Mormonen sammeln die Daten von Verstorbenen weltweit. Im Bild: der Tempel der Mormonen in Rexburg (Idaho, USA).
Mormonen sammeln die Daten von Verstorbenen weltweit. Im Bild: der Tempel der Mormonen in Rexburg (Idaho, USA).
Warum die Mormonen zu den eifrigsten Stammbaumforschern der Welt wurden, erklärt Johannes Sinabell, Leiter des Referates für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien.
Jeder, der sich mit Ahnenforschung beschäftigt, stößt früher oder später auf die genealogische Datenbank der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (Mormonen).
In dieser, weltweit größten, genealogischen Datensammlung finden sich etwa 3,5 Milliarden Datensätze zu Personen. Seit über 100 Jahren sammeln, bewahren und veröffentlichen die inzwischen 4.745 „FamilySearch-Center“ und ihre Vorläufer weltweit genealogische Aufzeichnungen. In Österreich unterhalten die Mormonen zwölf „Genealogische Forschungsstellen“.
Die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ ist eine amerikanische Neureligion. Sie wurde gegründet von Joseph Smith (1805-1844), der im US-Bundestaat New York Erscheinungen von Gottvater und Jesus hatte.
1823, so berichtete er, erschien ihm der Engel Moroni und zeigte ihm Metallplatten. Smith hat die Tafeln übersetzt und veröffentlicht. Nach dem Propheten, der den Text ursprünglich verfasst haben soll, heißt es das „Buch Mormon – ein weiterer Zeuge für Jesus Christus“.
Viele der Offenbarungen, die Smith nach eigener Aussage empfing, finden sich in den Büchern „Lehre und Bündnisse“ und „Die Köstliche Perle“.
Da die Mormonen an eine fortlaufende Offenbarung glauben, werden ihre Schriften immer wieder ergänzt. Das „Buch Mormon“ wird als der Bibel gleichrangig angesehen.
Für Mormonen ist das irdische Leben des Menschen Teil eines großen Gesamtbildes. Es beginnt im vorirdischen Dasein, in dem die Geister aller Menschen bei Gottvater im Himmel lebten. Das folgende Erdenleben ist ein Bewährungszustand, in dem jeder erprobt und geprüft wird und Erfahrungen sammelt. Nach dem Tod lebt er in Gottes Gegenwart weiter, wo er weiterhin wachsen, lernen und sich verbessern wird. Für Mormonen bedeutet der Tod daher nicht das Ende, sondern den Beginn eines neuen Abschnitts.
Gemäß ihrer Glaubensüberzeugung kann die Familie über das Erdenleben hinaus unendlich fortbestehen. Alle Mitglieder, die die heiligen Handlungen (Taufe, Endowment) vollziehen, und Jesu Christi Beispiel folgen, können durch die Siegelung für immer vereint werden.
Die Handlung der Siegelung ist die mormonische Eheschließung. Alle daraus entspringenden Kinder gehören zum „Bund“. Am besten vollzieht jeder Mormone die heiligen Handlungen zu Lebzeiten.
Durch mormonische Stellvertreter können die Handlungen aber auch für Verstorbene vollzogen werden.
Hierin liegt der Grund, warum sich Mormonen weltweit bemühen, möglichst viele Daten über Tote zu erhalten. So erhalten sie die Möglichkeit, jede verstorbene Person stellvertretend zu taufen, wobei mit der freien Zustimmung der „Geistwesen“ zu den in ihrem Namen vorgenommenen Handlungen argumentiert wird.
Die Frage, welches Glaubensbekenntnis die Verstorbenen zu Lebzeiten hatten, ist für Mormonen ohne Bedeutung. Daher wurden auch Päpste und Heilige auf diese Weise getauft.
Durch die Totentaufen all jener Personen, deren Lebensdaten man findet, mit dem Ziel, einmal eine möglichst vollständige Namensliste der gesamten Menschheitsfamilie zu erhalten, soll der eigene exklusive Heilsanspruch untermauert werden.
Vor diesem Hintergrund lehnen viele Pfarren und Diözesen die Archivierung ihrer Kirchenbücher durch mormonische Einrichtungen ab.
Die Familien- und Ahnenforschung (Genealogie) hat in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Kirchenmatriken (Kirchliche Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher) gelten als deren wichtigste Originalquelle.
2015 wurde die Digitalisierung der Kirchenmatriken der Erzdiözese Wien, der Diözesen St. Pölten und Linz sowie des Bistums Passau abgeschlossen. Diese sind nun über www.matricula-online.eu abrufbar.
Weitere Möglichkeiten zur Ahnenforschung im Internet gibt es u. a. unter:
www.genteam.at
www.familia-austria.at
www.adler-wien.at
meta.genealogy.net
Recherchetipps gibt die Österreichische Nationalbibliothek:
www.onb.ac.at/ben/ivs/familienforschung.htm
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