„Das Grundproblem ist: Würden wir in unseren Jobs weitermachen, hieße es, wir nehmen den Jungen die Jobs weg. Wenn wir nichts tun, heißt es, die Jungen müssen uns unser Nichtstun finanzieren. .... Dazwischen ist kein Angebot!“
„Das Grundproblem ist: Würden wir in unseren Jobs weitermachen, hieße es, wir nehmen den Jungen die Jobs weg. Wenn wir nichts tun, heißt es, die Jungen müssen uns unser Nichtstun finanzieren. .... Dazwischen ist kein Angebot!“
Nora Aschacher lädt mit ihrem Buch „Bald alt? Na und!“ zu einer Reise auf den „Kontinent der Langlebigkeit“ und fordert mehr Wertschätzung für die Generation 60+.
Nora Aschacher ist 69. Seit Ende 2006 „genießt“ die ehemalige ORF-Radio-Journalistin ihre Pension. Das war keineswegs von Anbeginn an so. Einige Monate nach ihrer Pensionierung reiste sie nach Bali.
Als beim Anflug auf die Ferieninsel, die Passagiere aufgefordert werden, Einreiseformulare auszufüllen, zögert Aschacher bei der Spalte „Profession“.
„Ich, deren Leben jahrzehntelang weitgehend von der Arbeit geprägt war, konnte keinen Beruf mehr vorweisen“, erinnert sie sich. Von den Turbulenzen während der Landung bekam sie fast nichts mit.
Zum ersten Mal seit ihrer Pensionierung war ihr radikal bewusst geworden, „dass ich nicht nur auf Bali, sondern im Niemandsland des Ruhestandes gelandet war.“
Mit der Erinnerung an diese Erkenntnis beginnt Aschachers Buch „Bald alt? Na und!“ (edition a), in dem die Autorin die Leser an einer gedanklichen „Expedition zum Kontinent der Langlebigkeit“ teilnehmen lässt.
Der Autorin geht es „weder darum, ein verharmlosendes Hohelied auf das Alter zu singen, noch ein Schreckensszenario mit allen nur möglichen gruseligen Details zu malen.“
Sie betont: „Es ist an der Zeit, diese Lebensphase, die als globale Herausforderung gilt, mit ihren Höhen und Tiefen zu erforschen, die Chancen und Grenzen zu erkennen und jedem Einzelnen von uns die Möglichkeit zu geben, diese Jahre eigenverantwortlich gestalten zu können.
Als Pensionistin begann Nora Aschacher sich aktiv mit dem Thema „Altersbilder“ auseinanderzusetzen, las sich in Literatur ein und besuchte Tagungen zum Thema „ältere Generation“ im In- und Ausland. Sie wurde so zu einer Art Expertin, was die Generation 60+ betrifft.
„Wir Älteren haben nach der Pensionierung eine relativ hohe Lebenserwartung“, sagt sie. Das sei grundsätzlich sehr positiv. Aschacher stört, „dass diese Ressourcen bzw. das, was wir alles können oder gerne tun würden, von der Gesellschaft nicht akzeptiert oder gewürdigt wird.
Wir werden irgendwie dahinlebend gelassen“, bringt sie den Zustand vieler Älterer im Gespräch mit dem SONNTAG auf den Punkt. Die Gesellschaft biete keine Rahmenbedingungen und zu wenig Anlaufstellen, damit ältere Menschen ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Talente auch einbringen könnten.
Aschacher: „Das Grundproblem ist: Würden wir in unseren Jobs weitermachen, hieße es, wir nehmen den Jungen die Jobs weg. Wenn wir nichts tun, heißt es, die Jungen müssen uns unser Nichtstun finanzieren. Dazwischen ist kein Angebot!“
Ältere Menschen müssten sich nach ihrer Pensionierung ihre Betätigung und ihre Projekte selbst suchen, kritisiert Aschacher. Das könnten aber nicht alle, weil sie das nicht gewohnt seien: „Nicht jeder weiß, wo er mit seinen Ressourcen gut aufgehoben ist und was er wirklich noch machen könnte.“
Nora Aschacher wünscht sich, dass Organisationen Modelle führ Ehrenamtliche entwickeln, die das Können und Wissen der Älteren wirklich einfordern. „Es wäre also hoch an der Zeit, die Rahmenbedingungen für Ehrenamt und Engagement neu zu definieren, denn eine Gesellschaft des langen Lebens braucht utopische Bilder eines solidarischen, nachhaltigen Zusammenlebens“, schreibt Nora Aschacher in ihrem Buch „Bald alt? Na und!“.
Beispielsweise gäbe es derzeit für ehrenamtlich tätige Pensionisten und Pensionistinnen kaum eine Möglichkeit, Weiterbildungskurse zu machen. „Bis jetzt ist mir außer der Hospizbewegung keine Organisation aufgefallen, wo ich als Ehrenamtliche etwas dazulernen hätte können“, so die Autorin.
„Altern ist ein Tanz auf unebener Erde“: Diesen Satz der US-Historikerin und gebürtigen Österreicherin Gerda Lerner, setzt Nora Aschacher durchaus mehrfach um. Im Alter sei es schwieriger die Balance zu halten, diese immer wieder zufinden sei die hohe Kunst, „denn im Alter kommt ein bisschen mehr auf die Waagschalen.“
Mit 45 Jahren begann die ORF-Journalistin mit Workshops für Ausdruckstanz. „Ich war immer die Älteste und bemerkte, dass ich manche Bewegungen nicht mehr so gut ausführen konnte.
Da es für meine Altersgruppe keinerlei Angebote in Ausdrucktanz gab, gründete ich mit Ilse Stadler 2008 das Projekt Age Company“, eine zeitgenössische Tanz Performancegruppe für Menschen 55+.
„Für mich hat Tanzen immer Lebensfreude bedeutet. Man sieht das Leben mit anderen Augen“, sagt die begeisterte Tanz-Performerin: „Uns war wichtig, dass wir uns zeigen, dass wir auf die Bühne gehen. Wir Älteren wollen gesehen werden, wir wollen nicht im dunklen Eck verschwinden, auch wenn unsere Körper nicht nach herkömmlichen Maßstäben bühnengerecht sind“, schildert Nora Aschacher die Philosophie der Age Company.
Die Freude am Tanzen und dem gemeinsamen Einstudieren von Choreographien steht im Vordergrund. Reglemäßig treten die tanzenden Rentnerinnen (auch Herrn sind willkommen) öffentlich auf Bühnen oder auf der Straße auf.
„Unsere nächste Produktion COZINHA beschäftigt sich mit Essen, Küche, Plastikmüll etc. und wird am 14. November 2015 Premiere haben“, freut sich Aschacher.
Veranstaltungsort ist das von der Caritas geführte Lokal Magdas Kantine in der ehemaligen Anker-Brot-Fabrik (1100 Wien, Absberggasse 27).
Nora Aschacher wünscht sich, dass die Gesellschaft mehr solidarische Werte entwickelt und nicht Gruppen gegeneinander ausspielt.
Altersdiskriminierung sei stark vorhanden. „Eine Nichtwertschätzung und eine echte Missachtung gegnüber Älteren“ ortet sie z. B. in Leserbriefen oder bei Zusatzversicherungen, die für Personen ab 65 keinen Wahlarztbesuch zulassen.
„Wertschätzung gibt es nur jenen gegenüber, die etwas produzieren. Dabei würde von weniger Leistungsdruck in der Gesellschaft auch die jüngere Generation profitieren“, beton Nora Aschacher.
Nora Aschacher:
Eben war sie noch Redakteurin bei der legendären Ö3-Jugendsendung „Musicbox“. Heute ist Aschacher, 69, Performance-Tänzerin und Buchautorin.
Die Age Company ist eine zeitgenössische Tanzperformance-Gruppe für Menschen 55+
ist ein gemeinsames Projekt von „alters.kulturen“ und der „arge region kultur“.
Sie besteht seit Oktober 2008.
Nora Aschacher
Fillgradergasse 6
A-1060 Wien
Tel.: 0699/115 557 30
nora.aschacher@chello.at
Ilse Stadler-Epp
In der Trift 1
A-3492 Etsdorf
Tel.: 0676/551 38 89
ilse.stadler@argeregionkultur.at
Dr. Nora Aschacher
Eine Expedition zum Kontinent der Langlebigkeit
2015, Edition A
Auflage: 1. Auflage
Fester Einband
208 Seiten
ISBN: 978-3-99001-115-7
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
Weitere Informationen zu "Der Sonntag" die Zeitung der Erzdiözese Wien