Einen Lernprozess habe die Kirche in den vergangenen fünf Jahren insofern durchlaufen, als sie heute mit aktuellen Fällen völlig anders als früher umgehe und sofort Anzeige erstatte
Einen Lernprozess habe die Kirche in den vergangenen fünf Jahren insofern durchlaufen, als sie heute mit aktuellen Fällen völlig anders als früher umgehe und sofort Anzeige erstatte
Der Film „Spotlight“, in dem jahrelang vertuschte Missbrauchsfälle in der Erzdiözese Boston aufgedeckt werden, erhielt zwei Oscars und fordert die Auseinandersetzung mit dem Thema „Missbrauch“.
Auch in der Erzdiözese Wien war und ist der Missbrauch durch Priester oder kirchliche Mitarbeiter ein Thema.
Kardinal Schönborn hat 2010 die unabhängige Opferschutzanwaltschaft unter der Leitung von Waltraud Klasnic einrichten lassen, bei der Opfer von sexueller Gewalt finanzielle und therapeutische Hilfe erhalten.
Weiterhin würden sich Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche melden – allein 2014 waren es 138, sagte Waltraud Klasnic im Jahr 2015. 1.400 Opfer von Missbrauch seien der Kommission bisher bekannt gemacht worden.
Die schwersten Missbrauchsfälle dürften bereits in den ersten Jahren bei der Kommission gemeldet worden sein, so Klasnics Einschätzung.
Sie glaube auch, „dass es Menschen gibt, die sich nie melden werden, weil sie es nicht können, oder weil sie vielleicht nicht mehr leben“. Schließlich habe eine Untersuchung gezeigt, dass es auch zahlreiche Suizide gegeben habe.
Einen Lernprozess habe die Kirche in den vergangenen fünf Jahren insofern durchlaufen, als sie heute mit aktuellen Fällen völlig anders als früher umgehe und sofort Anzeige erstatte, so Klasnic.
Dass beschuldigte Priester bloß in ein anderes Bundesland versetzt würden, komme heute nicht mehr vor.„Ich merke, dass durch den Film das Thema Gott sei Dank wieder voll da ist“, sagt Martina Greiner-Lebenbauer im Gespräch mit dem SONNTAG.
Die Theologin leitet seit 2012 die Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz der Erzdiözese Wien.
Seit 2010 gibt es in der Erzdiözese die Rahmenordnung „Die Wahrheit wird euch frei machen“.
Diese beinhaltet Maßnahmen, Regelungen und Orientierungshilfen gegen Missbrauch und Gewalt. „Verdachtsfälle müssen sofort an die Ombudsstelle melden – diese gehen dann an eine diözesane Kommission, die klärt wie es weiter geht“, sagt Greiner-Lebenbauer.
Aufgabe der Präventionsstelle ist es, für das Thema Missbrauch bestmöglich zu sensibilisieren und Weiterbildung anzubieten.
„Bei Neueinstellungen informiere ich über den Umgang miteinander und die Meldepflicht im Verdachtsfall“, betont die Theologin.
Die Sensibilität für das Thema sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen: „Die Leute rufen frühzeitig an, es gibt eine große Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten.“
Informiert wird auch über die Homepage der Stabsstelle (www.hinsehen.at) und eine Facebookseite.
Der oscargekrönte Film „Spotlight“ bewirke wieder ein Aufwachen, denn das Thema sei nach wie vor tabuisiert.
Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz
Martina Greiner-Lebenbauer
leitet in der Erzdiözese Wien die Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention: „Durch den Film werden sich verstärkt Betroffene melden“.
T +43 (1) 512 60 63
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien