Neben Parteienvertretern kamen bei der Enquetekommission im Parlament auch externe Fachleute wie die Präsidentin des Hospizverbands, Waltraud Klasnic, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der Medizinethiker Günter Virt und Landau zu Wort
Neben Parteienvertretern kamen bei der Enquetekommission im Parlament auch externe Fachleute wie die Präsidentin des Hospizverbands, Waltraud Klasnic, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der Medizinethiker Günter Virt und Landau zu Wort
Allparteienkonsens über den Vorrang humaner Sterbebegleitung muss sich auch in ausreichender Finanzierung von Hospizversorgung und Palliativer Hilfe niederschlagen.
Diese Forderung stellte Caritas-Präsident Michael Landau bei der Enquetekommission, die am Freitag, 7. November 2014 im Parlament zu ihrer ersten öffentlichen Anhörung zusammentrat. Neben Parteienvertretern kamen dabei auch externe Fachleute wie die Präsidentin des Hospizverbands, Waltraud Klasnic, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der Medizinethiker Günter Virt und Landau zu Wort.
Caritas-Präsident Michael Landau bedauerte, dass die Finanzierung der Hospiz- und Palliativangebote in Österreich stark segmentiert "und in keiner Weise abgesichert" sei. Für die medizinische Behandlung eines Beinbruchs komme keiner auf die Idee, Spenden zu sammeln, bei den Hospiz- und Palliativangeboten - sogar beim von der Caritas mitgegründeten Mobilen Kinderhospiz "MOMO" - sei jedoch oft ein "extrem hoher" Spendenanteil erforderlich. "Das Thema wird wie eine heiße Kartoffel zwischen den finanzierenden Körperschaften hin und her geschoben", kritisierte Landau.
Die Caritas erhebe auf der Basis ihrer Erfahrungen die Forderung: Jeder Bürger soll einen Rechtsanspruch auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen haben, unabhängig ob diese zuhause, in Spitälern und Pflegeheimen oder aber in Tageshospizen genutzt werden. Und: Diese Angebote seien flächendeckend in ganz Österreich auszubauen. Denn, so Landau: "Es darf nicht am Geld oder am Wohnort scheitern, dass Menschen am Ende ihres Lebens jene Betreuung und Begleitung erhalten, die sie brauchen." Ziel müsse dementsprechend auch sein, Hospiz und Palliative Care in die gesamte medizinische, pflegerische und psychosoziale Grundversorgung sowie in die Ausbildung dafür zu integrieren.
Den größten Handlungsbedarf sieht Landau bei der Zielgruppe hoch betagter, multimorbider und dementer Menschen. Der Caritas-Chef berichtete von seiner eigenen Betroffenheit als Begleiter seiner Mutter in ihrer letzten Lebensphase vor mehr als einem Jahrzehnt: Der behandelnde Arzt sei der damalige Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft, Herbert Watzke, gewesen; der den absehbaren Tod der Schwerkranken angekündigt habe. Watzkes Versicherung, die Mutter werde nach menschlichem Ermessen keine Schmerzen erleiden müssen, "war mir als Sohn sehr wichtig", so Landau. "Und es war mir wichtig, nach Möglichkeit bei ihr zu sein, denn auch wenn ein Mensch nichts mehr sagt, kann ich mit ihm sprechen, ihn berühren und ihm oder ihr dadurch Nähe, Gemeinschaft und Liebe zeigen."
Die Parlamentarische Enquete-Kommission sieht Landau als Chance, zur Verbesserung einer "Kultur des Sterbens" beizutragen. Es gelte "Mauern der Sprachlosigkeit zu durchbrechen", die Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit und den Tod nach wie vor umgeben würden.
An die Parlamentsparteien richtetet der Caritas-Präsident die Bitte, das Thema Hospiz- und Palliativversorgung auch weiterhin aus dem politischen Tagesstreit herauszuhalten: "Das Thema ist zu wichtig."
Auf Fehlentwicklungen in Europa wies der Theologe und Medizinethiker Günter Virt in seinem Statement hin. In Belgien und den Niederlanden erlauben Gesetze nun die Tötung auf Verlangen sogar bei Kindern, psychisch Kranken, Strafgefangenen und Demenzkranken "unter gewissen Sorgfaltsbedingungen". Jedoch: Der Grat zwischen einem Recht zum Sterben und der Pflicht zu sterben "ist mehr als schmal", so die Warnung des Mitglieds der von der früheren EU-Kommission eingesetzten "European Group on Ethics in Science and New Technologies".
Zur Forderung nach einem autonom selbstbestimmten Sterben erklärte der Theologe: Jede überzogene Autonomie, die Tötung auf Verlangen einschließt, "liefert den Kranken, die Angehörigen und auch Ärzte unweigerlich einem subtilen, nicht mehr überprüfbaren Druck aus". So könne gerade die konkrete Autonomie "unter dem Vorwand einer abstrakten Autonomie" ausgehöhlt werden.
Hospizverbands-Präsidentin Waltraud Klasnic untermauerte mit Briefen Betroffener die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung: Eine Sterbenskranke habe für ihre eigene Betreuung eine bestimmte Summe bereitgestellt und permanent in Sorge gewesen, hoffentlich rechtzeitig zu sterben, bevor das Geld aufgebraucht ist. Klasnic nannte das ebenso unzumutbar wie die Lage zweier Salzburger Studenten, die ihre sterbende Mutter in Hospizbetreuung geben wollten und angesichts der Kosten von täglich 170 Euro enttäuscht bekennen mussten: "Das können wir uns nicht leisten."
"Sterbehilfe" nannte Klasnic das "Unwort des Jahres", weil es irreführend sei und von der tatsächlich erforderlichen Hilfe zu einem Sterben in Würde absehe. Die Hospizverbands-Präsidentin betonte: "Wir haben nicht das Recht, das Leben zu verlängern, aber auch nicht das Recht, es zu verkürzen."
Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid sollen verboten bleiben: Das hielt Diakonie-Direktor Michael Chalupka in seinem Statement bei der fest. Er warnte vor einem gesellschaftlichen Klima, in dem es "normal" wird, "sich den Tod mithilfe eines anderen oder gar durch einen anderen geben zu lassen, weil man krank, abhängig und hilfsbedürftig ist". Zu schützen sei hier die Freiheit, das Sterben, ohne Druck von außen zu erleben und zu gestalten. Worüber die Diakonie allerdings nachdenke wolle, sein ein "größerer Spielraum für Gewissensentscheidungen" bei der Frage der Beihilfe zum Suizid. Dies impliziere zum einen, dass assistierter Selbstmord "kein Rechtsanspruch sein kann, der sich an den Staat oder gar an Dritte richtet". Denn wären Dritte zur Suizidhilfe verpflichtet, hätten sie ja keinen Spielraum mehr für eine Gewissensentscheidung, argumentierte Chalupka.
Zum anderen solle "größerer Spielraum" hier zum Ausdruck bringen, "dass wir als evangelische Christen zurückhaltend sind gegenüber kategorischen Urteilen bei existenziellen Konfliktsituationen". Chalupka nannte als mögliches Beispiel den Konflikt eines Sterbewilligen, der sich fragt: "Kann ich gar jemanden bitten, bei mir zu sein, wenn ich mein Leben beende? Oder bleibt mir nur der einsame Suizid, oft mit schrecklichen Mitteln?" Er sehe es als gesellschaftspolitisches Problem an, wenn Menschen, die anderen in extremen Leidsituationen beistehen wollen, kriminalisiert werden, so der Diakonie-Chef. "Barmherzigkeit ist gefragt", ebenso juristische Wege, wie dieser in einzelnen Extremfällen Genüge getan werden kann.