P. Klaus Mertes SJ berichtete im Oktober 2010 in Wien bei der dritten Diözesanversammlung ("Apostelgeschichte 2010") von seiner Freude an der Kirche, die er sich "trotz allem" nicht nehmen lasse.
P. Klaus Mertes SJ berichtete im Oktober 2010 in Wien bei der dritten Diözesanversammlung ("Apostelgeschichte 2010") von seiner Freude an der Kirche, die er sich "trotz allem" nicht nehmen lasse.
Warum Umkehr und die Orientierung am Handeln von Papst Franziskus "der" Weg der Kirche nach den Missbrauchsfällen ist: P. Klaus Mertes SJ im Gespräch.
"Wie sind in der Kirche die Beschwerdestrukturen – gerade auch für Gewaltopfer? Gibt es entsprechende Rechtsverfahren? Warum gibt es beim Thema Sexualität so viel Sprachlosigkeit? Gibt es Strukturen der Doppelmoral, die Vertuschung begünstigen?"
Diesen Fragen müsse man sich ehrlich stellen, betont der deutsche Jesuit P. Klaus Mertes im Gespräch mit dem "Sonntag". Mertes sprach am 4. September beim "Theologischen Tag" in Wien zum Thema "Verlorenes Vertrauen? Katholisch sein heute". Der biblische Begriff "Metanoia" ("Umkehr") beinhalte mehr, als nur bestimmte Taten in Zukunft zu unterlassen. Umkehr im biblischen Sinn bedeute, "sein Denken neu auszurichten und das Selbstverständnis zu verändern". Für Mertes, Direktor des Kollegs St. Blasien im Schwarzwald, ist Umkehr nicht nur im privaten Bereich wichtig, sie sei auch nötig im Blick auf das "gesamte Selbstverständnis einschließlich der kirchlichen Strukturen".
Nach dem kirchlichen Missbrauchsskandal, zu dessen Bekanntwerden und Aufarbeitung der damalige Rektor des Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg Berlin mit einem Anfang 2010 publik gewordenen Brief an Absolventen maßgeblich beigetragen hatte, sei viel an Aufklärung, Entschädigungsleistungen und Prävention geschehen, betont Mertes. Es gebe aber weiterhin Segmente in der Kirche, die sich mit einer "behäbigen Selbstgerechtigkeit" diesen Prozessen verweigern und dadurch letztlich "das Evangelium verraten" würden. Denn sie meinten trotz gegenteiliger Rhetorik, der Umkehr und der Reue nicht zu bedürfen.
Mertes warnt im "Sonntag"-Gespräch auch vor einem kirchlichen "Institutions-Narzissmus". Die Institution sei dabei so sehr "in sich selbst verliebt", dass sie nicht mehr spüre, "was sie anderen antut und die eigenen hässlichen Seiten nicht mehr sieht".
Missbrauch im geistlichen oder gar im liturgischen Umfeld durch Kleriker ist für den Jesuiten gleichsam "praktische Blasphemie" und "angemaßte Macht" im Namen Gottes. Das habe weit über die Kirche in Deutschland hinaus zu einem "pastoralen Supergau" (Paul M. Zulehner) geführt.
Beim Versuch, Vertrauen zurückzugewinnen, müsse ein wichtiges Paradox beachtet werden: "Man gewinnt kein Vertrauen zurück, wenn es einem nur darum geht, Vertrauen zurückzugewinnen." Die Kirche müsse sich ganz verabschieden von der Sorge um sich selbst und ihre eigene Glaubwürdigkeit. Es gelte das Leiden der Betroffenen anzuerkennen und notwendige Schritte zu setzen, um Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dem ursprünglichem Sinn der Institution Kirche entsprechend sei vor Gewalt zu schützen "und nicht die Institution vor den Betroffenen der Gewalt zu schützen".
Diese Haltung den Betroffenen gegenüber sei mitgemeint, wenn Papst Franziskus von der "Kirche der Armen" spreche. Dessen Pontifikat stehe gerade für die "radikale Abkehr der Kirche von ihrer Selbstverliebtheit hin zu denjenigen, mit denen man sich nach den Kriterien einer sauber gehaltenen, gut gepflegten Kirche schmutzig macht". Die Armen in der Bibel würden nicht – etwa in den Psalmen oder bei den Propheten – um Reichtum oder Geld bitten, sondern um Gerechtigkeit und Recht. Der Papst habe durch seine Erfahrungen mit der argentinischen Militärdiktatur Sensibilität auch für Machtmissbrauch in der Kirche und dafür, "was Gewalt bis in den privatesten Bereich hinein anrichten kann", erklärte Mertes.
Papst Franziskus stehe auch für eine Veränderung des pastoralen Stils. Nicht die Begegnung zwischen Besserwissern und zu Belehrenden stehe im Vordergrund, sondern eine "dialogische Beziehung". Diese Impulse müssen nach den Worten von Mertes an der sogenannten "Basis" aufgegriffen werden. Bloßes "Starren nach oben" reiche nicht für eine grundlegende Erneuerung.
Im Jänner 2010 thematisierte Rektor P. Klaus Mertes SJ in einem Brief an ehemalige Berliner Jesuitenschüler sexuellen Missbrauch durch zwei Patres, die in den 70er- und 80er-Jahren als Lehrer und Seelsorger am Canisius-Kolleg tätig waren. Damit löste er eine Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch gegenüber Schutzbefohlenen aus, die weltweite Kreise zog.
Ein schmerzhafter Prozess hat die Kirche erschüttert und verändert. In seinem Buch „Verlorenes Vertrauen. Katholisch sein in der Krise“ (Herder-Verlag) zeigt Mertes Aus-Wege aus der Krise.
Klaus Mertes Verlorenes VertrauenKatholisch sein in der Krise
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