"Eine Versachlichung würde allen Beteiligten helfen", zeigte sich Generalsekretärin Martina Kronthaler ("Aktion Leben") überzeugt: "Nur wenn wir wissen, wovon wir überhaupt reden, können wir betroffenen Frauen und Paaren besser zur Seite stehen."
"Eine Versachlichung würde allen Beteiligten helfen", zeigte sich Generalsekretärin Martina Kronthaler ("Aktion Leben") überzeugt: "Nur wenn wir wissen, wovon wir überhaupt reden, können wir betroffenen Frauen und Paaren besser zur Seite stehen."
Präsidentin der Katholischen Aktion, Schaffelhofer, begrüßt Signale von Parlamentsparteien - Kritik aber auch seitens der "Aktion Leben" an "Gesprächsverweigerung" der SPÖ
Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) hat die Signale aus mehreren Parlamentsparteien, eine Streichung der eugenischen Indikation im Abtreibungsgesetz ins Auge zu fassen bzw. zumindest ernsthaft darüber zu beraten, begrüßt. "Eine solche Debatte ist längst überfällig", betonte KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer am Dienstag. "Wir können eine solche schwere Diskriminierung Behinderter nicht länger hinnehmen." Schaffelhofer appellierte ausdrücklich auch an die SPÖ, "sich einer Debatte über diesen einen Punkt im Abtreibungsgesetz nicht länger zu verschließen". Die SPÖ vertrete den Gleichheitsgrundsatz in vielen anderen Fragen vehement, "es ist nicht einzusehen, warum er hier nicht gelten soll".
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser hatte es zuletzt abgelehnt, über ein Ende der Spätabtreibung von behinderten Kindern zu reden. Genau die gänzliche Streichung der Spätabtreibung ist laut Schaffelhofer aber erklärtes Ziel der KAÖ. Alle damit verbundenen medizinischen und rechtlichen Aspekte einer solchen Gesetzesänderung seien eingehend zu diskutieren. Dies dürfe aber nicht wieder als Vorwand dienen, "eine Entscheidung auf die lange Bank zu schieben". Die Katholische Aktion fordere eine Novelle innerhalb von wenigen Monaten. Schaffelhofer: "Es geht um das Leben und das Schicksal von Menschen!"
Angestoßen hatte die jetzige Debatte der österreichische Behindertenanwalt (und frühere SPÖ-Sozialminister) Erwin Buchinger. Er appellierte bei der Parlamentarischen Enquete-Kommission "Würde am Ende des Lebens", auch die Würde am Beginn des Lebens zu beachten, und trat dafür ein, die unterschiedliche Beurteilung behinderten und nichtbehinderten Lebens bei der Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen zu beenden. In einem Interview der "Kleinen Zeitung" bekräftige Buchinger jüngst seine Vorbehalte: Er halte die eugenische Indikation für eine "schreiende Ungerechtigkeit und Diskriminierung, die es seit 1975 gibt und die einfach so hingenommen wird".
Auch die "Aktion Leben" bezeichnete es am Dienstag als "Skandal, dass behinderte Menschen anders behandelt werden als nicht behinderte". Generalsekretärin Martina Kronthaler erklärte sich beim Thema eugenische Indikation ausdrücklich solidarisch mit Behindertenorganisationen. Zugleich verurteilte sie die "Gesprächsverweigerung der SPÖ zu diesem Thema" als "unhaltbar". Kritik übte Kronthaler auch daran, dass die SPÖ eine Statistik zum Schwangerschaftsabbruch, also auch zu Spätabbrüchen, "blockiert", wie sie die "Aktion Leben" in der noch noch bis 31. März laufenden Bürgerinitiative "Fakten helfen" fordert.
"Eine Versachlichung würde allen Beteiligten helfen", zeigte sich Kronthaler überzeugt: "Nur wenn wir wissen, wovon wir überhaupt reden, können wir betroffenen Frauen und Paaren besser zur Seite stehen."
Mit Maßnahmen wie Prävention, Beratung, Unterstützung von schwangeren Frauen und Familien möchte die "Aktion Leben" das Ziel von weniger Abtreibungen in Österreich erreichen. Würde die eugenische Indikation abgeschafft, wäre hier kein Rückgang zu erwarten, da Schwangerschaftsabbrüche dann unter dem Titel "medizinische Indikation" durchgeführt würden. Dennoch wäre es - so Kronthaler - ein wichtiges "Zeichen gegen die Geringschätzung von behinderten Menschen", fiele die eugenische Indikation weg.
Die "Aktion Leben" verwies in ihrer Aussendung auf den engen Zusammenhang von Pränataldiagnostik und Spätabbrüchen. Die Diskrepanz zwischen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeit sei ein Grundproblem von Pränataldiagnostik, die sich "immer mehr in Richtung Rasterfahndung nach behinderten Menschen" entwickelt habe. In der Praxis werde vielfach nicht offen gelassen, ob eine Frau ein behindertes Kind zur Welt bringen will oder nicht. "Es wird erwartet, dass ein positiver Befund bei schwerer Behinderung in einem Spätabbruch endet", so Kronthaler: "Wir beobachten einen Automatismus zum Abbruch. Vielfach wird den Frauen nahegelegt, es schnell hinter sich zu bringen. Das ist eine unzulässige Manipulation."
Die Grünen, die FPÖ und die NEOS erklärten sich zuletzt gesprächsbereit darüber, die Frist für die Spätabtreibung behinderter Kinder zu verkürzen. Die ÖVP und das Team Stronach wären überhaupt für die Streichung der eugenischen Indikation. Von SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser kam allerdings ein Nein: Eine Fristverkürzung sei "nicht zu diskutieren", wie sie am Montag über ihre Sprecherin ausrichten ließ. Man wolle nicht, dass Druck auf die Frauen ausgeübt werde und Schuldgefühle aufgebaut würden, teilte Oberhauser der APA mit. "So eine Entscheidung trifft keine Frau auch nur einen Tag zu spät." Es handle sich um einen Sache zwischen der Schwangeren und dem behandelnden Arzt. Zahlen, wie oft Spätabtreibungen tatsächlich durchgeführt werden, werden nicht erhoben - was man in Oberhausers Büro auch für nicht notwendig erachtet.
eugenische Indikation - Schwangerschaftsabbruch mit embryopathischer Indikation
Streichung der bisherigen Regelung zur eugenischen Indikation (164/PET)
Katholische Aktion Österreich (KAÖ)
Österreichischer Behindertenanwalt (und frühere SPÖ-Sozialminister) Erwin Buchinger