Mit einem sieben Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog zur Reform der Mindestsicherung hat sich die Armutskonferenz in die laufende Debatte eingeschaltet.
Mit einem sieben Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog zur Reform der Mindestsicherung hat sich die Armutskonferenz in die laufende Debatte eingeschaltet.
Vorgeschlagener Maßnahmenkatalog u.a. für mehr Prävention und weniger "Bundesländer-Wirrwar".
Mit einem sieben Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog zur Reform der Mindestsicherung hat sich die Armutskonferenz in die laufende Debatte eingeschaltet.
Die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP hatten zuletzt um eine Kostenbegrenzung bei der Mindestsicherung gerungen, seit deren Einführung im Jahr 2009 stieg die Zahl der Beziehenden um 45 Prozent. Es gebe jedoch dabei "eine Reihe von Problemen, die sich nicht nach den Kampagnen der Parteibüros richten", hieß es in einer Aussendung der Armutskonferenz am Donnerstag, 17. Dezember 2015.
Das österreichweite Netzwerk aus 41 sozialen, wissenschaftlichen und Selbsthilfe-Organisationen - darunter einige kirchliche, ortet Reformbedarf u.a. beim Thema Prävention und bei der Reduktion des derzeitigen "Bundesländer-Wirrwars".
Erwerbsarbeit und Versicherungsleistungen könnten die Einkommensarmut zunehmend weniger verhindern, wies Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk hin. Die Bezieherzahlen würden nicht erst seit Einführung der Mindestsicherung steigen, bereits bei der Sozialhilfe davor hätten sich die Betroffenenzahlen seit Mitte der 2000er-Jahre stark erhöht. Die Vermeidung von Einkommensarmut müsste vorrangige Aufgabe der Politik sein, forderte Schenk mehr Prävention. Denn: "Die Mindestsicherung kann in Zukunft nicht der Staubsauger für alle strukturellen Probleme sein, die in der Mitte der Gesellschaft angelegt sind: Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, prekäre Jobs, mangelnde soziale Aufstiegschancen im Bildungssystem."
Immer wieder ein Dorn im Auge der Armutskonferenz-Experten ist der Umstand, dass es in Österreich neun verschiedene gesetzliche Regelungen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten gibt. Dieser Mangel an Vereinheitlichung sei "sachlich ist nicht zu rechtfertigen".
Auch die Finanzierung sei "mehr als problematisch": Als Landesleistung fallen die Ausgaben für die Mindestsicherung in die Zuständigkeit der Gemeinden, Städte bzw. Sozialhilfeverbände. Dieses "Heimatprinzip" habe seine Ursprünge noch im Armenwesen des 19. Jahrhunderts und "führt zur Überforderung": Arme Gemeinden hätten viele Anspruchsberechtigte und damit hohe Kosten, reichere Gemeinden wenige Mindestsicherungsbezieher und keine Ausgaben. Das verlocke dazu, Anspruchsberechtigte "nach dem Floriani-Prinzip loswerden zu wollen" und der nächsten Stadt oder überhaupt einem anderen Bundesland zu überantworten.
Die Armutskonferenz schlägt demgegenüber ein Gesetz vor, das Länder und Gemeinden verpflichtet, ihr im Rahmen des Finanzausgleichs erhaltenes Geld auch tatsächlich für diesen Zweck auszugeben. Das würde dem Bund auch wirksamere Sanktionsmöglichkeiten einräumen als jetzt zur Verfügung stehen, um den Bruch der 15a-Vereinbarung zu ahnden, regte Martin Schenk an.
Weitere Forderungen der Armutskonferenz: Eine Reform müsse auch Menschen mit erheblicher Behinderung zugute kommen, für die die Mindestsicherung oftmals ein finanzielles Existenzminimum darstellt; notwendig sei auch ein Rechtsanspruch auf Sonderbedarf bei Anlässen wie Geburt eines Kindes, Reparaturen oder Kautionen für Wohnungsanmietungen, die nicht als Kosten des täglichen Lebens zu werten seien. Weiters nötig seien auch eine Neu-Regelung bei Unterhaltspflichten und kürzere Fristen bei der Entscheidung über Anspruchsberechtigung.
Zwischen Sozialminister Rudolf Hundstorfer und ÖVP-Sozialexperten gab es diese Woche Verhandlungen über eine Reform der Mindestsicherung, die im ersten Halbjahr des kommenden Jahres finalisiert werden und spätestens Anfang 2017 in Kraft treten soll. Noch gibt es erhebliche Meinungsunterschiede, einig war man sich über stärkere Anreize für einen Wiedereinstieg in den Job und die bundesweite Vereinheitlichung der Sanktionen bei Verstößen. Streitpunkt ist die von ÖVP-Seite gewünschte Deckelung von 1.500 Euro pro Familie.
Die Mindestsicherung beträgt monatlich bis zu 827,83 Euro pro Person (Grundbetrag plus Wohnkosten-Anteil), für Paare sind es 1.241,74 Euro, für jedes Kind gibt es 149,01 Euro. Die 2014 anfallenden Kosten von 673 Millionen Euro bedeuteten eine Steigerung von 12 Prozent gegenüber dem Jahr davor.