Wien 2011: Der katholische Bevölkerungsanteil ist noch immer am größten (41,3%), es folgen aber gleich darauf die Menschen ohne Bekenntnis (31,6%) und die Muslime (11,6%).
Wien 2011: Der katholische Bevölkerungsanteil ist noch immer am größten (41,3%), es folgen aber gleich darauf die Menschen ohne Bekenntnis (31,6%) und die Muslime (11,6%).
Das Projekt WIREL der Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich mit der Entwicklung der Religionszugehörigkeit in Wien.
Im Interview die Demographen Anne Goujon und Ramon Bauer über den Rückgang der Katholikenzahl und weitere Trends.
Wie hat sich die religiöse Landschaft Wiens in den letzten Jahrzehnten verändert?
Anne Goujon: Sie hat sich gewaltig verändert. Von einer Stadt der frühen 1970er Jahre, die überwiegend katholisch war, zu der heutigen, wo die Katholiken weniger als 50 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Und wir haben zunehmend Menschen ohne Religionsbekenntnis, sie machen ungefähr 30 Prozent aus. Eine Zunahme ist bei den orthodoxen Christen und Muslimen zu verzeichnen, das macht die religiöse Landschaft vielfältiger.
Welche Kräfte beeinflussen die religiöse Zusammensetzung der städtischen Bevölkerung?
Anne Goujon: Die Hauptkräfte sind nicht demographisch, es ist die Säkularisation. Menschen, die die Kirche veranlassen, machen die Veränderung aus. An zweiter Stelle kommt natürlich die Migration. Vor allem in den 1990er Jahren und zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es große Zunahmen bei der Einwanderung der muslimischen Bevölkerung und orthodoxer Christen vom Osten und von Jugoslawien. Dies wirkte sich auf die religiöse Landschaft aus. Insbesondere die Muslime hatten mehr Kinder, im Jahr 2000 mehr als 3 Kinder durchschnittlich pro Frau. Das steigerte den Anteil der muslimischen Bevölkerung. Wobei heute die Fertilität der Muslime in Richtung der Mehrheitsbevölkerung geht, die Fertilitätsrate liegt nun bei 2,4 Kinder pro Frau.
Gibt es einen starken Zusammenhang zwischen Religion und ethnischer Zugehörigkeit? Wie sieht die räumliche Verteilung der religiösen Gruppen aus?
Ramon Bauer: In unseren räumlichen Untersuchungen haben wir die Niederlassungsmuster nach Religion und ethnischer Zugehörigkeit verglichen. Wir fanden einen sehr starken Zusammenhang, wenn es zur Mischung der Bevölkerungsgruppen kommt. Es gibt mehr Ähnlichkeiten zwischen den Mustern der zwei Dimensionen „Religion“ und „Volkszugehörigkeit“ als Unterschiede in der Entwicklung. Der Gesamttrend geht stärker in Richtung Vermischung der Gruppen. Mehr Vielfalt gibt es in den dichter besiedelten inneren Bezirken innerhalb und rund des Gürtels. Nicht so in den äußeren Bezirken nordöstlich der Donau, im äußersten Westen und im südlichen Wien.
Was sagen Ihre Prognosen für die künftige religiöse Zusammensetzung?
Anne Goujon: Wir haben nun einmal eine Standardhochrechnung durchgeführt. Danach werden die Katholiken weiterhin abnehmen bis 25 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2030. Die Menschen ohne Bekenntnis werden 32 Prozent sein, die Muslime erreichen 20 Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass das so eintreten muss. Viele Faktoren wurden noch nicht berücksichtigt. Zum Beispiel die interreligiösen Ehen, die im Moment einen zunehmenden Einfluss haben. Wie werden die Kinder dieser Ehen erzogen - mit oder ohne Religion? Studien innerhalb unseres Projekts zeigen, dass Paare, die zwischen unterschiedlichen Religionen heiraten, zu weniger Kinder tendieren als religiöse, aber sie haben mehr als jene ohne Bekenntnis.
Auf der anderen Seite sehen wir, dass vor allem die Menschen von den Säkularisationstrends betroffen sind, die ein lockeres Verhältnis zur Religion haben. Wenn wir von der katholischen Bevölkerung sprechen, sind das jene, die nicht oft in die Kirche gehen, nicht beten etc. Jene Menschen, die einen starken religiösen Glauben haben, die in einem sehr religiösen Umfeld aufwachsen und sehr religiöse Eltern haben, werden nicht säkular. Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass nach einem Punkt, wenn die nur wenig religiösen Katholiken die Religion verlassen haben, eine Kerngruppe von Katholiken übrigbleibt.
Ein drittes muss berücksichtigt werden, dass neben der Tatsache, dass die Menschen immer säkularer werden, die Spiritualität nicht zurückgeht. In einer Studie wurden Menschen, die die katholische Kirche verlassen haben, befragt. Wir erkennen, dass alle in einer Weise einen Glauben haben, nur an die Institution selbst nicht. Sie haben ein spirituelles Leben. Säkularisation ist daher nicht gleichzusetzen mit Atheismus.
Stadt Wien - Erläuterungen zur Religionsstatistik
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