Dass Paul VI. 1967 die große Sozial-Enzyklika "Populorum Progressio" veröffentlichte, ist heute (fast) vergessen.
Dass Paul VI. 1967 die große Sozial-Enzyklika "Populorum Progressio" veröffentlichte, ist heute (fast) vergessen.
Am 19. Oktober 2014 wird er seliggesprochen:
Der Papst im Zeichen des Widerspruchs, der von vielen nur als Verfasser der Enzyklika "Humanae vitae" wahrgenommen wird.
"Pius XII. in seiner hoheitsvollen Gestalt, Johannes XXIII. mit dem überraschenden Charisma eines junggebliebenen Alten, Johannes Paul I. ein kurz strahlender Komet, Johannes Paul II. mit einer außerordentlichen, durch die Medien vermittelten Ausstrahlung in die ganze Welt, der große Theologe Benedikt XVI. – sie sind im lebendigen Gedächtnis der gegenwärtigen Kirche.
Paul VI. hingegen tritt eher in den Hintergrund": Diese nüchterne Feststellung trifft Kardinal Karl Lehmann im Geleitwort des faszinierenden Buches "Paul VI. – Der vergessene Papst" des Kirchenhistorikers Jörg Ernesti (Herder-Verlag). Eigentlich ist Paul VI. (gewählt am 21. Juni 1963, gestorben am 6. August 1978) "der" Konzils-Papst. Denn er führte nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1963 das Konzil fort und brachte es 1965 zum Abschluss. Und doch erfuhr der Papst neben Anerkennung auch Ablehnung, das zeigt das Buch von Ulrich Nersinger ("Paul VI. – ein Papst im Zeichen des Widerspruchs", Patrimonium-Verlag).
1897 geboren, wirkte Giovanni B. Montini nach dem Theologiestudium und der Priesterweihe als päpstlicher Diplomat, zuletzt an der Seite von Pius XII. Als Erzbischof von Mailand geht Montini 1963 als "Papapile" (als aussichtsreicher Kandidat) ins Konklave. Seine erste Enzyklika im Jahr 1964, "Ecclesiam Suam" ("Seine Kirche"), handelt vom Dialog der Kirche mit der Welt. Diesem Dialog ist Paul VI. dann zeitlebens verpflichtet.
Am 25. Juli 1968 veröffentlichte Paul VI. die Enzyklika "Humanae vitae" über die "rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens". "Ohne den Reichtum dieses Weltrundschreibens zu Ehe und Familie auch nur oberflächlich zur Kenntnis zu nehmen, hat man Humanae vitae zur bloßen Pillenenzyklika verkürzt", klagt Kardinal Lehmann in seinem Geleitwort. Von den einen wurde der Papst dann als "Pillen-Paul" abqualifiziert, von anderen wie etwa Papst Franziskus wird Paul VI. verteidigt. "Er hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen", sagte jüngst der Bischof von Rom.
In der schwierigen Nachkonzilszeit, in der auch die Konzilsdokumente umgesetzt werden mussten, am deutlichsten sichtbar in den Reformen der Liturgie, war auch das Papsttum von dem Autoritätsverlust betroffen, der nun nahezu alle gesellschaftlichen Institutionen erfassen sollte. Der Prüfstein des Konzils wurde die Erneuerung der Liturgie, unter anderem die Reform der Messe und des Stundengebets.
In seinem Festvortrag anlässlich 50 Jahre "Liturgie-Konstitution" im Dezember 2013 in Salzburg würdigte der langjährige Zeremoniär von Papst Johannes Paul II., Erzbischof Piero Marini, die drei großen Protagonisten der Liturgiereform: Paul VI., Kardinal Lercaro und Mons. Bugnini. Auf sie treffe, so Marini, der Ausspruch eines englischen Politikers zu: "Never was so much owed by so many to so few" (Nie hatten so viele so vieles so wenigen zu verdanken).
Auch sollte es sich als Bumerang erweisen, dass Paul VI. die letzte Entscheidung in zwei besonders intensiv diskutierten Fragen dem Konzil entzogen und sich selbst vorbehalten hatte, analysiert Ernesti in seinem Buch.
Den priesterlichen Zölibat bekräftigte der Papst 1967 mit der Enzyklika "Sacerdotalis Coelibatus". Die zweite Frage war die Stellungnahme zur künstlichen Empfängnisverhütung, diese wurde 1968 durch die Enzyklika "Humanae vitae" verworfen.
Dass Paul VI. 1967 die große Sozial-Enzyklika "Populorum Progressio" veröffentlichte, ist heute (fast) vergessen. "Die Kirche Christi ist in menschlichen Dingen äußerst erfahren", und daher kann sie begründet für die Benachteiligten eintreten, schrieb der Papst.
Weiters heißt es: "Entwicklung ist der neue Name für Frieden." Kein Wunder, dass damals die "New York Times" diese Enzyklika als "stark links, ja sogar im Ton marxistisch" verunglimpfte.
Trotz der Schwierigkeiten der Nachkonzilszeit setzte Paul VI. seine Reisetätigkeit fort, die er 1964 – noch während des Konzils – mit der "Ökumenischen Wallfahrt" ins Heilige Land begonnen hatte. Dort traf er mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras zusammen. Beide begannen den "Dialog der Liebe". Seit der Zeit Napoleons hatte kein Papst Italien verlassen. Paul VI. war der erste Nachfolger Petri, der in das Land der Bibel zurückkehrte. Als erster Papst besuchte er alle fünf Kontinente und brachte so die Katholizität und Universalität der Kirche neu zur Darstellung. Als erster Papst bestieg er ein Flugzeug. Zugleich war Paul VI. ein Papst der Erneuerung und der Reformen. Im Vatikan veranlasste er eine Kurienreform. Unter anderem begrenzte er das aktive Wahlrecht der Kardinäle auf 80 Lebensjahre, legte die Tiara ("Papst-Krone") ab und errichtete 1965 die Bischofssynode.
Der Einsatz für den Frieden war eines der Hauptanliegen Paul VI., der Vatikan wurde zu einer weltweit anerkannten moralischen Autorität. In der Ostpolitik des Papstes ging es ihm um die Realisierung von Religions- und Gewissensfreiheit.
Wenn für Papst Johannes XXIII. der Begriff "Aggiornamento" ("Verheutigung") prägend war, so war es der Begriff "Approfondimento" für Papst Paul VI.: "Vertiefung, verstehendes Nachdenken und abwägende Reflexion".
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