Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien mit UN-Flüchtlingsexperte Kleinschmidt, Grazer Pfarrer Glettler und "Kurier"-Chefredakteur Brandstätter.
Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien mit UN-Flüchtlingsexperte Kleinschmidt, Grazer Pfarrer Glettler und "Kurier"-Chefredakteur Brandstätter.
Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien mit UN-Flüchtlingsexperte Kleinschmidt, Grazer Pfarrer Glettler und "Kurier"-Chefredakteur Brandstätter.
Begegnung ist der erste Schritt, um die Ängste der einheimischen Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen abzubauen. "Dann merkt man, dass diese Menschen auch arbeiten und sich in die Gesellschaft einbringen wollen." Das betonte der Grazer Pfarrer Hermann Glettler im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Akademie für Dialog und Evangelisation am Mittwochabend, 7. Oktober 2015 in Wien. Glettler diskutierte mit dem Flüchtlingsexperten Kilian Kleinschmidt und "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter unter dem Titel "Die Flüchtlinge retten uns?! Warum wir in Europa Veränderung brauchen".
"Die Flüchtlinge retten uns davor einzuschlafen", so die markante Ansage von Kleinschmidt. Die Politik in Europa habe vor den weltweiten Problemen von Krieg und Armut viel zu lange weggeschaut. Kleinschmidt leitete für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR von 2013 bis 1014 das Flüchtlingslager Zaatari im Norden Jordaniens und ist derzeit u.a. als Berater der österreichischen Bundesregierung in Flüchtlingsfragen tätig.
Armut ist für Kleinschmidt ein akzeptabler Fluchtgrund, da es auch hierbei um die Verletzung grundlegender Menschenrechte gehe. Er verwies auf die Millionen Kriegsflüchtlinge in den Nachbarländern von Syrien, die sich mit wenig bis gar keiner Unterstützung selbst durchschlagen müssten. Für diese Menschen brauche es zum einen die Sicherung des Überlebens, weiters aber auch die Schaffung von Zukunftsperspektiven, so Kleinschmidt.
"Kurier"-Chefredakteur Brandstätter ortete in Österreich eine starke Polarisierung der Bevölkerung und "unglaubliche Aggression". Für die einen sei es unerträglich, "was manche Rechte sagen'" die andere Seite wiederum könne nicht verstehen, "dass man zulässt, dass fremde Leute kommen, die unsere Kultur zerstören". Es gebe massive Ängste in der Bevölkerung, so Brandstätter. Sein Gegenmittel: "Fakten, Fakten, Fakten."
Pfarrer Glettler kritisierte in diesem Zusammenhang, dass manche Medien zur Beschreibung der Krise Metaphern aus Naturkatastrophen wie zum Beispiel "Tsunami" verwendeten: "Das generiert Angst." Es müsse vielmehr betont werden, dass Flüchtlinge auch neue Lebenserfahrung und kulturelle Erfahrung mitbringen würden. Für Glettler sind sie ein Geschenk, "weil man durch sie merkt, dass die Welt größer ist, als man denkt". Er profitiere beispielsweise sehr viel von der Bekanntschaft mit syrischen Familien und Menschen aus dem Iran, berichtete der Grazer Pfarrer.
Es gebe freilich aber auch große Herausforderungen für Europa: Eine der größten besteht laut Pfarrer Glettler in jenen jungen Männern, die nun unterbeschäftigt seien oder ins Abseits der Gesellschaft gedrängt würden. Hier bestehe ein gefährliches Potenzial zur Radikalisierung.
Brandstätter erinnerte daran, dass ein Teil des Wohlstandes im Westen auf billigen Rohstoffen und der Ausbeutung von Minderjährigen beruhe. "Das wollen wir nicht wahrhaben, und jetzt werden wir ganz brutal darauf gestoßen", so Brandstätter. Ein Problem sei weiters, dass Konflikte aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge importiert werden. Damit müsse man sich beschäftigen.