Abgebaut werden sollten zudem die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht oder das Bewusstsein in der Bevölkerung für individuelle gesundheitliche Vorausplanung für das Lebensende.
Abgebaut werden sollten zudem die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht oder das Bewusstsein in der Bevölkerung für individuelle gesundheitliche Vorausplanung für das Lebensende.
16 Mitglieder befürworten Lockerung im Strafgesetzbuch, acht sehen schwerwiegende Probleme - Einstimmige Forderung einer Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung
Die österreichische Bioethikkommission hat am Donnerstag Empfehlungen zum Thema Sterbehilfe abgegeben, wobei die Kommissionsmitglieder deutlich unterschiedlicher Meinung waren. 16 der 25 Mitglieder befürworteten eine Lockerung des strafrechtlichen Verbots der Mitwirkung am Suizid, während acht Mitglieder eine derartige Neuregelung als problematisch bezeichneten. Der am Donnerstag in einer Pressekonferenz präsentierte Abschlussbericht, der insgesamt vier unterschiedliche Voten abbildet, soll laut der Kommissionsvorsitzenden Christiane Druml möglichen Regierungsmaßnahmen eine Linie vorgeben.
Das von Druml präsentierte Mehrheitsvotum spricht sich für Straflosigkeit für Angehörige und nahestehende Personen aus, die "einer an unheilbarer, zum Tode führenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidenden Person beim Suizid Hilfe leisten, sofern die Beweggründe - Loyalität oder Mitleid - verständlich seien.
Der diese Handlung bisher betreffende Paragraph 78 im Strafgesetzbuch (StGB) sollte demnach gelockert werden.
Abweichend davon erklärten acht Kommissionsmitglieder, dass schon die derzeitige Rechtsordnung bei der Frage, ob in einem konkreten Fall rechtswidriges Verhaltens vorgelegen sei, den Einzelfall prüfe und Gewissensnot angemessen berücksichtige statt Pauschalurteile zu fällen, wie Befürworter argumentierten. Eine Abänderung des StGB-Paragraphen 78 würde ein völlig falsches Signal an die Gesellschaft richten und könnte dazu beitragen, dass assistierter Suizid zum Normalfall werde, erklärte des Grazer Moraltheologe Walter Schaupp, ein Unterzeichner des Minderheitenvotums, das Bedenken.
Wie das Minderheitenvotum weiter feststellte, wäre die vorgeschlagene Abänderung des § 78 StGB - die Straffreistellung bestimmter Ausnahmen - in vielerlei Hinsicht problematisch. So gebe es enorme Unschärfen bei Begriffen wie "begrenzte Lebenserwartung" oder bei der Überprüfbarkeit der Vorbedingungen, zudem würden Ärzte keineswegs aus einem Gewissenskonflikt entlassen, wie von Befürwortern vorgetragen. Statt einer Strafgesetzbuch-Änderung wurde deshalb - als "niederschwelligere Alternative" - die Erstellung von Richtlinien angeregt, nach denen Staatsanwälte prüfen können, ob Einzelfälle weiterverfolgt werden müssen oder nicht. Schaupp: "Dass in milden Formen der Involvierung Angehöriger - etwa allein durch menschlichen Beistand - Anklage erhoben wird, will niemand."
Selbst innerhalb des Minderheitenvotums gab es innerhalb der Kommission jedoch vier Mitglieder, die ihre Meinung in einem Sondervotum noch weiter präzisierten. Die Äußerung eines Wunsches nach dem Lebensende dürfe nicht mit tatsächlicher Suizidabsicht gleichgesetzt werden, hieß es hier, zudem seien diese Äußerungen vor allem Ausdruck eines Leidensdrucks, der eine Verbesserung der Lebenssituation als Ziel haben müsse. Jeder Suizid - egal ob "aus der Mitte des Lebens" oder bei lebensbedrohlicher Erkrankung - sei zudem ein "tragischer Schlussstrich", den es gesellschaftlich zu vermeiden gelte.
Bei anderen Themen gab es in der Kommission hingegen Einstimmigkeit - etwa darin, dass am Lebensende "unverhältnismäßige medizinische Interventionen" vermieden werden sollten und hier mehr Rechtssicherheit erforderlich sei. "Absolut dringend" werde laut Druml auch der Bedarf für den bundesweiten Ausbau der Palliativmedizin und der Hospizdienste sowie der verstärkten Ausbildung in diesem Bereich gesehen. Abgebaut werden sollten zudem die Patientenverfügung, die Vorsorgevollmacht oder das Bewusstsein in der Bevölkerung für individuelle gesundheitliche Vorausplanung für das Lebensende.
Ganz im Gegensatz zu Drumls Aussagen bei der Pressekonferenz, derzufolge die Bioethikkommission sich gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Sterbehilfeverbots ausgesprochen habe, äußerte sich Kommissionsmitglied Stephanie Merckens: Die Kommission habe bei ihrer Sitzung am Montag dieses Thema nicht einmal angesprochen, so die Vertreterin des Instituts für Ehe und Familie der Bischofskonferenz, die auch zu den Unterzeichnern des Minderheiten- und des Sondervotums zählt. Offensichtlich sei eine diesbezügliche Diskussion unerwünscht und stehe der nunmehr befürworteten Aufweichung des Rechtsschutzes, die im Mehrheitsvotum als "Entkriminalisierung" bezeichnet werde, entgegen.
Ein Streitpunkt in der Bioethikkommission war auch die verwendete Terminologie, wie auch die Ausführung des Mehrheitsvotums darlegt: Hier wurde die Aktualisierung der "veralteten und nicht mehr ausreichend klaren Terminologie" der "aktiven und passiven Sterbehilfe" gefordert, wobei Merckens zufolge die ins Spiel gebrachten Alternativen jedoch ebenfalls erhebliche Probleme mit sich bringen würden. "Positiv besetzte und strafrechtlich nicht relevante Begriffe wie das Zulassen und Begleiten des Sterbens sind nicht deckungsgleich mit Sterbehilfe, die auch Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord umfasst. Wir brauchen auch Begriffe für den Unrechtscharakter strafrechtlicher Handlungen", betonte die Juristin.
Kritisch äußerte sich Merckens auch gegenüber Ausführungen des Linzer Strafrechtlers Alois Birklbauer, der sich zur Begründung des Mehrheitsvotums bei der Pressekonferenz u.a. den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschland, Nikolaus Schneider, erwähnte, der öffentlich erklärt hatte, er würde seine krebskranke Frau zum assistierten Suizid in die Schweiz begleiten, wenn sie dies wünsche. Anders als von Birklbauer dargestellt, sei eine derartige Äußerung in Österreich laut bestehender Rechtslage "nicht eindeutig strafbar", betonte die Juristin. "Es kommt sehr darauf an, welche Rolle er dabei spielen würde - ob er den Willen seiner Frau unterstützt oder sie begleitet, ohne irgendeinen Einfluss darauf zu nehmen", so Merckens, die vor "bloßer Angstmacherei durch Hervorhebung von Graubereichen" warnte.
Die österreichische Bioethikkommission
Paragraph 78 im Strafgesetzbuch (StGB)