Das Flüchtlingsthema kann gerade zu Weihnachten "niemanden neutral lassen": Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Interview in der Tageszeitung "Die Presse" in der Ausgabe am 24. Dezember 2015 betont.
Das Flüchtlingsthema kann gerade zu Weihnachten "niemanden neutral lassen": Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Interview in der Tageszeitung "Die Presse" in der Ausgabe am 24. Dezember 2015 betont.
Wiener Erzbischof in "Presse"-Interview: "Islamismus birgt Gefahr, dass Religion insgesamt in Gewaltverdacht gerät".
Das Flüchtlingsthema kann gerade zu Weihnachten "niemanden neutral lassen": Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Interview in der Tageszeitung "Die Presse" in der Ausgabe am 24. Dezember 2015 betont. Es sei nicht nur zulässig, sondern "notwendig", die biblische Geschichte der Herbergssuche mit den aktuellen Flüchtlingsströmen zu verknüpfen, so Kardinal Schönborn: "Wenn wir sagen, dass Gott Mensch geworden ist in einer so prekären Situation wie in Bethlehem und nach der Flucht, ist das Kernbestand des Christentums".
Als besondere Herausforderung beschrieb Kardinal Schönborn die Integration der Flüchtlinge in Österreich. Der Schlüssel gelingender Integration bestehe im Spracherwerb: "Je schneller sie Deutsch lernen, je schneller sie Möglichkeiten haben zu arbeiten, umso weniger besteht die Gefahr, dass zum Teil schon vorhandene Ghettos durch Flüchtlinge verstärkt werden." Der IS-Terror sei indes kein importiertes Phänomen, sondern "längst mitten unter uns": Schließlich habe etwa der jüngste Terror von Paris gezeigt, dass die Attentäter "längst schon bei uns waren" und zum Großteil in Europa aufgewachsen sind. "Auch die 130 Jihadisten, die von Österreich nach Syrien gezogen sind, sind zum Großteil hier aufgewachsen."
Die gegenwärtige angestbesetzte Situation berge jedoch noch eine weitere Gefahr, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz weiter, nämlich jene, "dass Religion insgesamt in Gewaltverdacht gerät" und jene Stimmen verstärkt würden, die sagen, "das Übel ist nicht der Islamismus, sondern Religion als solches". Die darin zum Ausdruck kommenden Versuche, Religion ins Private zurückzudrängen, halte er "für genauso falsch wie eine Marginalisierung oder Stigmatisierung des Islam", so der Wiener Erzbischof.
Im Blick auf die jüngste Debatte über islamische Kindergärten in Wien unterstrich Kardinal Schönborn, dass es richtig sei, "genauer hinzuschauen" - er warne jedoch "vor vorschnellen Schlüssen", die konfessionelle Kindergärten insgesamt unter Verdacht stellen: "Wir machen die Erfahrung, dass in kirchlichen Kindergärten die katholische Ausrichtung vereinbar ist mit religiöser und kultureller Offenheit. Respekt vor anderen Kulturen und Religionen wird selbstverständlich praktiziert und gelehrt." Notwendig seien die konfessionellen Kindergärten nicht zuletzt im Blick auf den "deutlichen Verlust an christlicher Grundkultur, christlichem Grundwissen" - es gebe aber auch eine "gegenteilige Entwicklung": "Das oft beklagte Verdunsten des Glaubens ist kein irreversibler Prozess".
Kritisch äußerte sich Kardinal Schönborn zur Diskussion über etwaige Obergrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme: "Not hat keine Obergrenze. Die Aufnahmefähigkeit kann aber an Grenzen stoßen, zweifellos. Das erlebt der Libanon, wo auf 4,2 Millionen Einwohner 1,5 Millionen Flüchtlinge kommen. Da ist die Grenze täglich schmerzhafte Erfahrung." Unter dem Eindruck der Flüchtlinge werde sich Österreich und Europa weiter verändern, zeigte sich Kardinal Schönborn überzeugt. "Wir können uns unser Land gar nicht vorstellen ohne Immigranten."
Zudem erneuerte der Wiener Erzbischof seine Kritik an der Haltung osteuropäischer Staaten in der Flüchtlingsfrage: Es sei "ein echtes Problem", dass manche osteuropäische Länder "die Vorteile der europäischen Integration wollen, aber europäische Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen kein Thema ist".