Diskussionsrunde mit Betroffenen: Mir Jahangir, Alireza Daryanavard, Parvin Razavi, Rama Hedo und Manuel Baghdi.
Diskussionsrunde mit Betroffenen: Mir Jahangir, Alireza Daryanavard, Parvin Razavi, Rama Hedo und Manuel Baghdi.
Flüchtlinge schilderten beim ersten Integrationstag der Erzdiözese Wien ihre Erfahrungen in der neuen Heimat.
Mir Jahangir aus Kaschmir hat Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung, aber diese verliert er, wenn er als Student an einer Universität eintragen ist. "Wenn jemand studiert, dann ist es, wenn er es ernst betreibt, eine Vollzeittätigkeit. Es ist ein negativer Kreislauf: entweder studieren, kein Geld bekommen, verhungern, nicht leben können oder arbeiten und nicht studieren können", sagte Jahangir zu den mehr als 160 Teilnehmern am ersten diözesanen Integrationstag.
Ein ganz starkes Votum gegen die Reduktion und Erniedrigung auf das Flüchtling-Sein gab der iranische Schauspieler Alireza Daryanavard: "Die jungen Menschen, die nach Österreich kommen, wissen nicht, wo sie in dieser Gesellschaft stehen. Muss ich immer ein Flüchtling sein? In erster Linie bin ich ein Mensch." Er sprach sich für das Erkennen des Potenzials der jungen Menschen aus. Alireza Daryanavard: "Wir sind nicht ein Sozialfall für Jahrzehnte, sondern wir haben Idealismus. Wir haben den Willen etwas zu verändern. Mein Wunsch für die nächsten Jahre: Ich möchte nicht immer als ein Flüchtling gesehen werden."
Seit 30 Jahren lebt die Buchautorin und Köchin, Parvin Razavi, ursprünglich auch aus dem Iran, in Österreich. "Mir war schon als Neunjährige sehr bewusst: Ich muss Deutsch perfekt sprechen. Ich unterscheide mich schon optisch von allen, ich will mich aber nicht sprachlich unterscheiden. Ich sehe Sprache als das verbindende Element. Umso wichtiger ist es, dass wir Menschen, die ankommen, jetzt sofort bei der Hand nehmen und ihnen die Sprache beibringen, damit sie sich ausdrücken können."
Als Köchin kommt für Parvin Razavi noch ein Element dazu: "Ich empfinde Essen und Kochen ebenfalls als verbindend. Esskultur ist die Kultur, die jeder Mensch mit sich bringt, Essen wird mich immer an Zuhause erinnern. Integration heißt immer auch etwas aufzugeben, aber ich werde meine Esskultur nicht aufgegeben. Das ist meine Heimat. Ich nehme die persische Esskultur und vermische sie mit der österreichischen. In meiner Arbeit sage ich immer wieder: Essen verbindet und Kochen ist Liebe."
Rama Hedo, Ärztin aus Syrien, seit eineinhalb Jahren in Österreich, war ganz überrascht, wie schwierig es ist, in Österreich als Ärztin anerkannt zu werden. "Ich muss viele Prüfungen ablegen, der Weg ist unklar: Es können vier oder 14 Prüfungen sein. Vor der Nostrifikation darf ich nicht als Ärztin arbeiten. Ich darf eine Hospitation im Spital machen und nur zuschauen." Diese Unterbrechung in der Karriere sei sehr schädlich für einen Arzt. Bei ihr sieht sie nicht das große Problem, weil sie ihr Studium erst abgeschlossen hat. "Aber für Ärzte, die seit 20 oder 30 Jahre Erfahrung haben, ist es ganz schwierig, dass sie aufhören, Medizin zu praktizieren. Es ist schade, dass ihre Erfahrung nicht genutzt und ganz bürokratisch gehandelt wird."
Seit 25 Jahren lebt der Syrer Manuel Baghdi in Österreich. Drei oder vier Tage nach seiner Ankunft ist er durch Maria Loley vom Schutzbedürftigen zum Flüchtlingsbetreuer geworden. "Wir kämpfen auch darum, dass Asylwerber arbeiten dürfen. Wozu sollen sie jahrelang warten? Das wünschen sie selber nicht. Viele sind wirklich traumatisiert worden, weil sie nicht arbeiten durften. Wem hilft das bitte? Es wird von den Behörden gesagt: Wenn jemand arbeitet und dann abgeschoben wird, wie sollen wir das Problem lösen?" Arbeit ist für Baghdi der beste Weg zur Integration. "Reden wir nicht nur von den studierten Menschen, sondern es gibt auch viele gute Handwerker. Ich brachte einen 20-jährigen Syrer, der das Tischlerhandwerk bei seinem Vater erlernt hat, zu einer Tischlerei. Die erste Frage war nicht überraschend: Wo ist das Zeugnis? Der junge Mann wollte probieren. Antwort: Ohne Zertifikat, nein danke!"
Schwerpunkt zum Thema Flucht und Asyl auf erzdioezese-wien.at
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