Die „geistliche Ökumene“ ist eine Einladung an alle Getauften, zu den Quellen unseres gemeinsamen Glaubens vorzudringen und von den Brüdern und Schwestern in Ost und West zu lernen und mit ihnen unsere geistlichen Schätze zu teilen.
Die „geistliche Ökumene“ ist eine Einladung an alle Getauften, zu den Quellen unseres gemeinsamen Glaubens vorzudringen und von den Brüdern und Schwestern in Ost und West zu lernen und mit ihnen unsere geistlichen Schätze zu teilen.
Die „Weltgebetswoche für die Einheit der Christen“ (18.-25.1.) ruft die erste Aufgabe aller Christen in Erinnerung: für die Einheit zu beten. Ökumene-Experte Rudolf Prokschi im Gespräch.
Wie er das Stichwort „Ökumene“ einem Katholiken, einer Katholikin, in wenigen Sätzen erklären könne? Univ.-Prof. Rudolf Prokschi formuliert merksatzartig: „Die Spaltung unter den Christen ist ein ,skandalon’ (ein Skandal). Wir haben von Jesus den Auftrag eins zu sein, damit die Welt die Sendung Jesu erkennt (vgl. Johannesevangelium 17,21-23). Diesen Einsatz für die Einheit der Christen nennen wir Ökumene. Davon hängt auch unsere Glaubwürdigkeit ab.“
„Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils.“ (vgl.: Ökumenismus-Dekret UR 1).
Wie steht es gegenwärtig um die Erfüllung dieser „Hauptaufgabe“?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Seit der Beschlussfassung des Ökumenismus-Dekrets am 21.11.1964 hat sich sehr viel in Richtung Erfüllung dieser „Hauptaufgabe“ getan. Leider ist diese Erfolgsgeschichte für viele schon in Vergessenheit geraten bzw. überhaupt vor ihrer Zeitrechnung, weil sie erst nachher geboren wurden. Gewiss muss man zugeben, dass es immer wieder auch Rückschläge gab und die aktuelle Situation von manchen als Stillstand empfunden wird. Trotzdem: Z. B. der Besuch von Papst Franziskus in Lund (Schweden) im vergangenen Jahr war wieder ein einmaliges „Highlight“ in der jüngsten ökumenischen Geschichte.
In allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gibt es eine neue Suche nach der eigenen Identität. Was bedeutet das für das ökumenische Gespräch?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Es ist richtig, dass vor allem in den Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, stärker als noch vor 50 Jahren auf die eigene Identität, auf das eigene Profil geachtet wird. Dies kann sich natürlich auf dem ökumenischen Weg zur Einheit als Hindernis zeigen. Andererseits wollen wir als Ziel keinen christlichen „Einheitsbrei“, der sich letztlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner stützt. In der Ökumene braucht es durchaus profilierte Persönlichkeiten, die fest und kompetent in ihren jeweiligen Traditionen verankert sind und nicht ängstlich an kleinen Äußerlichkeiten festhalten müssen.
Erwarten Sie in der Ökumene noch Impulse? Oder herrscht Ermüdung, Stillstand, gar Eiszeit?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Ja, ich erwarte noch entscheidende Impulse in der Ökumene während meiner Lebenszeit und will mich dafür auch – mit meinen Möglichkeiten – einsetzen. Sonst würde ich meine Funktionen und Tätigkeiten im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich, in der Diözesankommission für Ökumenische Fragen und bei PRO ORIENTE zurücklegen. Dass es manchmal gewisse Ermüdungserscheinungen in der Ökumene gibt, ist m. E. selbstverständlich. Aber die gibt es auch in anderen Bereichen des christlichen Engagements.
Was ist für Sie das Ziel der Ökumene? Wohin soll die ökumenische Reise gehen?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Das letzte Ziel der Ökumene ist für mich zweifelsohne die Einheit aller, die auf den dreifaltigen Gott getauft sind. Dabei ist wichtig, dass diese Einheit in der eucharistischen Communio (Teilnahme an der einen Kommunion) zum Ausdruck kommt.
Was sagen Sie einem Christen gleich welcher Konfession, der davon überzeugt ist, dass das Trennende nur auf theologische Spitzfindigkeiten zurückzuführen ist?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Es gibt viele Unterschiede (auch theologische Spitzfindigkeiten) zwischen den christlichen Kirchen, die aber sicher nicht kirchentrennend sind. Oft betreffen sie die unterschiedliche pastorale Praxis, die sich in den verschiedenen Traditionen anders entwickelt hat. Was die theologischen Kernaussagen unseres gemeinsamen christlichen Glaubens (Inkarnation, Tod und Auferstehung Jesu) betrifft, so haben das die Konzilsväter von Nikaia (325) und Konstantinopel (381) im Großen Glaubensbekenntnis festgelegt; dieser Grundlagentext ist für alle Kirchen verbindlich.
Was ist heute – nach so viel Annäherung – noch der Knackpunkt zwischen Katholiken und Evangelischen? Die Eucharistie und damit auch die Sakramentenlehre? Oder die Frage nach dem Kirchen- und Amtsverständnis?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Nach meiner Ansicht ist die Frage nach dem Kirchen- und Amtsverständnis von entscheidender Bedeutung. Damit hängen auch das Eucharistieverständnis und die Sakramentenlehre zusammen. Es ist m. E. ein wesentlicher Unterschied, ob man von einer sakramentalen Weihe oder von einer Ordination spricht. Mit dieser Frage müssen sich auf jeden Fall die Experten beider Seiten noch intensiv beschäftigen.
Die „geistliche Ökumene“ wird als „Herzstück des Ökumenismus“ bezeichnet. Was ist darunter zu verstehen?
Univ.-Prof. Rudolf Prokschi: Gerade im Blick auf den christlichen Osten hat bereits das 2. Vatikanische Konzil von einer hohen Wertschätzung bezüglich der Liturgie und der Spiritualität gesprochen. Die „geistliche Ökumene“ ist eine Einladung an alle Getauften, zu den Quellen unseres gemeinsamen Glaubens vorzudringen und von den Brüdern und Schwestern in Ost und West zu lernen und mit ihnen unsere geistlichen Schätze zu teilen.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prokschi, Institut für Theologie und Geschichte des christlichen Ostens, Katholisch-Theologische Fakultät, Universität Wien.
Auf der Weltmissionskonferenz in Edinburgh im Jahr 1910 stellten alle Beteiligten übereinstimmend fest, dass die Spaltung der Christenheit das stärkste Hindernis für die Weltmission darstellt. Das war die Geburtsstunde der Ökumenischen Bewegung. Die katholische Kirche hat sich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil für die ökumenische Bewegung entschieden.
Eine Frucht der Ökumene ist die wiederentdeckte Geschwisterlichkeit aller Christen. Der erste Satz des Ökumenismus-Dekrets des Konzils aus dem Jahr 1964 lautet: „Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils.“ Seither ist die Ökumene Anliegen aller Päpste von Paul VI. bis hin zu Papst Franziskus.
Es gibt drei Bereiche der Ökumene: die Ökumene mit den altorientalischen und mit den orthodoxen Kirchen des ersten Jahrtausends, die wir als Kirchen anerkennen, dazu die Ökumene mit den Kirchengemeinschaften, die direkt – oder wie die Freikirchen indirekt – aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind und die ihr eigenes kirchliches Selbstverständnis entwickelt haben. Und schließlich die sogenannte dritte Welle, die charismatischen und pentekostalen Bewegungen.
Das Wichtigste ist, für die Einheit zu beten, inständig und ausdauernd zu beten, gerade in der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25. Jänner). Einheit ist nicht das Werk der Theologen, sondern Gottes Geschenk. Sie kommt zustande durch persönliche Bekehrung und durch äußere Reformen in allen Kirchen.
Regelmäßige gemeinsame Bibelarbeit, gemeinsame Glaubensseminare, gemeinsame karitative und soziale Aktionen, regelmäßige gemeinsame Wort- und Gebetsgottesdienste, Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe, beim Schutz des Lebens, der Schöpfung.
Viele Engagierte in der Ökumene haben die Erfahrung gemacht: „Das, was uns eint, ist weit mehr als das, was uns trennt.“
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