Estela Padilla ist eine international tätige Theologin und Teil des BUKAL-Teams. Der Ordensmann Fr. Marc Lesage CICM wirkt seit Jahrzehnten auf den Philippinen. Beide sehen das Wort Gottes als Rüstzeug für die pastorale Arbeit.
Estela Padilla ist eine international tätige Theologin und Teil des BUKAL-Teams. Der Ordensmann Fr. Marc Lesage CICM wirkt seit Jahrzehnten auf den Philippinen. Beide sehen das Wort Gottes als Rüstzeug für die pastorale Arbeit.
Estela Padilla und Father Marc Lesage vom philippinischen Pastoralinstitut "Bukal ng Tipan" über Wege zur kirchlichen Erneuerung.
Was kann die Kirche von Österreich von der Kirche der Philippinen lernen?
Estela Patillo: Wir lehren nicht, wie es die weitaus ältere Kirche in Europa machen soll. Wir lernen immer gemeinsam, voneinander im Dialog.
Marc Lesage: Was ich erfahren habe, ist, dass wir eine Inspiration sein können, wie lebendig Kirche sein kann. Es geht nicht um ein Kopieren, sondern wir wollen ermutigen, weiterhin zu träumen, dass etwas Neues möglich ist. Das heißt nicht weitermachen wie bisher. Nein, wir müssen schauen, was erforderlich ist, und dies auch verwirklichen.
Was sind die Stärken der Kirche Ihres Heimatlandes?
Estela: Die Mehrheit der Filipinos sind Katholiken, 87 Prozent der Bevölkerung. Wir werden in eine sehr religiöse Kultur hineingeboren, Religion spielt eine große Rolle im täglichen Leben. Unsere Stärke ist gleichzeitig unsere Schwäche: Wir Katholiken glauben, wir sind die einzige Religion im Land. Die muslimischen Mitbürger leben weit im Süden und wir sind im Gegensatz zu anderen Teilen Asiens nicht an den interreligiösen Dialog gewöhnt.
Marc: Ein wichtiges Element in unserer Gesellschaft und in unserer Ortskirche ist der Sinn für Gemeinschaft. Wenn man sich die Häuser ansieht: Es gibt um sie keine Zäune oder Mauern, das ganze Leben spielt sich im eigenen Wohnviertel ab.
Warum ist Kirchenerneuerung immer auch ein geistlicher Prozess?
Estela: Es kann nichts anderes sein. Wir sind keine professionellen Sozialarbeiter oder Pastoralarbeiter, sondern wir sind da, um Jesus nachzufolgen. Jeder Schritt, den wir in der Kirche tun, sei es in der Ausbildung, beim Erstellen von Pastoralprogrammen und selbstverständlich in der Liturgie, ist ein spiritueller Prozess. Wir, die Kirche, sind eine vom Heiligen Geist geführte Gemeinschaft und wir sollten alle Zeit dafür offen sein, dass er unter uns weilt und uns leitet.
Marc: Wir sind aber immer auch eine Kirche für und in der Welt. Unsere Aufgabe ist es nicht, nur stets auf uns selber zu blicken, sondern den Menschen draußen in der Welt zu dienen.
Welche Rolle spielt dabei die Bibel, das Wort Gottes?
Estela: Das Wort Gottes zu lesen und es mit anderen zu teilen, ist Bestandteil unseres normalen Lebens als Gemeinschaft. Wenn wir pastorale Programme entwickeln, lesen wir nicht nur in der Heiligen Schrift und betrachten das Wort Gottes. Die Bibel zeigt uns den Weg, wie wir unsere Programme entwerfen und umsetzen können. Das Wort Gottes ist das Rüstzeug für die pastorale Arbeit.
Marc: Aus der Bibel ziehen wir unsere ganze Kraft – für den Tag, für all unsere Aktivitäten. Im Pfarrgemeinderat vereint uns das Bibelteilen und lässt uns in dieselbe Richtung schauen, wenn wir dabei sind, Probleme zu lösen.
Wie wichtig sind kleine christliche Gemeinden?
Estela: Manchmal glauben wir, Kirche findet irgendwo weit weg, an bestimmten Tagen wie am Sonntag oder bestimmten Aktivitäten wie in der Heilige Messe statt. Nein, Kirche leben wir in unserer Nachbarschaft jeden Tag, und das bedeutet einen Weg der Erneuerung.
Marc: In den Pfarren mit den traditionellen Strukturen sind nur ein bis zwei Prozent der Menschen aktiv eingebunden. Mit kleinen Gemeinden kann man mehr Menschen das Leben in der Kirche erfahren lassen. Es gibt ein Potenzial, dass bis zu 20 Prozent der Menschen erreicht werden können. Wir dürfen uns nicht fürchten, neue Dinge zu riskieren und außerhalb des traditionellen Weges den Glauben zu leben.
Sehen Sie eine Möglichkeit, dass die Kirche in Europa und in Österreich wieder wachsen kann?
Estela: Wir hörten, als wir vor fünf Jahren das erste Mal in Europa waren, dass die Kirche hier sterben würde. Aber wir haben Offenheit für Wandel vorgefunden. Die Menschen, die wir treffen, haben nicht ihre Energie und Träume verloren. Wir müssen nur zusammenkommen und uns gegenseitig stärken. Ich sehe eine Suche nach weltweitem Lernen. Die spirituelle Energie verbindet uns für eine neue Chance. Ich sehe viel Zuversicht, und es ist eine Ehre, eine Teilnehmerin an dieser Pilgerreise zu sein.
Marc: Als wir damals nach Deutschland kamen und unsere Erfahrungen teilten, haben wir refrainartig gehört: „Das ist sehr nett, aber in Deutschland nicht möglich.“ In den Jahren danach wurden Dinge ausprobiert – und es funktionierte. Im Jänner diesen Jahres kam die Wiener Gruppe zu uns, die Gäste hatten viele Fragen. 14 Tage später hatten sie die Erfahrung von Gemeinschaft gemacht und gesehen, dass es eine Inspiration sein kann. Jetzt nach wenigen Monaten hören wir, was in Österreich schon alles passiert ist, und spüren eine große Hoffnung.
Das Pastoralinstitut auf den Philippinen "Bukal ng Tipan" (deutsch "Quelle des Bundes") unterstützt Pfarren und Diözesen in der pastoralen Organisationsentwicklung. Als Grundlage dienen Bibelteilen und die Bildung kirchlicher Basisgemeinden. Bukal hat in den letzten Jahren immer wieder Studienreisen durchgeführt, im Winter 2016 auch erstmals mit der Erzdiözese Wien. Bukal war vom 10. bis 14. Juni in Wien und hielt einen Workshop in Wien und Stockerau. Am 14. Juni gab es in Wien einen offenen Abend zum Thema "Es ist möglich. Kirche wächst."
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien