Andreas Onea hat seine Medaillensammlung mit einer bronzenen Paralympicmedaille in Rio ergänzt.
Andreas Onea hat seine Medaillensammlung mit einer bronzenen Paralympicmedaille in Rio ergänzt.
Andreas Onea verlor als kleiner Bub bei einem Verkehrsunfall seinen linken Arm. Bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro gewann er für Österreich eine Bronzemedaille. Stärkung erfährt er im Glauben.
DER SONNTAG: Ihr Leben erfuhr in jungen Jahren eine dramatische Veränderung bei einem Verkehrsunfall?
ANDREAS ONEA: Es war am 3. Mai 1998. Wir waren auf dem Rückweg vom Besuch bei Verwandten in Rumänien.
Nach der rumänisch-ungarischen Grenze fing es sehr stark zu regnen an. Ein LKW hatte vor uns Öl verloren. Der schlechte Straßenzustand, das Wasser und das Öl führten dazu, dass mein Vater die Kontrolle über unseren 9-Sitzer verlor.
Uns hat es von der Straße über den Gegenverkehr weg von der Straße hinausgeschleudert, einige Male gedreht. Mich hat es aus dem Auto herausgeschleudert. Da die Kräfte so stark waren, ich hinter dem Fahrer links gesessen bin und meinen Arm in den Gurt eingewickelt hatte, weil ich darin angelehnt geschlafen habe, hat es durch die Kräfte meinen Arm weggefetzt. Später hat man mich getrennt vom Arm im Straßengraben gefunden.
Wenn ich mir die Unfallfotos ansehe, bin ich glücklich, dass ich lebend herausgekommen bin. Deswegen ist mein Leben auch ein absolutes Wunder.
Ihr Großvater starb an den Unfallfolgen, die Eltern waren schwer verletzt, die beiden Brüder unverletzt. Wie ging es ihnen, damals sechsjährig?
ANDREAS ONEA: In den ersten Tagen im Krankenhaus bin ich auf dem Rücken gelegen und habe mich überhaupt nicht bewegen können. Ich erinnere mich nicht, dass es ein Schockmoment war, wie ich realisiert habe, dass der Arm weg ist.
Klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich hatte das Gefühl,; O.k., das ist jetzt so, und ich kann es sowieso nicht ändern, und ich möchte jetzt einfach aufstehen und spielen.
Als ich in Wien noch einmal operiert wurde, aufstehen und das Gleichgewicht wieder langsam finden konnte, habe ich relativ rasch angefangen, am Krankenhausbett raufzuklettern und durch das Krankenhaus zu laufen.
Meine Mutter ist schwerverletzt daneben gelegen und war total panisch, dass ich mir dabei wehtue. Ich wollte aber einfach aktiv sein, etwas tun.
Mit Schulbeginn startete auch die Rehabilitation?
ANDREAS ONEA: Ja, das verlief ziemlich parallel. Vormittags Schule, nachmittags Therapien. Am Weißen Hof in Klosterneuburg, wo ich Sporttherapie hatte, kam ich auch zum Schwimmen - wegen der Art und Weise, wie man sich im Wasser bewegt: Ohne großen Aufwand hat man Mobilität, die man wegen der Behinderung an Land nicht hat. Daher hat das Schwimmen einen großen Stellenwert in der Rehabilitation.
Sie haben Talent im Schwimmen bewiesen.
ANDREAS ONEA: 2001 bin ich zu meinem ersten Wettkampf geschickt worden, zu Salzburger Jugendlandesmeisterschaften. Ich war neun und der jüngste Teilnehmer und bin gnadenlos letzter geworden. Das war egal, es hat Spaß gemacht.
Funktionäre haben sich darum gekümmert, dass ich bei einem Nichtbehindertenverein unterkomme, wo ich dann einfach vier-, fünfmal die Woche schwimmen konnte. Und das war sicher ein wichtiger Schritt, dass sich daraus eine Leistungssportkarriere entwickeln konnte.
Welche Schwimmart ist die für Sie geeignetste?
ANDREAS ONEA: Die ersten Jahre war Brustschwimmen katastrophal. Als ich dann stärker geworden bin und von den technischen Abläufen gefestigter, hat sich einfach das Brustschwimmen als beste Schwimmart für mich herauskristallisiert.
War in Ihrer Schulzeit Inklusion schon ein Thema?
ANDREAS ONEA: Ich war am BRG 14 in der Linzerstraße in Wien. Das war eine ganz normale Schule ohne Inklusionssystem. Das war auch überhaupt kein Problem, weil ich da als Jugendlicher im normalen Schulalltag integriert war. Ich habe alle Dinge mitmachen können. Wenn ich im Turnunterricht einmal eine Übung nicht machen konnte, habe ich Ersatzübungen gemacht.
Nachdem Sie alle Tätigkeiten mit einer Hand machen, benötigt die nicht auch Entlastung?
ANDREAS ONEA: Im Prinzip habe ich durch den Sport einen ziemlich guten Ausgleich. Das Schwimmtraining selbst ist auch eine große Belastung für die eine Schulter und das mussten wir auch athletisch absichern. Ich habe sehr viel Krafttraining gemacht, damit die Schulter einfach sitzt und passt.
Woran mangelt es Ihrer Meinung nach gesellschaftlich in den Möglichkeiten für Menschen mit Körperbehinderung?
ANDREAS ONEA: Dadurch, dass ich keine Geheinschränkung habe, habe ich eine weniger offensichtlichere Behinderung und eine, die im Alltag nicht so einschränkt, weil ich nicht auf bauliche Maßnahmen angewiesen bin, damit ich irgendwo hineinkomme. Das ist sicher etwas, wo man noch viel machen muss.
Aber mich, als Mensch mit Behinderung in der Gesellschaft, betrifft einfach die Grundskepsis und Grundangst Menschen mit Behinderung gegenüber.
Wenn ich meine Kollegen im Schwimmverein hernehme oder meine Klassenkollegen, bin ich mir ganz sicher, dass die nie ein Problem im Umgang mit einem Menschen mit Behinderung haben, weil sie damit konfrontiert waren. Sie haben das selber erlebt, dass es vollkommen egal ist, ob ein Mensch einen Arm weniger hat oder nicht. Er ist genauso ein Mensch, und er kann genauso Dinge leisten.
Was wir gesamtgesellschaftlich verändern müssen, ist die Wahrnehmung. Es geht nicht um Mitleidsdenken, sondern darum, Chancengleichheit herzustellen.
Der Glaube spielt in Ihrem Leben eine zentrale Rolle. Wann haben Sie entdeckt, dass Ihnen dieser Kraft gibt, und wie zeigt sich dies in Ihrem Leben?
ANDREAS ONEA: Glaube ist für mich das Um und Auf, das, was mein Leben ausmacht. Den Glauben zum ersten Mal aktiv gesehen habe ich bei meinen Eltern. Beide sind sehr gläubig.
Vor allem nach dem Unfall haben mir meine Eltern immer dieses Gefühl der Hoffnung gegeben. Sie haben mir immer gesagt, alles wird gut, und wir werden dafür sorgen, dass das alles passt. Gott kümmert sich darum, dass das alles funktioniert.
Über die Jahre bin ich dann draufgekommen, dass nichts zufällig passiert. Ich habe dann gesehen, wie alle diese Dinge, die aus dem Unfall entstanden sind, ein unglaublicher Segen waren für mein Leben.
Der Glaube hat mir geholfen, dass ich verstanden habe, dass einfach etwas Größeres da ist, das mich leitet, dass Gott da ist, der mich begleitet, dass ich nicht alleine bin auf diesem Weg. Das ist einfach das, was ich gelernt habe, wo mir der Glaube einfach so viel Kraft gegeben hat.
Sie gehören einer rumänischen Pfingstchristengemeinde an. Was bedeutet das?
ANDREAS ONEA: Ich bin dort musikalisch aktiv, singe und helfe in der Technik. Das ist auch ein wenig ein Zurückgeben an die Gemeinde, die uns nach dem Unfall sehr unterstützte.
Ein aktives Gemeindeleben ist wichtig, weil man dort den Glauben auch in einem Rahmen ausleben kann, wo man gemeinsam mit Anderen für den Glauben etwas tun kann. Das ist total spannend und gibt mir viel Kraft.
zur Person
Andreas Onea ist österreichischer Schwimmer im Behindertensport.
Der 24-Jährige gewann drei Bronzemedaillen und eine Silbermedaille bei Welt- und Europameisterschaften.
2008 hielt er den Weltrekord über 50 Meter Brust auf der Kurzbahn.
2012 gelang es ihm, bei den Staatsmeisterschaften der Nichtbehinderten des Österreichischen Schwimmverbandes das B-Finale über 200 Meter Brust zu gewinnen.
Der Moderator des Behindertensport-Magazins „Ohne Grenzen“ auf ORF Sport+ studiert an der Wirtschaftsuniversität Wien.
2008 bei den Paralympics in Peking erreichte er Platz 6, 2012 in London Platz 4, jeweils über 100 Meter Brust.
Bei den Paralympics 2016 von 7. bis 18. September in Rio de Janeiro gewann er Bronze über 100 m Brust.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
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