"Ich möchte die Gemeinschaften mehr miteinander vernetzen", sagt Schwester Maria Judith Tappeiner.
"Ich möchte die Gemeinschaften mehr miteinander vernetzen", sagt Schwester Maria Judith Tappeiner.
Schwester Maria Judith Tappeiner, die Vorsitzende der Regional-konferenz der Frauenorden der Diözesen Wien und Eisenstadt, sieht im Moment das würdige Altwerden der Ordensschwestern als eine der dringlichen Aufgaben. Ein Interview im "Sonntag".
Warum sind Sie Ordensfrau geworden und traten in die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis ein?
Schwester Maria Judith Tappeiner: Ich habe zwei Jahre in einem Bildungshaus in Südtirol gearbeitet und dort zwei Schwestern der Caritas Socialis kennengelernt. Ihre Lebensweise und ihr Lebensweg haben mir imponiert. Das waren zwei Frauen, die aus dem Glauben ihre Kraft geschöpft haben und versuchten, ihr Leben danach zu gestalten. In der Folge habe ich dann die Biografie Hildegard Burjans, die Gründerin der Caritas Socialis, gelesen und auch bei ihr erlebt, dass sie mitten im Leben gestanden ist – als Frau, als Politikerin, als Christin. Das hat mich einfach angezogen. Hildegard Burjan hatte und die Caritas Socialis hat ein offenes Auge und Herz für die Nöte der Menschen. Von dem war ich ganz einfach fasziniert.
Haben Sie den Schritt in die Ordensgemeinschaft je bereut?
Schwester Maria Judith Tappeiner:Ich würde auch wieder diesen Weg wählen und gehen. Auf meinem Lebensweg habe ich viel Erfüllung erlebt und erlebe sie noch heute. Es hat mich sehr meine Arbeit – ich war neun Jahre im Hospiz als Seelsorgerin in Innsbruck tätig – geprägt. Ich freue mich, dass ich heute wieder in diese Tätigkeit einsteigen konnte, nämlich in der Trauerbegleitung. Ich habe in der Caritas Socialis meine Lebenserfüllung gefunden, bei allen Schwierigkeiten, die es auch gab. Ich lebe mit Leib und Seele in dieser Gemeinschaft.
Welche Bedeutung haben die Ordensgemeinschaften in der Erzdiözese Wien?
Schwester Maria Judith Tappeiner:Wenn wir sowohl in die Vergangenheit zurückdenken als auch auf die Zukunft hinschauen, sind die Ordensgemeinschaften in der Erzdiözese Wien sehr wichtig. Auch im Hinblick auf die vielen Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen. Sicher ist es jetzt so, dass in vielen Schwesterngemeinschaften nicht mehr so viele junge Schwestern sind. Ich bin der Meinung, dass gerade in unserer heutigen Zeit das gelebte und erfüllte Altern auch Glaubenszeugnis sein und werden kann. Vieles ist im Umbruch und Aufbruch. Das muss sein, weil sich einfach das ganze Leben in der Gesellschaft verändert hat.
Wie werden die Frauenorden im diözesanen Entwicklungsprozess eingebunden?
Schwester Maria Judith Tappeiner:Wir werden eingebunden, aber ich glaube, dass viel zu wenig gesehen wird, wie viele ehrenamtliche Aufgaben Schwestern in den verschiedenen Pfarren übernehmen. Es wird jetzt aber bedauerlicherweise gesagt, dass sie sich zurückziehen. Das ist aber etwas, wo wir sagen müssen: „Sie ziehen sich nicht aus irgendwelchen Gründen zurück. Es ist einfach eine Altersfrage.“ Aber wenn es die ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht gäbe, wäre dies für die Erzdiözese sehr schade.
Was bedeutet "geweihtes Leben"? Hat diese alternative Lebensform eine Zukunft?
Schwester Maria Judith Tappeiner: Ich bin überzeugt, dass diese Lebensweise Zukunft hat und immer wieder haben wird, aber sie ist einem sehr starken Wandel unterzogen. Es ist nicht mehr so wie früher, dass sich Ordensleute oft einfach auf ihrem Aufgabenbereich zurückgezogen haben. Jetzt bedarf es neuer Ausdrucksweisen.
Geweihtes Leben, das Leben in einer Ordensgemeinschaft, ist nicht etwas Besseres, sondern einer der verschiedenen Möglichkeiten. So wie es den Weg der Ehe oder des Alleinlebens gibt, gibt es auch den im Orden.
Wie sieht die Situation der Frauenorden in der Diözese aus? Sie haben die Überalterung schon angesprochen.
Schwester Maria Judith Tappeiner: In der Erzdiözese Wien wirken ca. 60 verschiedene Gemeinschaften mit über 1000 Schwestern. Die Frage des Alters ist sicher eine sehr aktuelle. Aber es stellt sich immer auch die Frage, wie lebe ich die Berufung im Heute, im Hier und Jetzt. Wie ich vorhin schon gesagt habe, im Moment ist das würdige Altwerden einfach eine Herausforderung, die ich ganz deutlich und bedeutsam sehe.
Der fehlende Ordensnachwuchs ist wahrscheinlich auch ein Problem.
Schwester Maria Judith Tappeiner: Wir haben weniger Berufungen. Die Aufgabe der Orden ist es, dass nicht jede Gemeinschaft ihre eigene Suppe kocht, sondern dass wir uns viel mehr vernetzen. Darin sehe ich mein Hauptbetätigungsfeld in der Regionalleitung der Frauenorden in den beiden Diözesen Wien und Eisenstadt.
Was bedeutet das Jahr der Orden für die Gemeinschaften selbst und die Welt um sie herum?
Schwester Maria Judith Tappeiner: Es gibt sehr viele Aktionen im Jahr der Orden in ganz Österreich. Dabei ist wichtig, dass wir nicht nur in den Aktivitäten nach außen aufgehen, sondern die Reflexion nach innen durchführen. Uns bewusst werden, was unsere Kernaufgaben heute sind. Wir besinnen uns darauf, was uns mit diesem Jahr geschenkt wurde, um uns nach innen und außen neu zu orientieren.
Weltweit gibt es in der katholischen Kirche gegenwärtig rund 900.000 Ordensleute. Davon sind knapp 700.000 Frauen. Anders als bei Ordensmännern sinkt die Zahl bei den Ordensfrauen seit Jahren.
Mit Stand 31. Dezember 2014 gab es 3.793 Ordensfrauen in Österreich. Sie leben und wirken in 105 Frauenorden in 530 Niederlassungen. 2.018 waren davon über 75 Jahre alt, 945 waren in einem Alter zwischen 66 und 75 Jahre.
Die Zahl der Novizinnen bleibt über die Jahre gesehen relativ konstant; 2014 waren es insgesamt 27 junge Frauen, die sich für den Weg in eine Ordensgemeinschaft entschlossen. Neun Frauen kamen aus österreichischen Diözesen, 18 aus ausländischen.
Auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien sind etwa 1200 Ordensfrauen tätig.
www.ordensgemeinschaften.at
Webseite: "Der Sonntag"