2016 müsse zu einem "Jahr der Integration" mit einem Fokus auf Bildung, Sprache und Begegnung werden, so Caritaspräsident Michael Landau.
2016 müsse zu einem "Jahr der Integration" mit einem Fokus auf Bildung, Sprache und Begegnung werden, so Caritaspräsident Michael Landau.
Michael Landau plädiert in ORF-Interview für Aufbau tragfähiger Strukturen zur Integration statt politischer "Placebos mit schädlichen Nebenwirkungen".
Die politischen Debatten um Asyl-Obergrenzen, "Asyl auf Zeit" oder die Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge führen in Sackgassen. Das hat Caritas-Präsident Michael Landau am Sonntag, 10. Jänner 2016 in einem Interview im ORF-TV-Religionsmagazin "Orientierung" betont.
Statt derartiger "Placebos mit schädlichen Nebenwirkungen" müsse Österreich seine Bemühungen um tragfähige Strukturen zur Integration der Geflüchteten im Land verstärken. 2016 müsse zu einem "Jahr der Integration" mit einem Fokus auf Bildung, Sprache und Begegnung werden, sagte Landau. Als zentrale weitere Punkte forderte er mehr Hilfe in den Herkunftsländern und die Schaffung eines europaweiten Asylsystems mit einer EU-Asylbehörde und einheitlichen Verfahrens- und Entscheidungsstandards.
Er habe den Eindruck, dass die Politik mit Vorschlägen etwa zur Kürzung von Sozialleistungen oder der Diskussion um Obergrenzen "der Bevölkerung gegenüber Lösungskompetenz fingieren" wolle, meinte der Caritas-Präsident. Es gebe jedoch keine einfachen Lösungen. So lange der Krieg im Nahen Osten andauere, die Menschen in der Region nicht genug Hilfe erhielten und "solange mit Waffen viel Geld verdient wird, werden Menschen fliehen", sagte Landau. "Da braucht es europäische und internationale Antworten und nicht solche Sackgassen, wie sie derzeit in Österreich diskutiert werden."
"Wie soll das funktionieren?", fragte der Caritas-Chef etwa bezüglich einer Obergrenze für Asylanträge: "Wollen wir dem 101., der kommt, sagen: 'Geh zurück, notfalls auch in den Tod?' Das wird nicht funktionieren." Menschenrechte wie das Recht auf Asyl seien "nicht quotenfähig".
Die Menschen flüchteten aus unvorstellbaren Situationen und ließen sich auf ihrer Flucht vor Bomben und Granaten auch nicht durch Zäune aufhalten. Europa müsse eine humanitäre Antwort geben, die seiner Tradition entspreche, "und auch den Werten für die wir einstehen", so Landau.
Für "mehr Mut zu Lösungen" für eine Integration von Flüchtlingen statt einer "Neiddebatte" plädierten am Wochenende auch Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner und der Direktor der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie, Michael Chalupka. In zwei Gastkommentaren in der aktuellen Ausgabe des Nachrichten Magazins "profil" kritisierten beide u.a. die jüngsten politischen Vorschläge zur Kürzung von Sozialleistungen für Flüchtlinge.
Die zuletzt politisch artikulierten "vermeintlichen Lösungen" für die Flüchtlingssituation, wie Obergrenzen, "Asyl auf Zeit" oder die Kürzung der Mindestsicherung, atmeten "pure Ratlosigkeit", schrieb Schwertner. "Zu glauben, dass schutzsuchende Frauen, Männer und Kinder in ihren zerbombten Häusern in Damaskus oder Aleppo bleiben, wenn in Österreich die Mindestsicherung gekürzt wird, ist nicht nur zynisch, sondern auch naiv."
Schon bisher hätten nur anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf die Mindestsicherung, die diesen Menschen, ebenso wie anspruchberechtigen Österreichern, hierzulande "ein Leben in Würde und am Existenzminium sichern" solle, erinnerte der Generalsekretär der Wiener Caritas. Einmal mehr plädierte Schwertner auch für mehr humanitäre Hilfe direkt in den Krisenregionen. Wenn Österreich diese schon nicht aus Nächstenliebe verstärken wolle, "dann um Menschen Perspektiven zu geben und Gründe für ihre Flucht zu nehmen".
Die allermeisten Flüchtlinge in Österreich hätten das Ziel, so rasch wie möglich selbst für sich zu sorgen, betonte Diakonie-Chef Chalupka im "profil". Österreich müsse die Geflüchteten bei ihren Integrationsbestrebungen stärker unterstützen, appellierte er. Soziale Standards wegen der Flüchtlinge allgemein zu senken, werde hingegen "Ressentiments verstärken und die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben". Mindestsicherung selektiv für Flüchtlinge zu senken "schafft eine am Rande des Elends dahinvegetierende ethnisierte Unterschicht - mit allen bekannten Folgeproblemen", warnte der evangelische Pfarrer.