"Das Christentum beginnt erst jetzt, wir lernen auf eigenen Füßen zu stehe und verlassen den langen Schatten der Habsburger", so Siebenrock beim Hauptvortrag des Kongresses am Freitagvormittag, 30. Mai 2014.
"Das Christentum beginnt erst jetzt, wir lernen auf eigenen Füßen zu stehe und verlassen den langen Schatten der Habsburger", so Siebenrock beim Hauptvortrag des Kongresses am Freitagvormittag, 30. Mai 2014.
"Lernen, als Kirche auf eigenen Füßen zu stehen und den langen Schatten der Habsburger zu verlassen", so der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock beim Kongress der Pfarrgemeinderäte in Mariazell.
Die zahlreichen Verunsicherungen und Umbrüche, mit denen die Kirche derzeit konfrontiert ist, gehören zu ihrem dynamischen Wesen und sind Ausdruck des Werdens einer neuen Sozialgestalt. Mit dieser Kernthese konfrontierte der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock die 500 Delegierten beim Pfarrgemeinderätekongress im Mariazell, um gleichzeitig die damit verbundenen Chancen aufzuzeigen. "Das Christentum beginnt erst jetzt, wir lernen auf eigenen Füßen zu stehe und verlassen den langen Schatten der Habsburger", so Siebenrock beim Hauptvortrag des Kongresses am Freitagvormittag, 30. Mai 2014.
Der Theologe erinnerte daran, dass die Kirche diesen Umbruch bereits vor fünfzig Jahren beim Zweiten Vatikanischen Konzil erkannt habe. Schon damals habe die Kirche als erste weltweite Großinstitution mit den beschlossenen Dokumenten gleichsam eine "Theorie der Globalisierung" vorgelegt, die nun für alle täglich erlebbare Realität geworden sei. Vor diesem Hintergrund habe das Konzil erkannt, dass die Kirche nicht nur Treue zu Tradition und Vergangenheit, sondern auch Treue zu Gegenwart und Zukunft brauche. Jung sei eine Kirche nur dann, wenn sie sagen könne, "das Beste kommt noch", so Siebenrock. Dies sei so wie schon am Anfang der Kirche immer mit Unruhe, Streit und Konflikt verbunden.
Wie sehr diese Umbrüche in der Kirche in Österreich schon vor dem Konzil erkennbar waren, zeige sich im "Mariazeller Manifest" aus dem Jahr 1952. Der im Zuge eines Katholikentages damals entstandene Texte prägte das Axiom einer "freien Kirche in der freien Gesellschaft". Die Konsequenz daraus sei ein Verzicht auf den Staat als verlängerten Arm der Kirche, der sich in der sogenannte konstantinische Epoche der Kirche ausgebildet hatte. In der Vergangenheit hatte sich die Kirche in Österreich als vom Staat geförderte "Kontroll- und Moralanstalt" etabliert. Eine andere Spielart dieses Kirchenbildes sei die heute weit verbreitete Erwartung, die Kirche müsse "Service und Unterhaltung" bieten. Diese Haltung gelte es genauso zu überwinden, denn: "Wir alle tragen Verantwortung für die Kirche", so Siebenrock an die versammelten Pfarrgemeinderäte aus ganz Österreich.
Als Methode im Umgang mit den großen Umbrüchen ist für die Kirche der Dreischritt "sehen, urteilen und handeln" unerlässlich. So gäbe es nicht nur hierzulande das Zu-Ende-Gehen der bisher bekannten Kirchengestalt, sondern gleichzeitig weltweit einen "Vormarsch des Christentums". Vor allem die christliche pentekostale Bewegung sei derzeit die am stärkste wachsende Glaubensgemeinschaft. Sie könne dann für die katholische Kirche fruchtbar werden, wenn sie als persönliche Anfrage verstanden werde, "was ich wirklich glaube".
Zur Gegenwartdiagnose gehöre laut Siebenrock aber auch die Tatsache, dass derzeit die "größte Christenverfolgung der ganzen Geschichte" stattfinde. Daran zeige sich aber auch ein wichtiges Urteilskriterium für die Zukunft der Kirche: Diese müsse sich wieder so wie Jesus und seine Apostel der Welt aussetzen und verletzbar machen. "Die einzige Macht Christi ist die Macht der sich selbst verschenkenden Liebe", betonte Siebenrock als Maß für eine glaubwürdige Kirche.
Die zukünftige Gestalt von Kirche muss an der Haltung des Dienstes wie sie von Jesus in der Fußwaschung der Jünger vorexerziert wurde und von der Qualität des persönlichen Glaubens geprägt sein. Der Glaube der Zukunft werde ein "freier Glaube" sein, so Siebenrock, weil er der Liebe glaubt, dem man nur in Freiheit antworten könne. Damit diese Freiheit aber nicht zur Last des einzelnen wird, sei die Gemeinschaft der Glaubenden nötig, in der man sich gegenseitig trage. Diese Gemeinschaft brauche zudem den freien Gehorsam zum Amt und das wechselseitige aufeinander Hören: "Jeder lebt in der Freiheit vom Dienst des anderen."
Der Innsbrucker Theologe gab gleichzeitig zu bedenken, dass ein derartiger christlicher Glaube immer ein "angefochtener Glaube" sein werde. Christlicher Glaube sei zudem auch "schräg", weil er in sich eine Hoffnung trage, die weit über die Welt hinausgehe. Nicht nur von daher müsse der Glaube der Zukunft mehr als bisher ein "gebildeter Glaube" sein. Es gäbe gute Gründe für den Glauben, und Glaubende müssten zur Fortbildung im Glauben bereit bleiben. Christen hätten in Maria gerade darin ein Vorbild, weil sie den offenen und hörenden Glauben durch und durch gelebt habe, so Siebenrock.
Vor diesem Hintergrund plädierte der Theologe dafür, dass sich der Pfarrgemeinderat als "mystisch-politisches Herz vor Ort" und als Geburtshelfer einer zeitgemäßen Kirchen verstehen solle. Fragen nach dem, "wofür wir dankbar sein können", sollten dort genauso gestellt werden wie die nach den aktuellen Nöten. Es brauche zudem den Mut, ein klares Nein zu dem zu sagen, wofür überzeugte Christen nicht stehen können.
Pastoralamt der ED. Wien Pfarrgemeinderäte
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