Der evangelische Superintendent Hans-Jörg Lein spielt auf einer Blockflöte, der katholische Bischofsvikar P. Dariusz Schutzki hält ihm das Mikrofon; Fahnen markieren den künftigen "Campus der Religionen" in der Seestadt Aspern.
Der evangelische Superintendent Hans-Jörg Lein spielt auf einer Blockflöte, der katholische Bischofsvikar P. Dariusz Schutzki hält ihm das Mikrofon; Fahnen markieren den künftigen "Campus der Religionen" in der Seestadt Aspern.
Katholische, Evangelische und Orthodoxe Kirche sowie Israelitische Kultusgemeinde, Muslimische Glaubensgemeinschaft und Buddhistische Religionsgesellschaft planen gemeinsamen Ort, wo Menschen Kraft tanken und auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen können.
Gemeinsam einen Ort schaffen, an dem Menschen aller Religionen und Konfessionen Kraft tanken und in Dialog treten können. Das ist das Ziel des "Campus der Religionen" in der neu entstehenden Wiener Seestadt. Das Baufeld wurde am Freitagnachmittag, 19. Juni 2015 von Vertretern aller beteiligten Religionsgemeinschaften gesegnet. Darüber hinaus kündigen ab sofort zehn Fahnen auf dem Bauplatz den "Campus der Religionen" an: sechs zeigen die Symbole der vertretenen Glaubensgemeinschaften, vier weitere stehen für Europa, Österreich, Wien und den 22. Gemeindebezirk.
Anwesend waren bei der Segensfeier neben Vertretern der christlichen Kirchen, der Israelitischen Kultusgemeinde, der Muslimischen Glaubensgemeinschaft und der Buddhistischen Religionsgesellschaft auch der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und der Bezirksvorsteher von Wien-Donaustadt, Ernst Nevrivy.
Bis 2030 wird auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern in Wien-Donaustadt ein neuer Stadtteil für rund 40.000 Menschen errichtet, die dort wohnen und/oder arbeiten werden. "Wir haben überlegt, welchen Beitrag die Religionen zu diesem Projekt leisten können, und haben uns in den letzten zwei Jahren intensiv ausgetauscht", so der Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki. Es solle ein Ort entstehen, an dem die Religionsgemeinschaften versammelt sind und "auf Augenhöhe" miteinander ins Gespräch kommen können.
Ein Hochhaus würde deswegen nicht in Frage kommen, weil dann die Frage aufkommen würde, wer oben und wer unten einzieht. "Es sollen alle gleichberechtigt vertreten und gemeinsam für die Menschen anwesend sein", so Schutzki. Deshalb sei geplant, dass jede Religionsgemeinschaft ein einzelnes Gotteshaus bekommt, die rund um einen ovalen Platz gruppiert sind. Darüber hinaus ist ein Saal für Veranstaltungen, der gemeinsam genutzt wird, geplant. Auch eine gemeinsame Verwaltung könnte es geben.
Für Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ist es wichtig, dass in der Seestadt auch ein Raum geschaffen wird, an dem sich die Religionen gemeinschaftlich entfalten können. "Hier wird auf vielfältigste für das Wohl der Bewohner gesorgt, nun wird es auch einen Ort geben, wo sie ihrer Spiritualität nachgehen können", zeigte sich Ludwig erfreut.
Man wolle ein Zeichen des Frieden setzten, betonte der Wiener evangelische Superintendent, Hansjörg Lein. "Die Religionen möchten zum Frieden in dieser Stadt beitragen und daran mitarbeiten, dass auch in Zukunft dieser Frieden gewahrt und sogar ausgebaut wird". Die Menschen sollten auf dem Campus einander kennen und schätzen lernen, und miteinander neue Wege gehen, so Lein.
Auch Erzpriester Drago Vujic von der Serbisch-orthodoxen Kirche betonte die Wichtigkeit, an diesem Ort in Zukunft gemeinsam vertreten zu sein. Er selbst habe in Seestadt schon mehrere Wohnungen gesegnet. "Da wo Menschen neu einziehen, muss man auch etwas für die Seele tun. Wir können hier den Menschen Gott schenken, das ist wunderbar", so der orthodoxe Geistliche.
Es sei ein großer Ausdruck des Friedens, wenn sich hier in Zukunft die Menschen verschiedener Religionen zusammenfinden und so besser kennenlernen, betonte auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanac. Er könne sich vorstellen, dass das Projekt als Vorbild für andere Städte gelten könne, da es einen wichtigen Beitrag zum religiösen Frieden leisten würde, zeigte sich Sanac überzeugt.
Für Raimund Fastenbauer von der Israelitischen Kultusgemeinde ist der Campus ein "wichtiges und sichtbares Zeichen für Akzeptanz und Frieden", da ein solches interreligiöses "Gemeinschaftsdenken" keinesfalls selbstverständlich sei. Deswegen sei es auch für die Israelitische Kultusgemeinde wichtig, an diesem Projekt beteiligt zu sein, auch wenn die Zahl der jüdischen Bewohner der Seestadt wahrscheinlich eher gering sein wird, so Fastenbauer.
An diesem Ort könne etwas Einzigartiges entstehen, betonte auch der Präsident der Buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weißgrab. Er schloss sich mit der buddhistischen Formel "Mögen alle Wesen glücklich sein", dem Segen an.
Für den Bauamtsdirektor der Erzdiözese Wien, Harald Gnilsen, ist die Umsetzung des Campus der Religionen ein durchaus "spannender Prozess". "Wir wollen hier einen Ort schaffen an dem alle Religionen in ihrer Gleichwertigkeit aber auch Unterschiedlichkeit gleichermaßen vertreten sein werden". Man wolle hier miteinander Verantwortung übernehmen und den dringenden religiösen Fragen zeitgemäß entgegentreten. Eine weitere Herausforderung für die Planer formulierte Gnilsen auch: "Wir wollen offen bleiben, falls noch jemand dazu kommt. Gleichzeitig soll aber architektonisch keine Lücke gesehen werden."
In einem nächsten Schritt werden nun die Kirchen und Religionsgemeinschaften gemeinsam einen Masterplan für die Umsetzung des Campus erstellen. Ein genauer Zeitpunkt für den Baubeginn steht noch nicht fest. "Der Weg ist das Ziel", hieß es diesbezüglich von Seiten der Religionsgemeinschaften.
aspern + Die Seestadt Wiens: