Flüchtlinge dürften nicht einfach nur als Problem gesehen werden, sie seien eine Chance und eine Bereicherung für die Gesellschaft, sagt der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Lothar Pöll.
Flüchtlinge dürften nicht einfach nur als Problem gesehen werden, sie seien eine Chance und eine Bereicherung für die Gesellschaft, sagt der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Lothar Pöll.
Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich diskutierte Flüchtlingsfrage und Umgang mit Muslimen
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) fordert "legale Wege" für Kriegsflüchtlinge in die EU und eine Neuordnung des Asylwesens in Europa. Das betonte der ÖRKÖ-Vorsitzende Superintendent Lothar Pöll bei der jüngsten Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Wien. "Bei aller Sorge, ob wir diesen massiven Zustrom bewältigen können, war das beeindruckende Engagement von hunderten Freiwilligen ein äußerst positives Zeichen, wie gut die Zivilgesellschaft in einer solchen Ausnahmesituation funktioniert", so Pöll wörtlich.
Leider werde bei Menschen, die aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Kriegsgebieten zum Teil unter Lebensgefahr nach Europa kommen, immer wieder aus politischem Kalkül von "Wirtschaftsflüchtlingen" gesprochen. Dieser "unmenschlichen Verharmlosung" müsse entschieden entgegengetreten werden, sagte der ÖRKÖ-Vorsitzende.
Flüchtlinge dürften nicht einfach nur als Problem gesehen werden, sie seien eine Chance und eine Bereicherung für die Gesellschaft, erinnerte Pöll. Er rief im Namen des ÖRKÖ-Vorstands alle Mitgliedskirchen auf, die kirchlichen Gemeinden zu ermutigen, auf die lokalen Politiker in ihren Heimatorten einzuwirken, "damit sie Wege zur Beschaffung von Quartieren für Flüchtlinge suchen".
Dankbar sei festzustellen, dass - unterstützt von Caritas und Diakonie - in den Pfarrgemeinden sehr viel Positives geschieht. Pöll: "Etliche Gemeinden stellen Räume kurz- oder langfristig zur Verfügung, beteiligen sich an Projekten und mobilisieren Menschen, für die Flüchtlinge aktiv zu werden. Sie tragen entscheidend zum guten Zusammenleben mit Asylwerbern bei und versuchen, Menschen die Angst zu nehmen und gegen irreführende Propaganda aufzutreten."
Im Mittelpunkt der Beratungen der ÖRKÖ-Vollversammlung stand diesmal der Umgang mit Menschen aus anderen Religionen, vor allem aus dem Islam. Der Wiener katholische Pfarrer Martin Rupprecht, seit vielen Jahren im christlich-muslimischen Dialog engagiert, legte Erfahrungen mit Taufbewerbern aus dem islamischen Bereich, mit Trauungen religionsverschiedener Brautpaare und mit multireligiösen Gebeten im öffentlichen Raum dar.
Rupprecht erinnerte an zwei zentrale Aussagen in der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren verabschiedeten "Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen" ("Nostra Aetate"): Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen Antwort auf die "ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins" und "die Kirche mahnt ihre Kinder", dass sie die geistlichen und sittlichen Güter sowie die sozial-kulturellen Werte der Bekenner anderer Religionen "anerkennen, wahren und fördern".
Zugleich verwies der Dechant des 15. Wiener Bezirks auf das Bekenntnis Papst Pauls VI. zum Dialog als "Zeichen des Wesens Gottes". Wichtig sei es, den Menschen zu vermitteln, "dass wir alle miteinander unterwegs sind".
Im Hinblick auf die Taufbewerber aus dem islamischen Bereich betonte Rupprecht - in Übereinstimmung mit Geistlichen aus anderen Kirchen - die Notwendigkeit einer mindestens einjährigen sorgfältigen Vorbereitungszeit als "Einübung in den christlichen Glauben" ("Katechumenat").
Bei den Trauungen nannte der Pfarrer einen interessanten Erfahrungswert: In seiner stark von Migration geprägten Pfarre gab es im Verlauf der letzten zwölf Monate fünf Eheschließungen gemischt christlich-muslimischer Brautpaare und vier Trauungen, bei denen beide Partner katholisch waren. Rupprecht schätzt die Zahl der christlich-muslimischen Paare für ganz Österreich auf 15.000.
Viele dieser Paare seien nicht besonders religiös engagiert, aber für einen gewissen Prozentsatz handle es sich um eine "existenzielle Frage". Seit 2002 veranstaltet der Pfarrer im Kardinal-König-Haus in Wien drei Mal pro Jahr Treffen für solche "gemischtreligiösen" Paare. Zu diesen Treffen reisen Paare aus ganz Österreich an. In der Begleitung "gemischtreligiöser" Paare gehe es um die Hoffnung, dass ein Miteinander möglich ist, betonte Rupprecht.
In der katholischen Kirche gebe es eine eigene Formel für die "Trauung mit einem ungetauften Partner, der an Gott glaubt", erinnerte Rupprecht. Auch für die katholische Trauung im Beisein eines muslimischen Imams gelte die Regel, "das eigene zu tun, ohne etwas wegzustreichen". Auf keinen Fall gehe es um eine Suche nach dem "kleinsten gemeinsamen Nenner".
Das gelte auch für die multireligiösen Gebete im öffentlichen Raum, zum Beispiel für die Feiern am Beginn und Ende des Schuljahrs, aber auch bei Gedenktagen. Hier seien verschiedene Formen möglich: Die säkulare Feier mit religiösen Elementen, die religiöse Feier einer bestimmten Konfession "mit Gästen", aber auch die multireligiöse Feier, die aber ein Team von Seelsorgern voraussetze, die einander gut kennen und einen "Raum des Vertrauens" geschaffen haben.
Von orthodoxer Seite wurde bei der ÖRKÖ-Vollversammlung betont, dass nach orthodoxem Verständnis die religiöse Eheschließung zwischen Christen und Muslimen nicht möglich ist. Trotzdem reiße natürlich die Seelsorge nicht ab, wenn ein solches "gemischtreligiöses" Paar eine zivile Ehe schließe.
Der Ökumenische Rat wird einen ökumenischen Journalistenpreis einrichten. Dieser Preis für journalistische Leistungen im Sinn der Ökumene wird den Namen des am 16. August plötzlich verstorbenen evangelisch-lutherischen Superintendenten von Niederösterreich, Paul Weiland, tragen. Weiland war vor seiner Wahl zum Superintendenten viele Jahre als "Pressepfarrer" tätig und u.a. an der legendären "Ökumenischen Morgenfeier" des ORF beteiligt. Zu Beginn der Sitzung wurde im stillen Gebet des verstorbenen Superintendenten gedacht, der zu den am längsten dienenden Mitgliedern der Vollversammlung gehört hatte.
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ)