einmal sondieren, wo die Familien der Schuh drückt, und wo sie unersetzlich für Kirche und Gesellschaft ist. Erst im nächsten Jahr sollen dann konkrete seelsorgliche Orientierungen gefunden werden.
Die Arbeit für die Synode im Herbst ist auch bereits in vollem Gang. Und auch im Synodenrat, der die Vorbereitungsarbeit verantwortet, herrscht ein wohltuend offenes Gesprächsklima. Ein neunköpfiges Expertenteam hat es zustande gebracht, aus den vielen tausenden Wortmeldungen aus aller Welt eine Zusammenfassung für den Synodenrat zu erstellen – auf eng beschriebenen 65 Seiten. Ich bin erst dabei, sie genau zu studieren, aber ich kann jetzt schon sagen: Es ist nichts weggelassen. Alles wird ehrlich aufgelistet. Auch die Fragen, die uns in Europa sehr bewegen – aber natürlich auch die Themen, die in anderen Kontinenten oft mehr Augenmerk haben. Ein Großthema ist zum Beispiel der soziale Druck, der in weiten Teilen der Welt auf den Familien lastet.
Und sehr bewegend war für mich die Begegnung mit dem emeritierten Papst Benedikt bei der Einführung der neuen Kardinäle im Petersdom. Auch das war wieder ein gelungener Überraschungscoup, der auf die Initiative von Papst Franziskus zurückgeht. Auch ich wusste nichts davon und habe, wie viele andere auch, zunächst nur eine gewisse Unruhe vorn im Dom bemerkt: Was ist da los? Dann haben wir bemerkt, dass der alte Papst durch einen Seiteneingang hereingekommen war, und alle haben ihn stürmisch begrüßt.
Auch Papst Franziskus hat, nachdem er durch den Mittelgang eingezogen war, zuallererst seinem Vorgänger ganz herzlich den Friedensgruß gegeben. Franziskus geht mit der ungewohnten Tatsache, dass es einen alten und einen neuen Papst gleichzeitig gibt, ganz wunderbar um. Mit der Anwesenheit von Benedikt hat er einen wichtigen weiteren Schritt zur Normalität dieses Zustandes gesetzt. In einer normalen Diözese wäre ja auch der Altbischof bei einer so feierlichen Versammlung dabei. Ich kann nur sagen, dass mich die Communio, die Gemeinschaft, zwischen diesen beiden Päpsten, von denen der eine ja mein alter Lehrer ist, sehr berührt.
Ihr
+Christoph Kard. Schönborn
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