"Was heißt Obergrenze? Nach 30.000 Asylanträgen im Jahr den nächsten, schutzsuchenden Flüchtling zurückweisen? Caritaspräsident Landau kritisiert die Pläne der Regierung heftig.
"Was heißt Obergrenze? Nach 30.000 Asylanträgen im Jahr den nächsten, schutzsuchenden Flüchtling zurückweisen? Caritaspräsident Landau kritisiert die Pläne der Regierung heftig.
Caritaspräsident Landau: "Das ist wie die Feuerwehr, die fünf Brände löscht und beim sechsten zuschaut".
Heftige Kritik an den Asyl-Plänen der Regierung, für 2016 und die kommenden Jahre Obergrenzen von durchschnittlich etwa 30.000 Asylwerbern pro Jahr festzusetzen, kam am Mittwoch, 20. Jänner 2016 von der Caritas. "Was heißt Obergrenze? Nach 30.000 Asylanträgen im Jahr den nächsten, schutzsuchenden Flüchtling zurückweisen? Das ist wie die Feuerwehr, die fünf Brände löscht und beim sechsten zuschaut", so Caritas-Präsident Michael Landau wörtlich.
Natürlich wünsche sich auch die Caritas, dass niemand fliehen müsse, unterstrich Landau: "Aber in Zeiten von Krieg und florierendem Waffenhandel ist das leider realitätsfern. Verzweifelte Menschen werden sich nicht aufhalten lassen: Die Fluchtrouten werden sich verschieben, Schlepper vermehrt profitieren."
Von der Dimension und Komplexität der Herausforderung her könne es nur eine europäische Lösung geben: "Einheitliche Verfahrensstandards, einheitliche Aufnahmebedingungen und die gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle 28 Mitgliedsstaaten", so Landau. Parallel dazu müsse die ganz konkrete Hilfe für Menschen in ihrer Heimat deutlich hochgefahren werden.
Bei der Einführung von Obergrenzen würden Rechtsexperten Verstöße gegen völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs sowie gegen europarechtliche und menschenrechtliche Standards orten, erinnerte der Caritas-Präsident.
Asyl auf Zeit halte er zudem für ein "Placebo mit schädlichen Nebenwirkungen", so Landau weiter, "insbesondere was die Integration von anerkannten Flüchtlingen im Sinne der Genfer Konvention betrifft". Und so lange es in Österreich keine flächendeckenden Integrationsangebote gibt, allen voran Deutschkurse, mache es auch wenig Sinn, über Sanktionen laut nachzudenken. Landau: "Aus unserer Erfahrung heraus wollen die Menschen lernen. Unser vorrangiges Ziel sollte daher sein, ihnen das Lernen zu ermöglichen." In diesem Zusammenhang begrüße die Caritas ausdrücklich die von der Regierung angekündigten verpflichtenden Deutschkurse bereits im Asylverfahren.
Sehr kritisch beurteilte der Caritas-Präsident auch die Pläne der Regierung, Flüchtlingen bei Verfehlungen im Bereich der Integration die Mindestsicherung zu kürzen. "Anerkannte Flüchtlinge sind europa- und völkerrechtlich bezüglich der Sozialleistungen Staatsbürgern gleich zu stellen. Ich halte es für falsch, sozial schwache Gruppen gegeneinander auszuspielen", so Landau.
Darüber hinaus sei klar zu stellen, dass Asylwerber überhaupt keine Mindestsicherung beziehen, sondern nur eine Grundversorgung erhalten. Diese aber sei notwendig, da es zu einem fairen Asylverfahren dazugehöre, "dass man es nicht unter der Brücke erlebt, und eine Parkbank ist auch keine Zustelladresse für einen Bescheid".
Letztlich können nur Frieden und Stabilität in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge verhindern, dass sich Frauen, Männer und Kinder auf den Weg machen. Landau: "Wenn Menschen so verzweifelt sind, dass sie sich mit einem Neugeborenen in einem Schlauchboot übers Mittelmeer wagen oder ihre Großeltern im Rollstuhl auf der Balkan-Route quer durch Europa schieben, werden sie sich weder von Obergrenzen noch von Verzögerungstaktiken bei der Bearbeitung von Asylanträgen, Wartezonen oder mehr Bürokratie, wie zum Beispiel Asyl auf Zeit, aufhalten lassen."
Alle Maßnahmen, die nicht bei den Ursachen des Leids ansetzen, würden nur dazu führen, "dass noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, weil sie aus Verzweiflung gefährlichere Fluchtrouten in Kauf nehmen". Auf eine sinkende Attraktivität Österreichs zu setzen ist jedenfalls nach Ansicht des Caritas-Präsidenten keine sinnvolle Maßnahme.
Es brauche umfangreiche Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen, angefangen beim Spracherwerb bis hin zur Schaffung von leistbarem Wohnraum, Arbeitsmarktmaßnahmen und Qualifizierungsoffensiven, forderte Landau. Dazu brauche es öffentliche Investitionen und gesellschaftliches Engagement. "Wenn wir die Integrationsschritte erfolgreich schaffen, werden sich diese Investitionen auf lange Sicht gesellschaftlich und volkswirtschaftlich bezahlt machen", zeigte sich Landau überzeugt.
Als bloße "Beschwörungsformel" ohne Maßnahmen der Umsetzung hat die evangelische Diakonie die beim Asylgipfel beschlossenen Obergrenzen und Richtwerte bezeichnet. Diese drohten an der Realität zu scheitern, da keine konstruktiven Vorschläge gekommen seien, wie weniger Menschen in Österreich Schutz suchen würden, betonte Diakonie-Direktor Michael Chalupka in einer Aussendung vom Mittwoch. Zurückweisungen an den Grenzen, "Dominoeffekte" für eine Verschärfung der Krise in Griechenland sowie die Kürzung der Grundsicherung würden nur die illegale Einreise fördern, die Preise für Schlepper in die Höhe treiben und die Integration verzögern.
Notwendig wäre laut Ansicht der Hilfsorganisation anstelle dessen vor allem eine finanzkräftige Hilfe in Syriens Nachbarländern, um den Menschen dort das Überleben zu sichern und Perspektiven durch Bildung und Jobaussichten zu bieten. Massive Anstrengungen seien laut Chalupka weiters nötig, um ein europäisches Aufnahme- und Verteilsystem in Gang zu setzen, "sowie legale Wege, um Flüchtlinge nicht auf die Schlepperrouten zu zwingen". Um Osteuropas Bereitschaft für die Flüchtlingsaufnahme zu erreichen, seien "neue und kreative Ideen" nötig, wobei Chalupka mit der Idee eines "innereuropäischen Resettlement-Programms" aufhorchen ließ.
Zur schnelleren Integration forderte der Diakonie-Direktor zudem Deutschkurse vom ersten Tag an und die Möglichkeit, sich selbst nach spätestens sechs Monaten durch Arbeit zu erhalten. "Jeder der sich selbst erhalten kann und integriert ist, belastet das österreichische Sozialsystem nicht mehr."