Der Erzbischof dankte für eine Bemerkung die sein Selbstverständnis als Bischof prägte: Nicht darauf ist zu schauen, wie fern die Menschen der Kirche, sondern wie nahe sie bereits bei Christus sind.
Der Erzbischof dankte für eine Bemerkung die sein Selbstverständnis als Bischof prägte: Nicht darauf ist zu schauen, wie fern die Menschen der Kirche, sondern wie nahe sie bereits bei Christus sind.
Wie ein Hirte mit seinen Schafen, mit ihnen gemeinsam auf dem Weg, lud er alle ein, den Weg durch unsichere Zeiten gemeinsam mit ihm mitzugehen.
Es war ein Ereignis: Unser Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, feierte einen Dankgottesdienst aus Anlass seiner zwanzig Jahre im Amt.
Es gab keine gedruckten Einladungskarten, kein offizielles Terminaviso, zumindest nicht für mich als Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät. Über berufliche Kanäle erfuhr ich von dem Gottesdienst.
War da ein Fehler unterlaufen? Eine erste Ahnung sagte mir: das hat vielleicht System – aber welches?
Beim Durchblättern des Textheftes zum Gottesdienst staunte ich wieder: Neue geistliche Musik, keine Pauken und Trompeten, dafür ein riesiger Chor, zusammengesetzt aus Sängerinnen und Sängern aus allen Dekanaten.
Laien, Diakone und Priester aller Jahrgänge und aus allen Seelsorgebereichen im Chorgestühl, Getaufte und Gefirmte ziehen mit dem Erzbischof ein.
Am Ende danken eine Gläubige und der Erzbischof sich wechselseitig: sie für sein seelsorgerliches Wirken – und er für eine Bemerkung von ihr, die ihm eine neue Perspektive aufzeigte und sein Selbstverständnis als Bischof prägte: Nicht darauf ist zu schauen, wie fern die Menschen der Kirche, sondern wie nahe sie bereits bei Christus sind.
Diese Entscheidung, auf die Menschen zuzugehen, ihre Nöte zu sehen, ihnen Mut zuzusprechen, das Wertschätzen der Liebe, der Hilfsbereitschaft, der Fürsorge, des Engagements von Menschen für Menschen als Zeichen einer Nähe zu Christus, ja, die Suche nach keimendem Glauben in den Menschen, die gemeinsame Nachfolge Christi, das wurde zum Charakteristikum seines Bischofsamtes.
Weit entfernt – für die Dauer eines Gottesdienstes – von hierarchischen Strukturen und politischen, erzbischöflichen und weltkirchlichen Aufgaben, feierte ein Bischof wie ein Hirte mit seinen Schafen, mit ihnen gemeinsam auf dem Weg, und er lud alle ein, den Weg durch unsichere Zeiten gemeinsam mit ihm mitzugehen.
Das erinnerte mich an das Leitbild der Communio (Gemeinschaft), das im Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelt wurde: Dienstleistungen und Charismen aller, der Laien wie der Diakone und Priester, sollen unter der Leitung der Bischöfe zur gemeinsamen Heilsmission der Kirche beitragen. Der Gottesdienst brachte das leibhaftig zum Ausdruck.
Als ich nach der Heiligen Messe dem Erzbischof im Namen der Fakultät gratulierte, empfing er mich mit „Spectabilis“, dem innerhalb der Universität gebräuchlichen Ehrentitel.
Eigentlich hätte ich ihm antworten müssen: „nicht Spectabilis, sondern Sigrid“, denn in dieser gemeinsamen Suche danach, wie Nachfolge Christi heute gelebt werden kann, sind auch alle, die Theologie unterrichten und künftige Priester begleiten, einfach ein Teil der Gemeinschaft…“.
Dr. Sigrid Müller
Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
und Inhaberin des Lehrstuhls für Theologische Ethik am Institut für Systematische Theologie.
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