Matthias Beck ist Priester und Professor an der Uni Wien mit Schwerpunkt Medizinethik.
Matthias Beck ist Priester und Professor an der Uni Wien mit Schwerpunkt Medizinethik.
Matthias Beck gibt im "Sonntag" eine Einschätzung der möglichen Folgen des nun von SPÖ und ÖVP vorgeschlagenen Fortpflanzungsmedizingesetzes.
Seit 1978 gibt es die Möglichkeit, Embryonen außerhalb des Mutterleibes im Reagenzglas herzustellen ("Retortenbabies"). Ursprünglich war es dazu gedacht, Eltern, die keine Kinder bekommen können, auf diesem Weg zu helfen. Heute hat sich die Methode sehr ausgeweitet. Die In-vitro-Fertilisation (IVF) kann angewendet werden, um alleinstehenden Frauen dank eines Samenspenders zu einem Kind zu verhelfen (im neuen Gesetz weiterhin verboten). Sie wird angewendet, um einem Ehepaar, bei dem der Mann zeugungsunfähig ist, mit dem Samen eines Dritten den Kinderwunsch zu erfüllen. Bisher war erlaubt, dass der Frau der Samen direkt in die Gebärmutter inseminiert wird, der Gesetzesentwurf will es auch in vitro zulassen.
Die IVF wird auch verwendet, um zeugungsfähigen Paaren, die eine genetische Veranlagung für bestimmte Erkrankungen haben (z.B. das "Brustkrebsgen" bei der Frau), zu ermöglichen, ein Kind per IVF herstellen zu lassen, dieses dann genetisch zu untersuchen (die Präimplantationsdiagnose/PID), um dann vor der Einpflanzung des Embryos in die Gebärmutter der Frau jene Embryonen auszuscheiden, die diese genetische Veranlagung tragen (obwohl nicht sicher ist, dass diese Krankheit später auch ausbricht).
Dann wird die IVF mit anschließender PID verwendet, um "Rettungsgeschwister" herzustellen (im Gesetzesentwurf verboten). Das bedeutet, dass z. B. ein Kind erkrankt ist und die Ärzte sagen: Es gibt eine Chance, wenn die Eltern noch ein Kind zeugen, das dann dem Geschwisterkind Nabelschnurblut, Knochenmark, oder ein Organ spendet. Da aber nicht jedes Kind als Spender für das Geschwisterkind geeignet ist, kann man nicht einfach ein zweites Kind zeugen, sondern muss bis zu 20 Embryonen mittels IVF im Reagenzglas herstellen, um dann jenen auswählen, der am besten geeignet ist.
Ferner kann die IVF einem Paar aus zwei Frauen zu einem Kind verhelfen (im neuen Gesetz erlaubt) oder aber zwei Männern mittels einer Eizellspende (die auch im neuen Gesetz erlaubt werden soll) und einer Leihmutter, die das Kind austrägt (diese soll verboten bleiben). Leihmütter im Ausland werden durch Agenturen für bis zu 20.000 € vermittelt, wovon die Leihmütter nur einen kleinen Teil bekommen.
Hier stellen sich viele Probleme. Nur wenige Beispiele: Bei zwei Frauen, die ein Kind von einem Samenspender bekommen, kann es sein, dass das Kind den genetischen Vater treffen möchte. Es hat mit 14 Jahren ein Recht darauf, zu wissen, wer der genetische Vater ist. Die beiden gesetzlichen Elternteile könnten das verhindern wollen, vielleicht möchte der Vater das Kind öfter sehen oder das Kind will gar beim genetischen Vater leben. Dies kann es erst mit achtzehn Jahren entscheiden, da zuvor beide Frauen als gesetzliche Eltern das verhindern können. Was bedeutet das für das Kindeswohl?
Die IVF ist an sich schon nicht ganz unproblematisch: Zum einen ist ihre Erfolgsrate nicht sehr hoch (etwa 20-25% "baby-take-home-Rate"). Deshalb stellt man mehrere Embryonen her. Dazu müssen mehrere Eizellen gewonnen werden und dafür muss die Frau hormonell stimuliert werden, damit 10 oder 15 Eizellen heranreifen. Diese werden dann mit dem Samen des Mannes, des Lebenspartners oder eines Fremdsamenspenders befruchtet. Die Hormonstimulation der Frau ist nicht ganz ungefährlich, es hat schon Todesfälle gegeben. Die Embryonen werden dann fünf oder sechs Tage in jeweils unterschiedlichen Nährlösungen, die mit Antibiotika durchsetzt sind, herangezüchtet.
Das neue Gesetz sieht vor, dass möglichst nur ein Embryo in die Gebärmutter transferiert wird, damit Mehrlingsschwangerschaften vermieden werden. Allerdings neigen IVF-Embryonen zu erhöhter Zwillingsbildung. Da Mehrlingsschwangerschaften immer Risikoschwangerschaften sind, kommt es vor, dass ein oder zwei von den Embryonen/Feten (ab dem dritten Monat Fetus genannt) durch gezielten Stich ins Herz des Fetus mit Kaliumchloridlösung getötet werden ("Fetocid") und diese toten Embryonen/Feten dann bis zur Geburt neben dem am Leben gebliebenen Embryo liegen bleiben. Die Frage ist, ob das Auswirkungen auf die seelische Befindlichkeit des Überlebenden hat.
Außerdem können bestimmte Methoden der IVF (die ICSI-Methode, bei der ein Spermium direkt in die Eizelle gespritzt wird) zu späteren Schäden beim Kind führen (Nieren- oder Herzschäden). Ein Medikament mit derartigen Nebenwirkungen würde niemals zugelassen werden. Das Kindeswohl wird auch hier nicht beachtet.
So stellen sich viele Fragen, die öffentlich diskutiert werden müssten. Der Gesetzgeber sieht nur eine Frist zur Stellungnahme bis 1. Dezember vor. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er dieser Diskussion ausweichen will.
Kinderrechte statt Kinder um jeden Preis – Nein zum Entwurf des FMedG
Möglichkeit zum Unterschreiben einer Petition an die betreffenden Bundesminister: "Der Entwurf des Fortpflanzungsmedizingesetz muss zurückgenommen und nach umfassender öffentlicher Diskussion grundlegend überarbeitet werden. |
Webseite: "Der Sonntag"
Wöchentliche Kolumne von Chefredakteur Michael Prüller im "Sonntag"
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