Hunderte Pfarrgemeinderätinnen und -Räte trafen sich zum Vikariats-Tag im Bildungshaus Schloss Großrußach.
Hunderte Pfarrgemeinderätinnen und -Räte trafen sich zum Vikariats-Tag im Bildungshaus Schloss Großrußach.
Über 400 Frauen, Männer und Jugendliche, die in Pfarrgemeinderäten im Weinviertel und im Marchfeld engagiert sind, kamen am 6. September 2014 zum "Vikariats-Tag" nach Großrußbach.
"Ich bin gern euer Bischofsvikar": Mit diesem persönlichen Bekenntnis eröffnete Weihbischof und Bischofsvikar Stephan Turnovszky seinen Impuls beim "Vikariat-Tag" im Bildungshaus Schloss Großrußbach, am 6. September 2014. Nach dem "Bibel-Teilen" und der Bearbeitung der Vorschläge aus den Pfarren werde jetzt der Akzent auf das Spirituelle gelenkt, sagte Turnovszky: "Was hat Gott mit uns vor?" Er habe den Eindruck, "dass Gott seiner Kirche eine neue Form geben will, eine neue Art des Christseins, der Seelsorge". Auch wenn das "Alte nicht schlecht" gewesen sei: "Der Wandel ist da." Es gebe weniger Gläubige, weniger Priester und auch weniger Geld.
Menschen würden heute "anders als vor 30 Jahren leben, die Volkskirche erodiere, die religiöse Ausrichtung werde künftig eine bewusste Wahl". Auch die Kirche sei durch das Konzil "gewandelt" worden. Trotzdem ist der Bischofsvikar überzeugt, "dass Kirche lebt und wächst, dynamisch, nicht im Modus des Triumphes, sondern in Kreuz und Auferstehung".
Christsein sei immer "ernst-froh". Einerseits gebe es das Schmerzhafte, andererseits sei "alles in Gottes guter Hand". So wie der Weinstock jedes Jahr geschnitten werden müsse, so beschneide auch Gott seine Kirche, "dass sie gute Früchte bringt".
Letztlich müssten die Menschen nach dem Reformprozess besser erreicht werden können, daher brauche die Kirche "Breite und Tiefe". "Kirche in der Breite" meine, "für alle offen zu sein, aufmerksam zu sein für die Bedürfnisse jener, die nicht da sind". Es brauchte in der Kirche Räume für "Pilger" (für jene, die nur kurz vorbeischauen, die nicht gleich andocken wollen).Kirche "in der Tiefe" biete Räume auch für Konvertiten, die "eine Art Bekehrungserlebnis hatten" (die sich weiter vertiefen wollen).
Kirche sei hierarchisch und geschwisterlich. Hierarchie heiße "heiliger Ursprung", unterstrich der Bischofsvikar. Seine Bitte an die Gemeinden: "Lasst euch von euren Priestern führen!" Seine Bitte an die Priester: "Lasst euch von euren Gemeinden etwas sagen!" Im Hinblick auf das gemeinsame Priestertum aller Getauften kann sich Turnovszky vorstellen, dass Getaufte und Gefirmte auch Taufgespräche führen.
Die Zusammenarbeit im größeren Raum biete Vorteile, so sei Zusammenarbeit anziehend. "Was vor Ort geleistet werden kann, soll auch in Zukunft vor Ort geleistet werden", sagte Turnovszky. Orientierung biete dabei der Weg des bewährten Pfarrverbandes.
An zwei Elemente pfarrlichen Lebens konnte sich die "sehr katholisch sozialisierte" Journalistin, Autorin und Köchin Eva Rossmann, die jetzt "kaum mehr in die Kirche geht", in ihrem "Blick von außen" erinnern. "Ich war immer in der Pfarrbücherei und ich habe genossen, dass es beim Dritte-Welt-Sonntag auch Exotisches zum Essen gab", sagte sie.
Die Kirche müsse "offenbleiben für die, die halb außen oder ganz außen sind". Weiters habe die katholische Kirche "hohe Werte bei der Sozialkompetenz" und eine "gute Tradition, auf andere Menschen zuzugehen". "Die Bandbreite beim Thema Frauen und Kirche ist enorm", würdigte Rossmann das Engagement der Frauen in der Kirche. Sie hält auch viel von "Demut und Bescheidenheit", allerdings seien diese beiden Haltungen "nicht ausschließlich den Frauen vorbehalten".
Beim Vikariatstag in Großrußbach wurde auch der Zwischenstand der Dekanatsarbeitsgruppen zum Diözesanen Entwicklungsprozess APG2.1 präsentiert. "Nach der ersten Phase des Bibel-Teilens wurden jetzt Vorschläge für größere Einheiten in den Dekanaten erarbeitet und das Bewusstsein für das gemeinsame Priestertum geschärft", berichtete die stv. Vikariatsratsvorsitzende Helga Zawrel.
Die drei Referenten für pastorale Strukturentwicklung haben die eingebrachten Vorschläge ausgewertet: Renate Shebaro erinnerte daran, dass in einem Drittel der Pfarren die Orden eine wichtige Rolle spielen. Aus den vielen Vorschlägen aus den Dekanaten seien auch einige dabei, "die über die Dekanatsgrenzen blicken".
Markus Pories berichtete, dass drei Viertel der Pfarren eine "klare Stellungnahme" abgegeben hätten. Es gebe im Vikariat "einen Überschuss der Hoffnung". Dass durchschnittlich 5,3 Pfarren eine größere Einheit bilden, las Stefan Lobnig aus den Vorschlägen heraus. Die Mehrheit der Pfarrgemeinderäte sehen sich im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Pfarren in einer Fläche von 50 bis 150 Quadratkilometern.
Einige Mitglieder der Vikariatssteuerungsgruppe kommentierten diese Ergebnisse: Dechant Markus Beranek ("Ich bin ein Anwalt der Größe") sprach sich für "sinnvolle Größen und Lebensräume" aus und auch dafür, dass "der Unterschiedlichkeit der Menschen mehr Rechnung getragen" werde. Ferdinand Faber plädierte dafür, "Gutes zu erhalten und Neues zu gestalten". Dazu brauche es auch "passende Strukturen". Fachinspektorin Christine Edlinger hofft auf "Glaubensvertiefung" bei diesem geistlichen Aufbruch, verbunden mit "Glaube und Sendung".
Mehr zum Diözesanen Entwicklungsprozess APG2.1
Die Vorträge von Bischofsvikar Stephan Turnovszky und Eva Rossmann zum nachhören.