Martin Ledolter im Gespräch mit Frauen in Burkina Faso. Die ADA unterstützt in Boucle du Mouhoun die ländliche Entwicklung.
Martin Ledolter im Gespräch mit Frauen in Burkina Faso. Die ADA unterstützt in Boucle du Mouhoun die ländliche Entwicklung.
Martin Ledolter ist Geschäftsführer der Austrian Development Agency. Im SONNTAG-Sommergespräch schildert er die Wichtigkeit der Hilfe in Ländern des Südens und unterstreicht, was jeder persönlich dazu beitragen kann, die Welt voranzubringen.
DER SONNTAG: Mit Jahresbeginn sind die von den Vereinten Nationen vorgelegten Ziele nachhaltiger Entwicklung in Kraft getreten. Sie sollen der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer, sowie ökologischer Ebene dienen.
Was bedeutet das für Österreich an Herausforderung und Engagement?
Martin Ledolter: Die Millenniumsentwicklungsziele zeigen, dass Entwicklungszusammenarbeit wirkt.
In den vergangenen 25 Jahren konnte die Kindersterblichkeit um die Hälfte reduziert werden, die Müttersterblichkeit um die Hälfte und die Anzahl der absolut Ärmsten – das sind Menschen, die von einem Euro pro Tag leben müssen – wurde von 1,9 Milliarden auf etwa 860 Millionen Menschen reduziert. Über eine Milliarde Menschen wurde aus dieser absoluten Armutsfalle herausgeholt.
Wenn wir es mit einem Marathon vergleichen, dann liegt die halbe Distanz hinter uns. Wir wissen aber auch, dass die zweite Hälfte immer die schwierigere ist.
Ja, wir haben eine Chance, bis 2030 Armut und Hunger zu beseitigen. Das heißt aber auch, dass wir uns alle anstrengen müssen. Staatliche Entwicklungshilfe alleine wird das nicht leisten können. Wir brauchen dazu neue Allianzen.
Welche Allianzen sprechen Sie an?
Martin Ledolter: Jeder und jede kann etwas tun. Versuchen den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, fair einkaufen, sich für Entwicklungszusammenarbeit interessieren. Wir brauchen die Wissenschaft und die Forschung, die uns hilft, neue Ideen und Ansätze zu entwickeln, Unternehmen, deren Finanzstärke und Engagement, um eine größere Hebelwirkung zu erzielen. Und Stiftungen und Vereine, die uns helfen auf diesem langen und steinigen Weg.
Wie bringt sich die ADA dabei ein?
Martin Ledolter: Zum einen haben wir unsere Freiwilligeneinsätze massiv ausgebaut. Jugendliche, die die Möglichkeit haben, bereits früh mit Entwicklungszusammenarbeit in Kontakt zu treten, bleiben lebenslange Verbündete und sind Multiplikatoren.
Wir bieten derzeit rund 170 Jugendlichen Freiwilligeneinsätze an. Die Dauer ist unterschiedlich. Das beginnt mit drei Wochen und endet mit einer Dauer von etwa einem Jahr.
Vor kurzem haben wir junge soziale Unternehmerinnen eingeladen, an unserer „Social Entrepreneur Challenge“ teilzunehmen, weil wir auch Kreativität und Innovation brauchen. Diese Unternehmen haben sehr viel gemeinsam mit Entwicklungszusammenarbeit, weil es ihnen nicht so sehr um unternehmerischen Gewinn geht, sondern vor allem darum, einen positiven sozialen Wandel zu gestalten.
Um welche Projekte geht es dabei?
Martin Ledolter: Einerseits geht es darum, Trinkwasser auch tatsächlich trinkbar zu machen durch UV-Bestrahlung. Eigentlich ein sehr einfaches Produkt. Aber gerade in der Region Subsahara-Afrika kann das die Lebensqualität von Millionen von Menschen verbessern und damit dazu beitragen, die Kinder- und Müttersterblichkeit erheblich zu reduzieren.
Weiters geht es um Projekte in dieser Region, wo Kleidung fair produziert wird. Näherinnen mit Behinderung erhalten einen Arbeitsplatz, diese Kleidung wird auch in Österreich zu einem fairen Preis angeboten.
Wir unterstützen auch Initiativen, dass LED-Licht in Subsahara/Afrika und zum Teil in indischen Regionen in Hütten gebracht wird, damit man auf einfache und leistbare Art und Weise Licht zum Arbeiten und Lesen hat und damit die Lebensumstände verbessert werden.
Im katholischen Bereich gibt es u.a. die Caritas, die Frauen- und Männerbewegung, oder auch Jugend Eine Welt, die sich für Menschen in Not in anderen Ländern und Kontinenten einsetzen. Gibt es da von der ADA her Kooperationen?
Martin Ledolter: Wir haben natürlich sehr starken Kontakt mit den kirchlichen Partnern. Die Caritas wird der erste strategische Partner für die ADA im Bereich Zivilgesellschaft, wo wir uns in den kommenden Jahren sehr hohe Ziele gesteckt haben und wir die Ernährungssicherheit von 100.000 Menschen gemeinsam und nachhaltig in Äthiopien, im Südsudan, im Senegal und in Burkina Faso sicherstellen möchten.
Wissenstransfer ist ein wichtiger Faktor in der Entwicklungszusammenarbeit?
Martin Ledolter: Bei schwierigen klimatischen Voraussetzungen, muss man ganz genau wissen, was man anbaut.
In Äthiopien liegt unsere Schwerpunktregion in Nord-Gonda. Eine gebirgige Region auf 3.000 Metern Höhe, 400 Kilometer nördlich der Hauptstadt Addis-Abeba. Auf einer meiner vergangenen Reisen hatte ich ein ganz tolles Erlebnis. Kassa, ein Landwirt, fiel mir um den Hals und sagte, er ist durch die ADA und die österreichische Hilfe ein reicher Mann geworden.
Reich heißt, dass er und seine Familie nun in einer winzigen Lehmhütte und nicht mehr Strohhütte wohnen. Reich ist, dass er jetzt Apfelbäume pflanzen kann mit einer Produktivität, die es vorher nicht gab. Reich heißt, dass seine Kuh durch neue Zuchtmethoden nicht mehr eineinhalb Liter Milch, sondern acht Liter Milch gibt.
Und dieser „Reichtum“ wird insofern weitergegeben, und das macht ihn besonders stolz, dass seine Kinder zur Schule gehen können und nicht mehr zu Hause in der Landwirtschaft mitarbeiten müssen.
Wie geht es Ihnen persönlich, wenn Sie Lebensumstände wie die geschilderten in Äthiopien erleben?
Martin Ledolter: Es ist schön zu sehen, dass wir die Resultate, die wir uns vornehmen, erzielen und ich dann die entsprechenden Monitoring- und Evaluierungsarbeiten durchführen darf.
Es ist beglückend, wenn man sieht, wie sich eine Region über Jahre weiterentwickelt. Wie Hunderttausende von Menschen aus dieser absoluten Armutsfalle herausgeholt werden können und wie die Menschen mit dieser neuen Perspektive umzugehen wissen.
Und wie viel Dankbarkeit, Verständnis für die Projekte vor Ort auch tatsächlich vorhanden ist. Das ist für mich immer unglaublich bereichernd.
Kann man die Welt verändern oder retten?
Martin Ledolter: Ich bin überzeugt, dass jeder seinen Teil dazu beitragen kann, die Welt zu einem besseren Platz zu machen. Wir können am Markt lokale Produkte einkaufen, fair produzierte Kleidung tragen, sich für andere Menschen interessieren und gemeinsam versuchen, so die Welt zu einer Besseren zu machen.
ADA - Austrian Development Agency
– das sind die drei großen Anliegen der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.
Rund 600 Projekte und Programme sowie mehr als 100 Millionen Euro werden jährlich umgesetzt.
Gemeinsam mit Partnerländern, öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmen arbeitet die ADA für eine nachhaltige Entwicklung in Afrika, Asien, Südost- und Osteuropa sowie in der Karibik.
Martin Ledolter im Sommergespräch mit Stefan Hauser. Montag, 11. Juli, 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien