Weihbischof Krätzls Plädoyer:
Papst Franziskus ruft unaufhörlich zu einem neuen Aufbruch in der Kirche auf. Es mögen sich viele Bischöfe und maßgebliche Theologen von diesem 'Geist' anstecken lassen!
Weihbischof Krätzls Plädoyer:
Papst Franziskus ruft unaufhörlich zu einem neuen Aufbruch in der Kirche auf. Es mögen sich viele Bischöfe und maßgebliche Theologen von diesem 'Geist' anstecken lassen!
"Leidenschaftlicher Verfechter einer Kirche, die sich um Umsetzung des Konzils in den Alltag bemüht", sagt Bischof Kapellari.
Der Wiener emeritierte Weihbischof Helmut Krätzl ist am Donnerstagabend, 19. November 2015, in Wien mit dem Kardinal-König-Preis ausgezeichnet worden. 50 Jahre nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zeichne die Kardinal-König-Stiftung mit Helmut Krätzl einen "unermüdlichen Zeugen des Konzils" aus, der ein "leidenschaftlichen Verfechter" einer Kirche sei, "die sich um die konsequente Umsetzung der epochalen Weichenstellungen des Konzils in den Alltag bemüht" wie Bischof Egon Kapellari betonte. Als Präsident der Stiftung überreichte der emeritierte Grazer Bischof die Auszeichnung an Krätzl.
Den Geist des Konzils in Österreich und weit darüber hinaus wach zu halten, "galt und gilt das nun schon jahrzehntelange Bemühen von Bischof Helmut Krätzl", so Kapellari in seiner Ansprache beim Festakt in der Konzilsgedächtniskirche in Wien-Lainz. Dieses Anliegen sei auch für Kardinal Franz König seit dem Konzil und bis zu seinem Tod herausragend wichtig gewesen und bleibe "ein Dauerauftrag an die ganze katholische Kirche inmitten der Christenheit und der Menschheit überhaupt", so Kapellari.
Der Religionsjournalist und Publizist Prof. Hubert Gaisbauer bezeichnete in seiner Laudatio Krätzl als einen jener Menschen "die Zeugnis geben von einer Kirche, die den Menschen dient. Die leben, leiden und lieben für diese Kirche, damit sie Zukunft hat." Krätzl gehe es nicht um "nostalgische Konzilsschwärmerei", er lebe im Heute der Kirche. Er wisse durch die vielen Visitationen, Firmungen und Vorträge in den Pfarren um die Freuden und Hoffnungen, aber auch um die Entbehrungen der Menschen, sagte Gaisbauer.
Er zitierte aus einem Interview des Bischofs, in dem dieser sich eine Kirche wünscht, die mehr Zuversicht ausstrahlt. Die Welt sei selbst schon ängstlich genug; sie bräuchte eine Gemeinschaft, "die nicht blauäugig, aber aus der Kraft ihres Glaubens heraus auch zuversichtlich in die Zukunft blickt", so Krätzl laut Gaisbauer.
Kardinal Christoph Schönborn würdigte in einem Grußwort die Verdienste des Preisträgers um die Verwirklichung der Impulse des Konzils in der Kirche. Dabei brauche es freilich auch Geduld: "Ich bin Bischof Helmut zutiefst dankbar, dass er bei aller verständlichen Ungeduld angesichts so mancher Erscheinungen des kirchlichen Lebens immer jene Loyalität in den Vordergrund stellt, die das Miteinander in der Kirche, die 'Communio', erst möglich macht."
Der Publizist und Vizepräsident der Stiftung, Heinz Nußbaumer, bezeichnete den Festakt und die Preisverleihung als "Erntedankfest für einen Priester und Denker, der wie kein Zweiter in unserem Land - und weit darüber hinaus - mit dem Preisstifter Kardinal Franz König und mit dem welt- und kirchengeschichtlichen Ereignis des Konzils verbunden ist". "Konzilssohn" habe man Krätzl in Bewunderung genannt, aber auch - liebevoll-burschikos - die "letzte lebende Konzils-Reliquie".
Der Preisträger betonte in seinen Dankesworten, dass er Kardinal König auf vielfache Weise dankbar und mit seinem geistigen Vermächtnis verbunden sei. Dazu zählten vor allem die Aussagen des Konzils über die Kirche als Volk Gottes, die kollegiale Mitverantwortung der Bischöfe für die Kirche und das gemeinsame Priestertum der Getauften. Weitere wichtige Themen blieben der Stellenwert des Gewissens, die Bedeutung der Ökumene, die derzeit "leider stagniert" und das Verhältnis zu den anderen Religionen. Es sei noch lange nicht ausgeschöpft, so Krätzl, wenn das Kirche in "Nostra Aetate" erkläre, dass sie nichts von dem ablehne, was in den Religionen wahr und heilig ist. "Ich verpflichte mich im Geist von Kardinal König mit Leidenschaft weiterzuarbeiten", so der Preisträger abschließend.
Einen ausdrücklichen Dank richtete Krätzl an die Vertreter aus der christlichen Ökumene. Neben dem evangelischen Bischof Michael Bünker, den Bischofsvikaren Nicolae Dura (rumänisch-orthodox), Ivan Petkin (bulgarisch-orthodox) und Ioannis Nikolitsis (griechisch-orthodox) und Patrick Curran von der anglikanischen Kirche nahmen auch der emeritierte altkatholische Bischof Heitz sowie der frühere evangelische Superintendent für Wien, Werner Horn, und der ehemalige methodistische Superintendent, Helmut Nausner, an der Feier zusammen mit zahlreichen Gästen teil.
Das mit dem Kardinal-König-Preis verbundene Preisgeld in der Höhe von 10.000 Euro hat Weihbischof Krätzl zur Hälfte für die Caritas gewidmet; je ein Viertel gehen an das Hospiz Rennweg und an das Helmut Krätzl-Haus in Laa an der Thaya, eine Einrichtung für Menschen mit intellektuellen Behinderungen.
Im Rahmen des Festaktes wurde auch der 7. Band der im "Styria"-Verlag erscheinenden "Kardinal-König-Bibliothek" präsentiert. Autoren des Bandes mit dem Titel "Die Kirche in der Welt von heute. Aggiornamento nach 50 Jahren" sind Bischof Krätzl und die Leiterin des Kardinal-König-Archivs, Annemarie Fenzl. Krätzl stellt sich in dem Buch dabei selbst zwei weitreichende Fragen: Wo stünde die Kirche ohne Konzil heute? Und: Wo stünde die Kirche in der Welt von heute, wenn sie das Konzil konsequent verwirklicht hätte?
Krätzl sieht viele Impulse des Konzils immer noch nicht verwirklicht oder zumindest auf halbem Wege stecken geblieben. Das betrifft etwa das Verhältnis von römischer Zentrale und Ortskirche und die Möglichkeiten, die im gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und im gemeinsamen "Glaubenssinn aller Getauften" stecken. Ebenso führt Krätzl moralische und ethische Fragen an und auch das Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen Kirchen und Religionen.
Papst Johannes XXIII. habe das Konzil ausgerufen und die Kirche ins Heute bringen wollen. Papst Franziskus sei diesem Papst in vieler Weise ähnlich, schreibt Krätzl. Franziskus rufe unaufhörlich zu einem neuen Aufbruch in der Kirche auf. "Es mögen sich viele Bischöfe und maßgebliche Theologen von diesem 'Geist' anstecken lassen", so das Plädoyer Krätzls.
Seit dem Jahr 1991 verleiht die vom damals schon emeritierten Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, gegründete Stiftung mit der ursprünglichen Bezeichnung "Communio et Progressio - Neue Hoffnung für den Donauraum" einen Preis. Nach dem Tod des Kardinals am 13. März 2004 wurden Stiftung und Preis umbenannt - in "Kardinal König-Stiftung" bzw. "Kardinal-König-Preis". Zu den Preisträgern gehören u.a. der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. (2007), der koptische Papst Shenouda III. (2012), der Jesuitenpater Georg Sporschill (1994), der Prager Weihbischof Vaclav Maly (1999) und Schwester Hildegard Teuschl von der Caritas Socialis in Wien (2004).
Kardinal-König-Preisträger Helmut Krätzl zählt zu den angesehensten Repräsentanten der katholischen Kirche in Österreich. 1931 in Wien geboren, studierte er in seiner Heimatstadt Wien Theologie und wurde am 29. Juni 1954 von Kardinal Theodor Innitzer zum Priester geweiht. 1960 begleitete er Kardinal Franz König als Zeremoniär auf dem Weg zum Begräbnis von Kardinal Alojzije Stepinac; beim Autounfall auf dieser Reise wurde er ebenso wie der Kardinal schwer verletzt. 1964 erwarb Krätzl an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom sein zweites Doktorat in Kirchenrecht. Als Stenograph gewann er in dieser Zeit unmittelbare Einblicke in das Geschehen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Bei der Wiener Diözesansynode 1969/1971 ebnete Krätzl den Weg für eine Verständigung zwischen jenen Synodalen, die eine totale Gremialisierung der Kirche befürchteten, und den Anhängern einer Demokratisierung auf allen Ebenen. Kardinal König bestellte Krätzl am 1. September 1969 zum Ordinariatskanzler der Erzdiözese Wien. In dieser Funktion, die er bis 1980 innehatte, bemühte sich Krätzl vor allem um eine "praxisorientierte Handhabung" der kirchenrechtlichen Vorschriften und um die Förderung einer erneuerten Sakramentenpastoral nach den Leitlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils.
1977 ernannte Papst Paul VI. Krätzl zum Weihbischof für die Erzdiözese Wien. Zwischen 1981 und 1985 übte er auch die Funktion des Generalvikars der Erzdiözese Wien aus. Krätzl emeritierte 2008. Zuvor war er u.a. 20 Jahre hindurch in der Österreichischen Bischofskonferenz "Schul-Bischof" und damit zuständig für den Religionsunterricht, für Privatschulen und Schulpolitik. Er wirkte aber auch als Pressesprecher der Bischofskonferenz und war viele Jahre für die Bereiche Ökumene, Erwachsenenbildung und Bibelwerk verantwortlich.
Helmut Krätzl und Annemarie Fenzl
Kardinal-König-Bibliothek