Golgotha-Monstranz in Marienkron (Goldschmied: Stefan Saghy, Wien). Foto: Abtei, St. Saghy
Golgotha-Monstranz in Marienkron (Goldschmied: Stefan Saghy, Wien). Foto: Abtei, St. Saghy
Sr. Mirjam Dinkelbach: Meditation über die Golgotha-Monstranz.
Vor fünf Jahren, im Dezember 2008, gerade hatten wir 50 Jahre Kirchweihe gefeiert: Da schenkte uns die Benediktiner-Gemeinschaft der Dormition Abbey/Jerusalem das kleine Stückchen vom Berge Golgotha, versiegelt vom Custos des Heiligen Landes, Pierbattista Pizzaballa OFM. Die Mitbrüder von Stift Heiligenkreuz schickten uns ihren Goldschmied, Stefan Saghy, und stifteten die Monstranz. So fand das Steinchen seinen Platz in der Zisterzienserinnen-Abtei Marienkron.
Man sieht es kaum. So klein ist es. Wir wollten es genau in der Mitte. Epizentrum. „Gezeichnet vom Beben der Erde bei Christi Tod“, sagt Abt Maximilian von Heiligenkreuz.
Ich möchte sagen: Gezeichnet vom Bleiben Marias, das der Dichter Lernet-Holenia so ausgedrückt hat: „Der Boden barst, die Berge spalteten sich, und die Gräber gaben die Toten zurück; und das Meer gab seine Toten zurück; und die Hölle gab ihre Toten zurücke. Es stand die Schöpfung still. So vollbracht’ er das immerwährende Opfer. Schrecken hatte die Kreaturen befallen. Sie bargen die Züge ihres verstörten Gesichts in den Schoß der Natur.“
Und Maria barg ihr totes Kind auf ihrem Schoß. Still war sie, als die Welt, wie sie gewesen war, um sie herum zusammenbrach. Still war sie auf diesem bebenden, berstenden Golgotha, das mit ihr das Sterben ihres Sohnes sah. Still war sie; denn gebebt hatte sie längst. Kernspaltung. Damals, als sie den Gruß des Engels hörte. Was war das Beben der Erde und des Meeres, was der kaputte Vorhang im Tempel und die Sonnenfinsternis? „Der Herr ist mit dir“, hatte der Engel ihr gesagt. Sie glaubte es ihm. Sie glaubte alles, was er gesagt hatte.
Der Herr ist nicht im Erdbeben, schrieben die Alten. Wenn es bebt, muss man schauen, was danach kommt. „Frau, da ist dein Sohn!“ hatte er noch zu ihr gesagt. Und: „Da ist deine Mutter!“ zu seinem Jünger, dem später in seinem Bericht das Erdbeben nicht einmal der Rede wert war. Bemerkenswert war ihm dies: „Sterbend hat uns Jesus Maria zur Mutter gegeben. Und Gott hat ihr ein Herz gegeben, groß und weit genug, um die ganze Erde zu umfassen“, ob sie bebt oder nicht (Arnold Janssen).
Alles andere stand schon in der Schrift: Durst, Essig, die Gebeine und auch das mit der Auferstehung. Bei Gott ist nichts unmöglich.
Maria hatte sich alles gemerkt. Geduld muss man haben, viel Geduld. Warten können. Bleiben im Beben. Sie darf die jungen Leute nicht allein lassen. Wie ungeduldig sie doch sind. Königreich? Jetzt oder nie und vor allem nicht so. Die Ernte ist groß? Drei Jahre und noch immer keine Frucht. Statt dessen das hier.
Sie kann es ihnen nachfühlen. Wie oft hatte sie gehört: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ Aber jetzt, jetzt, jetzt! „Es ist vollbracht!“ Er hatte es doch noch gesagt. Sie darf sie wirklich nicht im Stich lassen. Es sind jetzt ihre Kinder, diese vor Furcht Gelähmten, im Entsetzen Verstummten.
Dies ist die Stunde der Mütter. Immer jetzt: Die Toten begraben, bei den Lebenden bleiben. Immer neu. Mit nichts als dem Glauben als Stütze.
Sr. Mirjam Dinkelbach OCist
Sr. Mirjam Dinkelbach OCist., emeritierte Äbtissin der Zisterzienserinnen-Abtei Marienkron.