„Wir wissen heute, dass die allermeisten Menschen mit Behinderung ihr Leben als lebenswert empfinden“, sagt Kardinal Christoph Schönborn.
„Wir wissen heute, dass die allermeisten Menschen mit Behinderung ihr Leben als lebenswert empfinden“, sagt Kardinal Christoph Schönborn.
Sabine K. ist überglücklich: Sie ist schwanger – nach ihrer Tochter das zweite Wunschkind. Doch in der 18. Schwangerschaftswoche erfährt sie, dass das Kind behindert sein wird. Der "Sonntag" berichtet.
Damit hatte sie nicht gerechnet. „Bis zur 18. Schwangerschaftswoche verlief alles normal. Dann jedoch verschaffte sich unser kleiner Zwerg plötzlich unsere ganze Aufmerksamkeit“, schildert Sabine K. die Zeit der Diagnose in dem Buch „Aus dem Bauch heraus". Pränataldiagnostik und behindertes Leben.
Bei einer Routineuntersuchung stellt der Frauenarzt fest, dass das Kind an Spina bifida, einem sogenannten „offenen Rücken“ leidet, höchstwahrscheinlich schwer behindert sein wird. Familie K. fällt aus allen Wolken. Was nun? Die Schwangerschaft fortsetzen, oder lieber beenden?
Um zu erfahren, wie es anderen Familien geht, deren Kinder mit dieser Art der Behinderung auf die Welt gekommen sind, nimmt Familie K. Kontakt zu Betroffenen auf, informiert sich aber auch eingehend über die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs: „Wir hielten es für wichtig, uns umfassend mit dem Thema zu beschäftigen, bevor wir eine Entscheidung treffen, wollten einfach das richtige tun“, sagt Sabine heute.
Die Gespräche mit den betroffenen Familien beantworten viele Fragen, vor allem auch die Kinder zu sehen, hilft Familie K. : „Die Ausstrahlung der Kinder berührte uns in allen Fällen tief. Sie waren lebensfroh und glücklich.“
Nach einigen Wochen hatte Familie K. den Eindruck alle relevanten Informationen zusammengetragen zu haben. Nun musste eine Entscheidung getroffen werden – „bis zur 22. Woche“ lautet die selbstauferlegte Frist von Sabine und ihrem Mann.
„Mehrmals täglich schwankten wir zwischen ,Wir sagen ja‘ und ,Nein, das schaffen wir nicht‘.“ Unzählige Gespräche mit Familie, Freunden und Bekannten gibt es in dieser Zeit. „Die meisten stellten sich hinter uns, egal wie wir uns entscheiden wollten“, sagt Sabine.
Und trotzdem spüren sie und ihr Mann auch einen „undefinierbaren gesellschaftlichen Druck – und der wies in Richtung Abbruch. Heute sehen wir dieses Gefühl als Auswirkung einer Umwelt, die uns Spontanität und Perfektionismus vorlebt, um sich nicht mit unangenehmen und bindenden Verpflichtungen behindern zu müssen.“
Schließlich entscheidet sich Familie K. gegen eine Spätabtreibung. Nach der Entscheidung fühlt sich Sabine „unendlich frei und dankbar, endlich wieder schwanger sein zu dürfen. Mit unserer Entscheidung haben wir wieder zu unserer Ruhe und zu unserem Glück gefunden.“
In Österreich erlaubt das Strafgesetzbuch den Schwangerschaftsabbruch, wenn „ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“ bis kurz vor der Geburt. In solchen Fällen wird von „eugenischer Indikation“ gesprochen.
Die Katholische Aktion, die aktion leben österreich und viele andere Organisationen fordern seit Jahren die Streichung der eugenischen Indikation. Behindertenanwalt Erwin Buchinger hat erst jüngst die Debatte wieder losgetreten. Die eugenische Indikation sei eine „schreiende Ungerechtigkeit und Diskriminierung, die es seit 1975 gibt und die einfach so hingenommen wird“, eine Gesetzesänderung dringend notwendig, sagte er im Hinblick auf die parlamentarische Enquetekommission „Würde am Ende des Lebens“.
Kardinal Christoph Schönborn betonte in diesem Zusammenhang: Natürlich sei Behinderung immer eine Herausforderung, rechtfertige aber nie ein Todesurteil.
„Wir wissen heute, dass die allermeisten Menschen mit Behinderungen ihr Leben als lebenswert empfinden.“ Eine menschenfreundliche Gesellschaft müsse daher dafür sorgen, „dass Eltern hier unterstützt und nicht alleingelassen werden“. Genau das bewirke aber die jetzige Rechtslage: „Das Gesetz täuscht einen leichten, sozialverträglichen Ausweg vor und erlaubt es so der Umwelt, sich aus der Verantwortung zu stehlen.“
HRSG: Franz J Huainigg Aus dem Bauch herausPränataldiagnostik und behindertes Leben
2010, Wiener Dom-vlg |
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