Heinz Kammerer: „Jeder Konsument möchte heute wissen, wo der Wein herkommt und wie er gemacht wird.“
Heinz Kammerer: „Jeder Konsument möchte heute wissen, wo der Wein herkommt und wie er gemacht wird.“
Wein & Co-Gründer Heinz Kammerer ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt. Im Sommergespräch erzählt er, wie es dazu kam und was für ihn im Leben wirklich wichtig ist.
DER SONNTAG: Herr Kammerer, 2012 haben Sie sich aus der Geschäftsführung zurückgezogen, sind aber Eigentümer geblieben.
Jetzt, drei Jahre später, folgt die Rückkehr.
Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht und warum sitzen Sie jetzt wieder im Chefsessel?
HEINZ KAMMERER: Seit 40 Jahren habe ich immer nur Geschäfte gemacht nach dem Motto: buy low, sell high. Dabei bin ich leider im Eheleben gescheitert.
Ich habe 2011 meine jetzige Frau kennengelernt und wollte das endlich richtig machen. Außerdem habe ich begonnen, Klavier zu spielen, ein langjähriger Herzenswunsch.
Dann gab es jedoch enorme Veränderungen im Online-Handel. Hier musste ich rasch unternehmerische Entscheidungen treffen, das ist der einzige Grund. Jetzt spiele ich halt in der Nacht Klavier.
Wie hat sich der Online-Handel verändert?
HEINZ KAMMERER: Wir wollen der „Zalando des Weins“ werden – nur mit Gewinn. Derzeit beliefern wir Kunden aus rund 15 Ländern, alleine durch den Online-Shop. Ein Drittel unseres Internetgeschäftes liegt bereits in Deutschland. Das sind rund 2,5 Millionen Euro und das nur durch Online-Werbung.
Es ist denkbar, dass wir in wenigen Jahren ganz Europa über das Internet mit Wein versorgen. Zudem liefert Wein & Co jetzt auch nachhause und neuerdings sind wir auch beim Essenslieferanten foodora. Im Online-Handel spielt die Musik.
In der Wein & Co-Filiale nahe am Stephansplatz wird derzeit umgebaut, spätestens im Oktober soll ein neuer Flagshipstore entstehen. Was darf man erwarten?
HEINZ KAMMERER: Unser Paradegeschäft wird direkt am Stephansplatz entstehen. Wir haben ein Nachbarlokal übernommen und werden uns auf drei Etagen, über 800 Quadratmeter groß, richtig austoben. Der Genuss steht natürlich im Vordergrund.
Mit Frühstück bis spät in die Nacht hinein werden wir hier unsere Gäste versorgen. Zudem wird es dort komplett barrierefrei sein. Während dieser Umbauphase können unsere Kunden im sogenannten Pop-Up Shop in der Jasomirgottstraße weiter Wein einkaufen.
Wie wird die Zukunft von Wein & Co aussehen, wie wird sich die Weinwelt verändern?
HEINZ KAMMERER: Die Nachhaltigkeit und die Schadstofffreiheit, diese Trends werden sich durchsetzen. Zehn Prozent unserer Weine entsprechen schon diesen Kriterien.
Denn jeder Konsument möchte heute wissen, wo der Wein herkommt und wie er gemacht wird. Sie werden nicht mehr bereit sein, das Gift in sich hinein zu schlucken.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit, wo sind Ihre Ruheorte?
HEINZ KAMMERER: Zeiteinteilung ist das Wichtigste. Der verstorbene Willi Dungl hat mir den Rat gegeben, wenn ich mir Freizeit schaffen möchte, einfach in den digitalen Terminkalender eintragen: Mittagessen mit Pospischill. So wissen alle, der Chef geht zum Pospischill. Zudem fahre ich jedes Jahr, drei Wochen, in mein geliebtes Ibiza. Und ich trödle gerne. Aber derzeit genieße ich besonders die Zeit zuhause mit meiner Frau.
Was macht für Sie ein gutes Leben aus?
HEINZ KAMMERER: Wenn man gesund ist, ist das schon eine große Gnade. Wichtig ist auch das Leben in der Liebe. Nach dem damals gescheiterten Eheleben weiß ich, wie sich eine lieblose Situation anfühlt. Also gesund bleiben und in Liebe leben.
Worüber ärgert sich Heinz Kammerer?
HEINZ KAMMERER: Ich ärgere mich über unfähige Verkehrsteilnehmer, also von mir als solche erkannte. Das sagt aber nicht viel aus, denn jeder der vor mir fährt ist schon unfähig. Niemand will mein Beifahrer sein, weil ich andauernd herumschimpfe, entsetzlich. Sonst ärgert mich wenig, ich wundere mich mehr über so manche Dinge.
Sie sind ein großer Verehrer des Philosophen Karl Popper. Was fasziniert Sie an Popper?
HEINZ KAMMERER: Eine wesentliche Orientierung in meinem Leben wurde von Popper angestoßen, nämlich die Falsifikation: Ab dem Moment, wo ich eine Überzeugung gewonnen habe, muss ich diese bereits in Frage stellen.
Ebenso bezeichnen Sie sich als Jäger und Sammler. Vor allem Sammler der Art Brut Bewegung. Wird es bald eine Kammerer Sammlung zu sehen geben?
HEINZ KAMMERER: Ein wichtiger Mensch in meinem Leben ist der verstorbene Maler Walter Navratil. Dessen Vater, ein Psychiater, hat in Gugging die Art Brut Bewegung ausgelöst. Das war damals in den 70iger Jahren meine Welt.
Art Brut umfasst die Kunst der Unangepassten, die Kunst jener Künstler die gesellschaftlich als nicht normal gelten. Diese wurden von verschiedenen Ärzten europaweit gefördert.
Ich besitze auch Kunst von anderen ausgewählten Künstlern, beispielsweise von Kurt Kocherscheidt, Franz Ringel, Wolfgang Herzig und eben Walter Navratil.
Aber im Wesentlichen besteht meine Sammlung aus den Gugginger Künstlern. Ob diese Sammlung veröffentlicht wird, sollen dann meine Erben entscheiden.
Einige ihrer Familienmitglieder arbeiten neuerdings bei Wein & Co. Der Beginn eines Familienbetriebes?
HEINZ KAMMERER: Meine Frau ist nicht nur meine beste Ratgeberin, sondern auch im Einkauf ein wichtiges Mitglied des Teams. Die Sortimentsgestaltung ist hierbei besonders wichtig. Meine Tochter, eine sehr begabte junge Frau, durchläuft derzeit alle Abteilungen, zuerst im Einkauf, jetzt im Vertrieb. Sie engagiert sich in allen Bereichen. Mein Sohn steht auf Abruf, er ist derzeit in England als IT-Mann sehr erfolgreich. Aber eigentlich wird unser gesamtes Unternehmen sehr familiär geführt.
Immer wieder kursieren Verkaufsgerüchte rund um Wein & Co. Wie ist der aktuelle Stand?
HEINZ KAMMERER: Fakt ist, man kann dieses Geschäft gar nicht verkaufen und ich will das auch nicht. Es ist ein Eigentümer-Geschäft. Irgendwann werde ich es meinen Nachkommen weitergeben, aber bis dahin bleibe ich der Chef.
Heinz Kammerer (*7. Juni 1948) studierte Welthandel, Abschluss als Diplomkaufmann.
1971 Start bei Teppich Eybl. Danach selbstständiger Handelsvertreter als Importeur von englischen Teppichen. Mit 24 Jahren verdiente Heinz Kammerer die erste Million, damals noch in Schilling.
1976 gründete er das Fliesen- und Sanitärhaus Ikera. Am 1. Oktober 1993 erfolgte die Eröffnung der ersten Wein & Co-Filiale. 1998 wurde Ikera verkauft.
Bis 2012 stand Heinz Kammerer an der Spitze bei Wein & Co. Im Februar 2015 folgte die Rückkehr als Geschäftsführer.
Derzeit gibt es 21 Filialen in ganz Österreich, davon sieben mit Weinbar bzw. Restaurant und rund 300 Mitarbeitern.
Hinzu kommt der wachsende Online-Handel, der Kunden aus rund 15 Ländern beliefert. Über 55 Millionen Euro betrug der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr.
Heinz Kammerer im Sommergespräch mit Georg Gatnar. Montag, 25. Juli, 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
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