"Man sollte nicht darauf vertrauen, dass der Staat, der Markt und bestehende Drittsektor-Akteure schon alle Antworten kennen, sondern diese Art von Innovation unterstützen", sagt Peter Vandor.
"Man sollte nicht darauf vertrauen, dass der Staat, der Markt und bestehende Drittsektor-Akteure schon alle Antworten kennen, sondern diese Art von Innovation unterstützen", sagt Peter Vandor.
"Zunehmend mehr Menschen wollen unternehmerisch tätig sein, aber dabei auch etwas Sinnvolles machen", sagt Peter Vandor von der Wirtschaftsuniversität Wien im SONNTAG-Interview.
Was versteht man unter "Social Entrepreneurship"?
Peter Vandor: Wie der Begriff schon sagt, geht es um unternehmerisches Handeln im sozialen Sinn. Natürlich kann man sich die Frage stellen, was ist jetzt unternehmerisch und was ist sozial? Was das Soziale betrifft, besteht wahrscheinlich im Detail das Schwierigere. Dennoch gibt es den Grundkonsens in Österreich zu sagen, es gibt bestimmte Themen, die brennen uns gesellschaftlich unter den Fingernägeln
und da muss etwas gemacht werden: Flüchtlinge, Umkehr der Alterspyramide.
Welche Auffassungen bestehen bezüglich des unternehmerischen Teils?
Peter Vandor: Es gibt zwei größere Denkschulen in der Literatur, aber auch in der gelebten Praxis. Einige sagen, Sozialunternehmer bringen wie ein Steve Jobs die Innovationen ins Feld und finden für bestehende Probleme neue Lösungen. Dann gibt es die andere Denkrichtung, die im angloamerikanischen Raum populär ist: Organisationen bekommen ihr Geld nicht vom Staat als Subvention oder als Spende, sondern verdienen es am Markt, indem sie Produkte und Dienstleistungen an Private verkaufen oder im Grenzbereich Leistungsverträge mit dem Staat abschließen. Vielleicht die Caritas als Beispiel. Auf der einen Seite ist die Katastrophenhilfe sehr stark spendenfinanziert. Das wäre der klassische Zugang. Oder sie möchte sich auch durch Markteinkünfte finanzieren, das wäre der zweite Zugang. Dieser läuft meist unter dem Label "Social Business".
Brauchen wir soziale Unternehmen überhaupt in einem entwickelten Sozialstaat?
Peter Vandor: Man sollte nicht darauf vertrauen, dass der Staat, der Markt und bestehende Drittsektor-Akteure schon alle Antworten kennen, sondern diese Art von Innovation unterstützen. Wir wissen nicht, wie wir am besten alle Flüchtlinge, die im letzten Jahr gekommen sind, integrieren können. Vielleicht benötigt es doch neue Ansätze und Projekte. Für den Innovationsansatz braucht es Sozialunternehmen auf jeden Fall. Wenn man die zweite Seite der Definition anschaut, ob es Social Businesses in der Form braucht, wäre ich differenzierter. Es ist eine gute Bereicherung, sei es, dass es Arbeitsmarktintegration ermöglicht, wo man eigentlich auf clevere Weise Menschen in den Arbeitsmarkt bringt und zugleich Geld verdient. Das ist sehr ressourceneffizient, aber natürlich nicht immer möglich und erstrebenswert. Wenn es jetzt um palliative Betreuung geht, um ein extremes Beispiel zu nehmen, kann man über Versicherungen Geschäftsmethoden stricken, aber aber im Großen und Ganzen gibt es sicherlich Themen, bei denen man sagt: Hier ist es in Ordnung, wenn wir spendenfinanziert arbeiten, hier darf und soll auch der Staat dafür bezahlen.
Welche Risiken birgt ein Sozialunternehmen?
Peter Vandor: Die größten Risiken sind dieselben wie bei einem normalen Unternehmen: dass man seinen Kunden nicht versteht, dass man ein Produkt baut, das kein Mensch braucht. Es ist nach wie vor der Hauptgrund, warum Unternehmen scheitern, weil sie am Kunden vorbei entwickeln. Und dann all die anderen Fallstricke: schlechtes Management oder einfach nur Pech. Es gibt auch spezifische Dinge im sozialen Unternehmertum, die es schwerer machen. Ganz viele Sozialunternehmen, besonders die an Private verkaufen, sind in einem ständigen Zielkonflikt, den sie austarieren müssen. Ein guter Sozialunternehmer ist einer, der für die Sache, für die Mission brennt, und zugleich so ein guter Kaufmann ist und weiß, wenn wir Pleite gehen, haben wir auch keinem geholfen. Das ist eine Sache, wo viel Fingerspitzengefühl gefordert ist und noch Erfahrungsschatz auf wissenschaftlicher Seite erst entwickelt werden muss, was empfehlenswerte Zugänge sind.
Soziales Unternehmertum ist grundsätzlich kein neues Phänomen.
Peter Vandor: Die Praxis des sozialen Unternehmertums ist nicht neu. Die Idee, dass man wirtschaftlich arbeitet und dabei ein Gemeinwohlziel verfolgt, gab es immer wieder in der Geschichte. Definitiv neu ist der Diskurs. Über soziales Unternehmertum spricht man in Österreich seit wenigen Jahren. International ist der Begriff vor 20, 30 Jahren erstmals aufgetaucht, zunächst in der Literatur und wurde von Organisationen wie Ashoka im englischsprachigen Raum mitgetragen. Dadurch, dass der Diskurs aufgegriffen wird, hat das Ding einen Namen. Das hilft den Menschen darüber zu sprechen und sie können sich davon angesprochen fühlen. Wenn man mit Sozialunternehmern zusammenarbeitet, hört man oft von ihnen: „Jetzt weiß ich endlich, was ich tue.“ Sie gelten nicht länger als die wunderlichen Spinner, die nicht verstanden haben, wie man es macht.
Welche Rahmenbedingungen für soziale Unternehmer sind nötig?
Peter Vandor: Zunächst braucht es eine unternehmerische Denkkultur, die Bereitschaft, Risiko anzunehmen. Österreich ist nicht die USA, allmählich wird es ein bisschen besser. Es heißt nicht umsonst, dass die am Arbeitsmarkt fußfassende Generation Y stärker nach dem Sinn fragt und etwas Sinnvolles im Leben machen möchte. Grundsätzlich ist Social Entrepreneurship die Schnittmenge dieser beiden Bewegungen: immer mehr Menschen mit Sinnsuche und mit unternehmerischem Tun.
Eine viel diskutierte Frage ist die der Rechtsform. Es gibt in Österreich keine eigene für Sozialunternehmer. Die meisten gründen entweder einen Verein oder eine GmbH. Da fragt man sich schon, ob es nicht eine Rechtsform geben könnte, die beides vereint und es z.B. ermöglicht, einen vermutlich noch kleinen Teil von Gewinnen an Investoren auszuschütten. Mehr Angebote in der Ausbildung wären durchaus im Sinn der Sache, weil klassisches Unternehmertum schon schwer genug ist und soziales ebenfalls nicht einfacher. Die Menschen unbegleitet zu lassen, ist eine vertane Chance. Wenn man ein gutes soziales Unternehmen in der Frühphase so begleitet, dass es gut wächst und gut aufgestellt ist, dann hilft man dem Gründer und allen späteren Mitarbeitern und Betroffenen, die damit eingebunden sind.
Peter Vandor forscht und lehrt seit 2008 an der Wirtschaftsuniversität Wien und betreut den Aufbau des Schwerpunktes "Social Entrepreneurship" am Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship. Er ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Social Impact Award, einem Lernprogramm und Ideenwettbewerb für Studierende.
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