Angesicht immer ausgefeilterer Methoden der Reproduktionsmedizin stellt sich die Frage: Darf die Medizin alles, was sie kann?
Angesicht immer ausgefeilterer Methoden der Reproduktionsmedizin stellt sich die Frage: Darf die Medizin alles, was sie kann?
Schwanger zu werden, ein Kind zu bekommen, das bedeutet heute nicht nur unvorstellbar großes Glück. Das bedeutet manchmal auch fruchtloses Warten, enttäuschte Hoffnungen und gesundheitliche Risiken. Im Gespräch mit dem „Sonntag“ fordert Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich, von der Reproduktionsmedizin verantwortungsvolleres Handeln – im Sinne der Kinder und der zukünftigen Eltern.
Anfang des Jahres gingen die Wogen hoch: Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz wurde verabschiedet und die Reaktionen darauf waren nicht allerorts positiv. Gerade die aktion leben österreich meldete sich lautstark zu Wort. Dem neuen Gesetz fehle es an grundlegenden Dingen. Vieles werde gar nicht thematisiert, gar nicht geregelt. „Wir sehen beim Fortpflanzungsmedizingesetz viele vergebene Chancen“, sagt Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich. So sei etwa nirgendwo festgeschrieben, dass es eine umfassende Dokumentation geben muss, die zeigt, wie es Eltern und Kindern nach In-Vitro-Fertilisation gehe. Auch fehle die Vorschrift eines zentralen Spenderregisters. Nicht zuletzt sei nicht festgeschrieben, dass Kinder über die Umstände ihrer Zeugung informiert werden müssen.
Was im Fortpflanzungsmedizingesetz aber vor allem fehle, sei der durchgehende Gedanke des Kindeswohls. „Wir müssen uns, bei all den Möglichkeiten, die die Medizin heute bietet, fragen, was wir vernünftiger- und verantwortungsbewusster Weise auch tun sollten. Was entspricht dem Kindeswohl, was tut den zukünftigen Eltern gut. Wir dürfen doch nicht alles, nur weil wir es können“, bringt es Martina Kronthaler auf den Punkt. Viele Menschen seien heute davon überzeugt, dass es ein Recht auf ein Kind gäbe. „Aber das stimmt so einfach nicht!“
Sehr kritisch sehe die aktion leben österreich vor allem all jene Methoden der Reproduktionsmedizin, bei denen die Grenzen anderer Menschen überschritten werden, wo anderen geschadet wird, die sogar ganze Familiensysteme erschüttern können – dazu gehöre vor allem die Eizellspende, in vielen Fällen auch die Samenspende. In jedem Fall aber auch die Leihmutterschaft – der „Gipfel der Instrumentalisierung von Frauen und Kindern“, wie Martina Kronthaler sagt: „Man mietet einen Körper, man kauft sich Eizellen, man kauft sich Samenzellen. Wir würden uns wirklich ein Verbot der Leihmutterschaft in der Verfassung wünschen.“ Viele Gesetze in Österreich würden hinsichtlich des Themas der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare gemacht. Aber man dürfe nicht alles nur unter diesem Blickwinkel sehen. „Natürlich sind wir auch dagegen, dass jemand diskriminiert wird“, sagt Martina Kronthaler: „Aber wenn es um Kinder geht, muss das Kindeswohl an erster Stelle gesehen werden.“
Tatsache sei natürlich, dass die Freude über alle Kinder, die mit Hilfe der In-Vitro-Fertilisation auf die Welt gekommen sind, groß ist. „Über jedes einzelne Leben freuen wir uns“, so Martina Kronthaler. Doch müsse man auch sehen, dass oft mit der Möglichkeit, kinderlosen Paaren zu einem Kind zu verhelfen, verantwortungslos umgegangen wird. „Vielfach werden nur die positiven Seiten der IVF gezeigt – in vielen hübschen Babybildern“, sagt Martina Kronthaler. Was aber noch dahinterstehe, werde kaum kommuniziert. „Die Hormonbehandlungen sind körperlich wie seelisch sehr belastend, ganz zu schweigen vom oftmals vergeblichen Hoffen und Warten, von Fehl- und Totgeburten“, so Martina Kronthaler: „Das sind wirklich schwierige Zeiten für die Paare, eine große Belastung für die Beziehung. Es ist wichtig, dass die Paare das wissen.“
Generell bedauert Martina Kronthaler, dass das Wissen rund um Schwangerschaft und Fruchtbarkeit in unserer Gesellschaft gar so gering ist. „Ein Kind ab 40 ist wie ein Lottosechser. Das ist in viel zu wenig Köpfen verankert.“ Die meisten seien überzeugt, dass es ab 40 schwierig werde, schwanger zu werden. Tatsächlich sei es aber so, dass die Fruchtbarkeit schon ab 30 sinke, ab 35 sogar signifikant. Davor eine Familie zu gründen, dazu fehle es aber vielen jungen Menschen an Mut. „Wenn ich Angst haben muss, meine Familie versorgen zu können, überleg ich mir dreimal, ob ich wirklich jetzt Kinder haben möchte.“ Da sei die Politik gefragt, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.
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