Kirchmeisterrechnung von 1412 verzeichnet den Kauf von Steinen aus den Steinbrüchen Mannersdorf und Hietzing, von Sand, Kalk und Holz.
Kirchmeisterrechnung von 1412 verzeichnet den Kauf von Steinen aus den Steinbrüchen Mannersdorf und Hietzing, von Sand, Kalk und Holz.
Man könnte sie als ein frühes Crowdfunding bezeichnen, die Finanzierung der Wiener Stephanskirche. Kunsthistorikerin Barbara Schedl klärt auf.
"Die Finanzierung dieses riesigen Bauvorhabens erfolgte vor allem von den Wienern und Wienerinnen. Der Anteil der Landesfürsten ist so gering, dass er fast zu vernachlässigen ist." Zu diesem Ergebnis kommt die Kunsthistorikerin und Mittelalterexpertin Barbara Schedl nach einem dreijährigen Grundlagenforschungsprojekt zur Entstehungsgeschichte des Stephansdoms. "Wenn der Landesfürst etwas gemacht hat, wie Herzog Rudolf IV., dann hat er Steuereinnahmen umgewidmet bzw. hat die Klöster in seinem Herrschaftsbereich angewiesen, Abgaben für den Bau der Stephanskirche zu liefern."
In dem vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und von der Universität Wien unterstützten Projekt widmete sich Barbara Schedl den historischen Quellen zu St. Stephan, von der Entstehung der Kirche um 1200 bis zum Jahr 1533. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Bau endgültig eingestellt, der Nordturm wurde nie vollendet. In der erstmals systematischen Auswertung sichtete die Kunsthistorikerin insgesamt rund 2500 Textseiten, von offiziellen Stiftungsurkunden bis hin zu Lohnzetteln für die Bauarbeiter oder Angaben über den Kauf von Brennholz. Besonders die Bände mit den Kirchenmeisteramtsrechnungen aus dem 15. Jahrhundert geben großen Aufschluss über die Ausgaben, aber auch Einnahmen. Generationen von Wienern und Wienerinnen aus unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung gaben 300 Jahre lang ihr Hab und Gut für den Bau der Stephanskirche und für ihr Seelenheil. „In den Testamenten kam es oft vor, dass die Menschen die Bekleidung oder das Bettzeug der Kirche vermacht haben. So steht in einem Rechnungsband, dass der 'schäbige Mantel' einer Frau verkauft wurde und der Erlös für das Bauvorhaben verwendet wurde."
Die Gründe könnten nur aus der damaligen Zeit erklärt werden: "Der mittelalterliche Mensch machte vor allem Jenseitsvorsorge, denn er hatte eine kurze Lebenserwartung. Die Vorstellung war weitgehend, dass man nach dem Tod ins Fegefeuer komme und man durch Stiftungen und Spenden die Zeit im Fegefeuer verkürzen könne", so Schedl. „Die Menschen haben auch Geld gegeben, um nach ihrem Tod in Erinnerung zu bleiben, indem an ihrem Todestag Messen für sie gelesen wurden."
Die Verwaltung des gesamten Kirchenstiftungsvermögens oblag dem Kirchenmeister. Das war ein angesehener und wohlhabender Bürger der Stadt, auch Mitglied des Rates. Er haftete mit seinem Privatvermögen für die Rechnungslegung. Barbara Schedl: "Die Einnahmen und Ausgaben für diese 'Kirchenfabrik' wurden am Jahresende streng kontrolliert. Dazu gehörte die Bauhütte mit allen Handwerkern aber auch die ganz gesamte Kirchenliturgie, das Bespielen der Kirche zu den Festtagen, die Beleuchtung, die Ausstattung der Messdiener, der Mesner usw. oder die Ausstattung mit Kleidern – Sommer und Winter."
Wie viel das gesamte Bauvorhaben gekostet hat, lässt sich laut der Mittelalterexpertin nicht rekonstruieren: "Es ist wirklich schwierig auszurechnen, weil ich doch nicht alle Ausgaben habe. Vom 14. Jahrhundert gibt es keine Rechnungen und ich muss auch davon ausgehen, dass es sehr viel freiwillige Leistungen gegeben hat."