Religion sollte dazu beitragen, "Menschen mildtätig, loyal und pflichtbewusst werden zu lassen, aber nicht sie gegeneinander aufhetzen", so der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber zur Haltung von Kaiser Franz Joseph.
Religion sollte dazu beitragen, "Menschen mildtätig, loyal und pflichtbewusst werden zu lassen, aber nicht sie gegeneinander aufhetzen", so der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber zur Haltung von Kaiser Franz Joseph.
Sein Verhältnis zu Glaube und katholischer Kirche beleuchten die Kirchenhistoriker Sohn-Kronthaler und Klieber.
Ein Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe anlässlich des Todes von Kaiser Franz Joseph I. am 21. November 1916 bringt das Nahverhältnis zwischen Katholischer Kirche und dem Kaiserhaus der Habsburger auf den Punkt: "Es ist ein durch die Jahrhunderte erprobtes heiliges Band, das Habsburgs Kaisergeschlecht mit der katholischen Kirche verbindet", formulierte der Prager Kardinal Leo Skrebensky, Vorsitzender der damals gerade in Wien tagenden Bischofskonferenz, im Namen des gesamten Episkopats.
In dem Nachruf der Bischöfe wurde - wie die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler anlässlich des Todestages von Franz Joseph vor 100 Jahren gegenüber "Kathpress" darlegte - die Frömmigkeit des 86-jährig verstorbenen Monarchen "idealisiert geschildert". Der Kaiser, der "demütig kniend, Sonntag für Sonntag beim heiligen Meßopfer betete", wurde wegen seiner eifrigen religiösen Praxis als das Vorbild für die Gläubigen schlechthin dargestellt.
Diese Loyalität nimmt nicht Wunder, oblag dem Kaiser doch die Ernennung fast aller Bischöfe und Domherrn in seinem riesigen Reich. Er sah in der Katholischen Kirche eine wichtige Stütze seiner Politik. Bereits die Ausverhandlung des Konkordates der Donaumonarchie mit dem Heiligen Stuhl überantwortete Franz Joseph einem Kleriker, dem er vertraute: seinem Philosophielehrer in jungen Jahren Joseph Othmar von Rauscher (1797-1875), der ab 1849 Fürstbischof erst von Seckau und danach von Wien wurde.
Das Konkordat wurde 1855 vom Kaiser an seinem Geburtstag unterzeichnet und beendete die Ära des Josephinismus in Österreich: Die Kirche bekam weitreichende Zugeständnisse wie die alleinige Zuständigkeit für Eherecht, Schule und Klerus. Als dieser Vertrag mit den liberalen Gesetzen Ende der 1860er Jahre ausgehöhlt und 1870 einseitig vonseiten Österreichs gekündigt wurde, hielt sich der Widerstand der meisten österreichischen Bischöfe unter dem Einfluss Kardinal Rauschers in Grenzen.
Auch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges änderte nichts an dem engen Band zwischen Kaiserreich und Kirche. "Die Bischöfe der Diözesen, die im heutigen österreichischen Staatsgebiet liegen, unterstützten das Herrscherhaus bis zum Ende des Krieges kritiklos", erklärte Sohn-Kronthaler. Der Wiener Metropolit Friedrich Gustav Piffl (1864-1932) ließ am Tag der Kriegserklärung an Serbien das "Kaiserliche Manifest" publizieren und fügte diesem ein Hirtenwort an, in dem es hieß: "... wo ist einer unter uns, der von der Gerechtigkeit und Notwendigkeit des unserm Friedenskaiser aufgezwungenen Krieges nicht vollauf überzeugt wäre?" Und noch im Dezember 1917 forderte der Linzer Bischof Gföllner in seinem Hirtenschreiben die Gläubigen zur fortwährenden Treue gegenüber der Dynastie auf: "Was wir bisher waren, wollen wir auch fortan bleiben: Habsburgs treue Söhne, Bannerträger der schwarz-gelben Reichsfahne, vertrauend dem siegreichen Doppeladler..."
Das Nahverhältnis zwischen dem Episkopat und den Habsburgern manifestierte sich auch in Ritualen und Zeremonien. Der Kaiser wurde bei allen Messen im Hochgebet memoriert. Franz Joseph gewährte den Bischöfen anlässlich ihrer Plenarversammlungen in Wien Audienz, diese versicherten ihm ihre "unentwegte Treue" und "nie wankende Anhänglichkeit" in Huldigungsadressen, die auch bei besonderen Ereignissen am Hof wie Geburtstagen, Jubiläen oder Eheschließungen verfasst wurden.
Umgekehrt demonstrierte Kaiser Franz Joseph seine religiöse Haltung an den Hochfesten des Kirchenjahres, z.B. in der prunkvollen Fronleichnamsprozession in der Wiener Innenstadt, laut Sohn-Kronthaler "eine spektakuläre Großdemonstration des Kaisers für den Katholizismus". Bemerkenswert auch die Fußwaschungszeremonie am Gründonnerstag, wo der Kaiser im Stephansdom die Rolle Jesu Christi einnahm: Er wusch zwölf ausgewählten alten armen Männern die Füße und bedachte sie mit Geschenken.
Die persönliche Religiosität Franz Josefs ist, wie der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber gegenüber "Kathpress" erläuterte - differenziert zu betrachten. Der schon 18-jährig zum Kaiser Gekrönte sei "in einem sehr bigotten familiären Umfeld" aufgewachsen, neben dem Theologieprofessor Othmar Rauscher gab es noch weitere einflussreiche Kleriker am Habsburgerhof. "Zeit seines Lebens zeigte Franz Josef denn auch ein ungeheucheltes religiöses Pflichtbewusstsein und einen ehrlichen Respekt vor kirchlichen Regelungen und Amtsträgern", so Klieber. Die zweifellos größte persönliche Tragödie seiner Regentschaft, den Selbstmord seines Sohnes und Thronfolgers Rudolf, bewältigte der Kaiser mit der Stiftung eines Sühneklosters in Mayerling, dem Ort der Tragödie.
Wie sein gesamtes Amtsgehabe blieb auch Franz Josefs Frömmigkeit Zeit der Regentschaft "pflichtbetont nüchtern und zeigte keinerlei Neigung zu Schwärmerei, Frömmelei oder ideologischem Sendungsbewusstsein", so die Einschätzung Kliebers. "Übertriebenen Eifer oder gar Fanatismus lehnte er ab." So habe er nie - wie sein Thronfolger Franz Ferdinand - eine weltanschaulich kämpferische Organisation wie den Katholischen Schulverein unterstützt oder - wie sein Nachfolger Karl - "eine beinahe bigotte Kirchlichkeit" zelebriert, die knapp einhundert Jahre später mit der Seligsprechung belohnt wurde. Auf Distanz blieb Franz Joseph sowohl gegenüber dem kämpferischen ultramontanen Katholizismus der Zeit wie auch der zuerst populistisch-antisemitischen christlichsozialen Bewegung: "Dem nachmals gefeierten Wiener Bürgermeister Karl Lueger verweigerte er anfänglich sogar mehrfach die Bestätigung."
Religion sollte dazu beitragen, "Menschen mildtätig, loyal und pflichtbewusst werden zu lassen, aber nicht sie gegeneinander aufhetzen", legte Klieber die Haltung des Kaisers dar. Das bewährte sich in der Donaumonarchie, die nicht nur ein Vielvölkerstaat, sondern auch ein multireligiöses Reich war: Nur zwei Drittel der Bevölkerung waren römisch-katholisch, ein Fünftel gehörte zu orthodoxen Kirchen, ein Zehntel war protestantisch; weitere fünf Prozent bekannten sich als jüdisch und mehr als ein Prozent als muslimisch.
"Die Monarchie setzte stärker als andere Großmächte auf die 'religiöse Karte'", befand der Wiener Kirchenhistoriker. Mit den liberalen Gesetzen der 1860er Jahre wurden auch die nicht-katholischen Konfessionen aufgewertet, insbesondere die jüdischen und evangelischen Gemeinden. Der Kaiser demonstrierte bei Stadtbesuchen allen örtlichen Religionsgruppen sein Wohlwollen und spendete auch großzügig für deren Schul- und Kirchenbauten. Im Gegenzug erwartete der Staat von den religiösen Amtsträgern Loyalität, eine ausgleichende Haltung und eine Unterstützung des Gemeinwohls über die partikularen Interessen der Volksgruppen hinaus. Mit dem Tod des vorletzten Habsburger-Monarchen 1916 erlitt die Idee von - auch religiös begründeter - Zusammengehörigkeit jenseits nationaler Grenzziehungen einen schweren Schlag.