Einen Gottesdienst, der im ORF-Radio übertragen wird, feiern 500.000 bis 600.000 österreichische Hörerinnen und Hörer mit. Bei Fernsehenübertragungen sind es bis zu 800.000 Mitfeiernde an den Bildschirmen, einige davon über das ZDF.
Einen Gottesdienst, der im ORF-Radio übertragen wird, feiern 500.000 bis 600.000 österreichische Hörerinnen und Hörer mit. Bei Fernsehenübertragungen sind es bis zu 800.000 Mitfeiernde an den Bildschirmen, einige davon über das ZDF.
Seit Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts gibt es Gottesdienstübertragungen im Radio in Österreich. Später kamen Fernseh-Gottesdienstübertragungen dazu. Martin Sindelar, Leiter des Liturgiereferats der Erzdiözese Wien und verantwortlich für Gottesdienstübertragungen in Hörfunk und Fernsehen (ORF), im Gespräch - Langfassung eines Interviews in der Kirchenzeitung "Der Sonntag".
Seit wann gibt es Gottesdienstübertragungen im Radio?
Martin Sindelar: Die erste Gottesdienstübertragung gab es schon 1929, fünf Jahre, nachdem das Radio in Österreich seinen Sendebetrieb aufgenommen hat. Gottesdienstübertragungen im Radio gehören somit zur Geschichte des Rundfunks in Österreich.
Wen erreichen die Gottesdienstübertragungen? Wen wollen sie erreichen?
Martin Sindelar: Erreichen wollen wir alle, die den Weg zur Kirche nicht finden wollen oder nicht finden können oder die im Programm auf Ö-Regional mittendrin im Gottesdienst hängenbleiben. Im Durchschnitt haben wir eine Hörerschaft, die sich gegen den Ruhestand hin oder in den Ruhestand bewegt. Wir haben aber auch über alle Altersgruppen verteilt Hörerinnen und Hörer.
Wie viele feiern durchschnittlich einen Radio-Gottesdienst oder einen Fernseh-Gottesdienst mit?
Martin Sindelar: Einen Gottesdienst, der im Radio übertragen wird, feiern 500.000 bis 600.000 österreichische Hörerinnen und Hörer mit, im Fernsehen können das bis zu 800.000 sein, allerdings sind da auch sehr viele deutsche Zusehende via ZDF dabei.
Worauf führen Sie den Umstand zurück, dass Gottesdienst-Übertragungen einen fixen Platz im Hörfunk- und TV-Programm einnehmen?
Martin Sindelar: Das hat einmal eine ganz einfache rechtliche Grundlage: Der ORF ist ein öffentlich-rechtliches Sendeunternehmen in Österreich und er hat den Auftrag, die Religionsgemeinschaften in seinem Programm zu berücksichtigen. Daher gibt es einen klaren Auftrag vom ORF. Zweitens war die Geschichte des Radios von Anfang an mit Gottesdienstübertragungen verbunden, hat also eine lange Tradition. Die Gottesdienstübertragungen gehören zum Radio-Sonntagsgefühl einfach dazu. Auf Ö-Regional können Sie in ganz Österreich mit Ausnahme von Radio Wien, weil man in Wien auch Radio Niederösterreich hören kann, einen Gottesdienst mitfeiern. Es ist auch ein Unikat, das es sonst im ORF nicht gibt, dass eine Sendung durch alle Ö-Regional-Radios durchgeschaltet wird.
Warum ist es wichtig, dass diese Gottesdienstübertragungen „live“ sind?
Martin Sindelar: Das hat mit der spezifischen Situation zu tun, dass wir aus Zuhörenden Mitfeiernde machen wollen. Und das ist nur in der Live-Form möglich. Wir gehen davon aus, dass, angeleitet durch das Massenmedium, zu Hause oder unterwegs Gottesbegegnung stattfindet oder möglich sein kann wie im Kirchenraum einerseits und andererseits, dass die Gemeinde, aus der ein Gottesdienst übertragen wird, an diesem Tag so etwas wie eine geistliche Verbindung mit all den Hörern eingeht. Wir feiern für und mit den Hörerinnen und Hörern, den Zuseherinnen und Zusehern, und umgekehrt verbinden sich viele der Hörenden und Zusehenden mit der Gemeinde auch im Gebet. Da entsteht gleichsam ein geistlicher Brückenschlag, der geht nicht durch den Fernseher und durch das Radio, sondern er geschieht auf einer geistlichen Ebene.
Was zeichnet das Programmformat „Gottesdienstübertragung“ aus?
Martin Sindelar: Als Format im Radio eine deutliche Entschleunigung, eine deutliche Form von Rhythmusveränderung. Das Format geht nicht durch einen redaktionellen Filter. Ein kirchlicher Grundvollzug wird komplett, so wie er lebt, übertragen. Das ist etwas Einzigartiges für ein Massenmedium. Natürlich gibt es einen Filter des Tonmeisters, aber hier wird 1:1 etwas übernommen. Es wird nicht entschieden, welcher Teil übernommen wird. Der Radio-Gottesdienst ist tatsächlich ein bisschen anders als der Sonntagsgottesdienst in der Gemeinde. Weil wir, wenn wir übertragen, auf die besonderen Bedürfnisse eines Massenmediums bei der Gestaltung auch eingehen.
Welche „Kriterien“ sollte eine Pfarre aufweisen, die Gottesdienste übertragen lassen möchte?
Martin Sindelar: Sie soll eine lebendige und bunte Pfarrgemeinde sein, die gerne miteinander feiert; die ihre Rolle als aktive Trägerin der Liturgie hörbar wahrnimmt; wo alle Beteiligten gute Voraussetzungen für ihre jeweilige Funktion mitbringen (Stimme, Aussprache, Treffsicherheit beim Gesang,..) und wo die beteiligten Musiker und Sänger ein ausgeglichenes und für die Zuhörer im Wesentlichen vertrautes, musikalisches Programm gestalten können. Und wo die gesamte Gestaltung einem inneren Konzept folgt, sodass eine große Stimmigkeit zwischen Gesprochenem, Gesungenem und Musiziertem entsteht; wo die Bereitschaft zum anschließenden Telefondienst (bis ca. 2 Std. nach der Übertragung besteht) und wo sich alle Beteiligten bewusst sind, dass eine Gottesdienstübertragung einer langfristigen Planung und Vorbereitung bedarf. Das bedeutet nicht, dass wir ausschließlich einen Gottesdienst von dort übertragen, wo es einen großen Chor oder einen großen Musikkörper gibt. Die musikalische Gestaltung über das Jahr hin ist ganz bunt, von der sogenannten Familienmesse oder einem Gottesdienst mit rhythmischen Liedern bis hin zur klassischen Messe, Mozart oder andere. In der Fülle schaut man in der Österreich-Planung, das ist ein sehr komplexer Vorgang, dass das im Lauf des Jahres sehr bunt ist und in gewisser Weise gut verteilt ist.
Haben Sie genug Pfarren, diemitmachen wollen?
Martin Sindelar: Je mehr Pfarren wir haben, die sich interessieren, desto leichter ist es auszuwählen. Wir haben in der Erzdiözese Wien in der Regel zehn Gottesdienste aus Pfarren im Jahr vorzubereiten, das ist wesentlich mehr als in anderen Diözesen, die haben fünf. Das hat damit zu tun, dass wir es mit zwei Bundesländern in der Erzdiözese zu tun haben, und daher mit zwei Landesstudios. Wir freuen uns über jede Bewerbung, es sind momentan noch Plätze frei.
Welche Gemeinden können sich bewerben, welche werden gesucht?
Martin Sindelar: Wir freuen uns über Gemeinden, die aus vollem Herzen sagen, wir würden das gern machen. Zu einem solchen Projekt kann man einerseits nicht jemanden überreden. Andererseits ist eine Radioübertragung eine ganz einfache Einübung dessen, was im Diözesanprozess in den letzten Jahren wichtig geworden ist: Wie fühlt sich „Mission first“ an? Weil ich mich in eine Gastgeberrolle begebe. Eine kleine Gemeinde macht sich zum Gastgeber für 500.000 bis 600.000 Zuhörende. Nachher haben wir so etwas wie ein virtuelles Pfarrcafe, es besteht für die Hörer die Möglichkeit anzurufen. Und das ist in der Regel für die Gemeinden eine sehr schöne Erfahrung, weil 95 Prozent dieser Anrufe positiv sind. Und es tut dem Chorleiter gut zu hören, dass die musikalische Gestaltung sehr schön war. Oder: „Ich habe etwas von eurer Kirche erfahren. Können Sie mir euren Kirchenführer schicken?“ Oder: „Kann ich die Predigt haben?“, bis hin zu einem seelsorglichen Gespräch. Es fühlt sich ganz konkret an: Was heißt es, über den Kirchturm hinauszudenken?
Wie „profitieren“ die Pfarren von einer ORF-Übertragung?
Martin Sindelar: Natürlich ist sie mit Aufwand und Arbeit verbunden, aber alles, was ich in diesen einen Gottesdienst im Radio oder im Fernsehen investiere, das bleibt in der Gemeinde. Wir bieten den Lektoren eine besondere Hilfe an, wir arbeiten besonders mit den Zelebranten und Predigern. Wir sagen: Was könnt Ihr bei der Gestaltung des Gottesdienstes besonders überdenken? All das bleibt in der Gemeinde und verändert auch die Feierkultur. Wir kriegen viele Rückmeldungen aus den Gemeinden: „Das ist geblieben, davon haben wir langfristig profitiert.“ Für die Prediger gilt: Wenn ich im Radio bin, muss ich mit den Wörtern Bilder erzeugen, die ich nicht habe. Das ist besonders wichtig und das tut einer Predigt generell gut. Und dass ich so viel Zeit lasse, dass das Bild im Hörer auch entstehen kann. Im Radio geht es nicht um Fakten, es geht nicht um Zahlen, sondern es geht sehr viel um Emotion, darum, wie sich Kirche anfühlt.
Bewerbungsbogen auf der Homepage des Liturgiereferats:
Kontakt:
Maria Faber:
Amt für Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation der Erzdiözese Wien
Telefon: 01/ 515 52 – 3591
Fax: 515 52 – 2776
E-Mail: gottesdienstuebertragung@edw.or.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien