In den nächsten 15 Jahren wird die Bevölkerung des 2. Bezirks um 20 Prozent wachsen. Die Pfarren wollen vorbereitet sein.
In den nächsten 15 Jahren wird die Bevölkerung des 2. Bezirks um 20 Prozent wachsen. Die Pfarren wollen vorbereitet sein.
Eine Umfrage der Pfarren des Wiener Stadtdekanats 2 bietet einen „Ein-Blick“ in die Leopoldstadt, einer der am stärksten wachsenden Bezirke in Wien.
Vom Advent 2014 bis Ostern 2015 beteiligten sich an die 70 Frauen und Männer an dieser Umfrage, deren Auswertung die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak am Dienstag, 29. September 2015, im Wiener Magdas-Hotel präsentierte. „Die Veränderungen werden deutlich wahrgenommen“, unterstrich Polak: „So ändere sich die Zusammensetzung der Bevölkerung: Zugewanderte, Künstler und Kreative und Studierende der WU“. Es gebe eine Vielfalt der Sprachen, Religionszugehörigkeiten und kulturellen Traditionen. Einerseits werde der Bezirk „jünger“ durch den Zuzug von vielen jungen Leuten und Familien, andererseits lebten viele ältere Menschen in Heimen.
Angst herrsche vor Verfremdung durch Zuwanderung, vor Kriminalität und Gewalt und vor dem sozialen Abstieg und Armut, interpretierte Polak die Umfrage-Ergebnisse. Auch die sogenannte „soziale Frage“ spiele eine Rolle. Der „Platz für sozial schwache und ältere Menschen wird enger“, heißt es in der Umfrage. Es gebe eine „Zerteilung in bessere und schlechtere Viertel“. Egoismus werde beklagt sowie die „Parallelisierung mit Migrationsfragen“.
Das sogenannte „Inter“ könne eine Antwort sein. Es gib im zweiten Bezirk viel „Interreligiöses, Interkulturelles“. Die Kirchen sollen den Dialog initiieren und den Menschen Angst vor (unbekannter) Religion nehmen, lautete eine Antwort in der Befragung.
Auch brauche es Aufmerksamkeit für spezielle Gruppen und Orte, stellte Polak fest. Zu diesen Gruppen gehörten Jugendliche, Familien und ältere Menschen.
Im Hinblick auf die Kirche gebe es unter den Befragten eine „Weniger-Wahrnehmung“: „Weniger Messbesucher, weniger praktizierte Glaube, weniger Bezug zur Kirche, weniger gläubige Familien und Jugendliche, weniger Liebe und Opferbereitschaft“ zählte Polak die Nennungen aus der Umfrage auf.
Die Zukunft des Christentums werde (primär) von der Erhaltung der eigenen) Pfarre/Kirche her gedacht. Gefordert werde u. a. „eine dringende Mission“, die Kirche als Dienstleisterin mit religiösen Angeboten, die Aufrechterhaltung des Betriebs, eine „Alltags-Stärkung“ und eine „offene Kirche“.
Die Pastoraltheologin benannte einige Fragen als Konsequenz der Umfrage: „Wie können die Veränderungen wahrgenommen, benannt und gedeutet werden? Wie kann die Vielfalt sozialer Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen gefördert werden? Wie lässt sich Rassismus entlernen? Wie geht es den Menschen emotional? Wo, wann und wie kommen die „Jungen“ selbst zu Wort? Wer wird übersehen, welche Orte im Bezirk werden übersehen? Was wäre das Ziel eines interreligiösen Dialogs, interreligiöser Begegnungen?
Die Schluss-Folgerung von Regina Polak: „Die Veränderungen beginnt in den Köpfen und wird durch alternative Praxis-Erfahrungen gefördert.“
Dechant Ferenc Simon lud dazu ein, „im Fragment das Ganze zu sehen“. Es gebe „einen sichtbaren Zuwachs an Gebäuden und an Menschen“. Und er formulierte „ein radikales Nein gegen das, das gegen das Leben ist“.
Bezirksvorsteher Karlheinz Hora erinnerte bei der Präsentation, dass „Menschen aus 143 Nationen in der Leopoldstadt leben“. Mehr als 100.000 Menschen hätten hier ihren Hauptwohnsitz. Das Durchschnittsalter der Bewohner liege unter 40 Jahren. Es gebe gleichsam „eine Renaissance in den Alt- und Neubaugebieten“. Hora dankte auch für das gute Miteinander der Religionen im Bezirk.
Für Wiens Bischofsvikar Dariusz Schutzki ist eine der Schluss-Folgerungen der Umfrage, „dass wir hinausgehen müssen“. Es sei „höchste Zeit für die Mission“. Das Denken vieler sei zu sehr „in den alten Strukturen verhaftet“. Schutzki wünscht sich „offene Kirchen“ im wahrsten Sinn des Wortes.
Clownin „Gwendolin Grübel“ zeigte zu Beginn eine bemerkenswerte Hinführung zum Thema „Mitten im Zweiten“, in Arbeitsgruppen wurden Anregungen zur Weiterarbeit zu Themen wie „Religiöse Vielfalt“, „Zuwachs und Neubau“, „Soziale Herausforderung“ und „Herausforderungen an die Kirche“ formuliert.