"Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Schicksal, sondern ein strukturelles Problem und Ergebnis vieler komplexer Zusammenhänge im Land selber, auf EU-Ebene und auch weltweit", sagte Caritaspräsident Landau zum "Tag der Arbeitslosen".
"Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Schicksal, sondern ein strukturelles Problem und Ergebnis vieler komplexer Zusammenhänge im Land selber, auf EU-Ebene und auch weltweit", sagte Caritaspräsident Landau zum "Tag der Arbeitslosen".
Landau am "Tag der Arbeitslosen": "Arbeitslosigkeit kein individuelles Schicksal, sondern strukturelles Problem". Für Lösung müssen "Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen".
"Rekordarbeitslosigkeit fordert Rekordverantwortung": Mit klaren Worten hat Caritas-Präsident Michael Landau die Politik und Wirtschaft in Österreich in die Pflicht genommen, angesichts der hohen Arbeitslosenrate von 9,4 Prozent im März nach Lösungen zu suchen und neue Kooperationen einzugehen. Denn: "Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Schicksal, sondern ein strukturelles Problem und Ergebnis vieler komplexer Zusammenhänge im Land selber, auf EU-Ebene und auch weltweit", sagte Landau bei einer Pressekonferenz zum "Tag der Arbeitslosen" am Donnerstag, 30. April 2015, in Wien. Eine Lösung müsse deshalb an vielen Punkten ansetzen, Wirtschaft und Politik müssten "an einem Strang ziehen".
Landau schilderte die derzeit "besorgniserregende" Situation am Arbeitsmarkt: "360.212 Menschen (oder 9,4 Prozent) waren im März 2015 in ganz Österreich arbeitslos. Weitere 68.307 Menschen waren in Kursen oder Schulungen, weil sie keinen Job fangen. Insgesamt 428.519 arbeitslose Menschen stehen 26.252 offene Stellen gegenüber." Das hieße konkret: "Auf jede in Österreich verfügbare Stelle kommen 16 Arbeitssuchende, und auf jede in Wien verfügbar sogar fast 32."
Über längere Zeit ohne Erwerbsarbeit zu sein, bedeute vielfach, ins Abseits der Gesellschaft zu geraten. Arbeitslosigkeit habe Zukunftsängste, mangelnde Anerkennung, Geldprobleme und sozialen Abstieg zur Folge. "Mit jeder Ablehnung einer Bewerbung bekommt diese Negativspirale einen neuen Drall", sagte Landau.
Angesichts der Zahlen werde deutlich, dass es dringend neue Strategien brauche. Arbeitslosigkeit müsse dabei als "politische Querschnittsmaterie" begriffen werden, die nicht alleine durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beseitigt werden könne. Und auch Wirtschaftswachstum alleine löse das Problem nicht mehr; "selbst bei guter Konjunktur gibt es nur einen bescheidenen Zuwachs an Arbeitsplätzen", so Landau. Zu berücksichtigen seien auch Bildungs-und Gesundheitspolitik, qualitativ hochwertige Betreuungsplätze für Kinder und Pflegebedürftige, Arbeitszeit, Lohn- und Beschäftigungspolitik.
Konkret richtete Landau die Forderung an die Politik, die geplante Streichungen von 220 Millionen Euro ab 2017 für die aktive Arbeitsmarktpolitik zurückzunehmen: "Wir werden diese Mittel dringend benötigen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten müssen die verantwortlichen Politiker Chancen, Perspektiven und Teilhabe ermöglichen und nicht verwehren", so Landau. Es sei schlichtweg absurd, bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu sparen.
Arbeitslosigkeit sei außerdem ein Problem fehlender Erwerbsarbeitsplätze. Erstes Anliegen der Politik müsse es deshalb sein, für ein ausreichendes Angebot an qualitätsvollen Erwerbsarbeitsplätzen zu sorgen - durch entsprechende Rahmenbedingungen für Unternehmen. Die Unternehmen selbst müssten aber auch in die Pflicht genommen werden, etwa durch angemessene Steuerabgaben für die Finanzierung des öffentlichen Lebens oder durch menschengerechte Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. Für die Reintegration Langzeitarbeitsloser brauche es Unternehmen, die jenen Menschen eine Chance geben, die nicht rundum flexibel sind oder 100 Prozent der denkbar möglichen Leistung erbringen können.
Schließlich sei Arbeitslosigkeit auch ein Phänomen fehlender Bildung. Landau plädierte deshalb dafür, das "Problem an der Wurzel zu packen" und eine umfassende Bildungsreform anzustreben. Es sei nicht sinnvoll, mittels AMS das nachzuholen, wozu das Schulsystem nicht in der Lage sei. "Alle Kinder müssen mit auf die Bildungsreise genommen werden", so der Präsident.
Grundsätzlich dürfe es "keine Denkverbote geben, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen", so der Caritas-Präsident. "Wir müssen etwa auch über eine moderne Arbeitszeitpolitik nachdenken. Das betrifft in etwa Fragen der besseren und gerechteren Verteilung von Erwerbsarbeit, ebenso wie den Umgang mit Überstunden, die Themen Bildungskarenz und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich halte etwa viel von einem Papa-Monat, und zwar als lebbare Möglichkeit für möglichst alle Väter."
Seit 25 Jahren ist die Caritas der Erzdiözese Wien mit Angeboten am erweiterten Arbeitsmarkt aktiv. Mit Projekten wie dem Restaurant "Inigo" oder der "magdas Kantine" im gleichnamigen Hotel erhalten Menschen, die nur schwer am Arbeitsmarkt Fuß fassen können, neue Chancen. In der Caritas der Erzdiözese Wien konnten im Vorjahr 376 Arbeitsplätze für arbeitssuchende Frauen und Männer zur Verfügung gestellt werden.
In ganz Österreich bietet die Caritas mehr als 1.000 Arbeitsplätze für langzeiterwerbslose Menschen in knapp 80 Projekten. Viele der KlientInnen arbeiten in Werkstätten, Möbellagern oder sind in der Grünflächenpflege tätig.