„Ich werde überleben!“ Damit motivierte sich die ungarische Jüdin Eva Mozes Kor.
„Ich werde überleben!“ Damit motivierte sich die ungarische Jüdin Eva Mozes Kor.
Eva Mozes Kor überlebte mit ihrer Zwillingsschwester Miriam die Gräuel von Auschwitz. Heute sieht sie sich nicht mehr als Opfer.
Eines der Bilder von der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jänner 1945 zeigt eine Gruppe von Kindern zwischen hohen Stacheldrahtzäunen. Die meisten von ihnen tragen die gestreifte Häftlingskleidung, auch die beiden kleinen Mädchen ganz vorne.
Es sind Eva Mozes und ihre Schwester Miriam, Zwillinge. Beide sind vom KZ-Arzt Josef Mengele für seine medizinischen Experimente missbraucht worden. Nur der Umstand, dass sie und ihre Schwester Zwillinge waren, ließen sie die Gräuel des Konzentrationslagers überstehen. Rund 1.500 Zwillingspaare überlebten die grausamen medizinischen Experimente mit Injektionen und vorsätzlich herbeigeführtem Fieber nicht.
Mozes Eltern und beide älteren Schwestern wurden in Auschwitz vergast. „Mich hat eines geprägt, das Überleben“, schildert Eva Mozes Kor, die später Michael Kor heiratete. Er ist ebenfalls Jude und Holocaustüberlebender.
Mehr als 70 Jahre später ist Eva Mozes Kor eine kleine Frau, die nur langsam mit Rollator vorankommt. Im Hotelzimmer in Wien liegen beim Bett viele Medikamente, die sie benötigt, um die Nachwirkungen der Experimente auszuhalten. Ihre Schwester Miriam verstarb 1993.
Eva Mozes Kor hat über ihre Erlebnisse als Kind in den Baracken von Auschwitz und dem Leben danach ein Buch geschrieben: „Die Macht des Vergebens“.
Eva Mozes Kor nimmt im Buch Stellung über eine Geste, die vor zwei Jahren für Schlagzeilen sorgte. In Lüneburg stand ein früherer Wachmann von Auschwitz, der damals 94-jährige Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Massenmord vor Gericht. Eva Mozes Kor hatte im Prozess geschildert, was sie in Auschwitz durchmachte. Gröning wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.
Nach der Urteilsverkündung ging sie auf Gröning zu, legte ihm ihre Hand auf die Schulter und sagte, sie vergebe ihm. Viele Holocaustüberlebende zeigten sich empört darüber.
Gegenüber dem SONNTAG unterstreicht Eva Mozes Kor: „Ja, alle waren überrascht, wie kann man diesem Menschen vergeben? Ich aber sage, wie kann jemand nicht vergeben, dann fühlt man sich selbst ewig als Opfer, daher habe ich meinen Tätern vergeben, nicht aber ihre Taten.“
Eva Mozes Kor macht eine längere Pause, Interviews sind anstrengend. Obwohl sie als Zeitzeugin nicht müde wird, über das Erlebte und den Umgang damit zu berichten, geht ihr die Erinnerung daran psychisch wie physisch nahe. Als sie sich wieder gefasst hat, ergänzt sie: „Ich habe realisiert, dass viele mein Vergeben nicht verstehen.
Aber ich habe das Recht frei zu sein, für mich ist Vergebung ein Akt der Selbstheilung.“ Ihre „Vergebung sei aber kein Vergessen“, betont sie. Eva Mozes Kor hat ihren Frieden geschlossen mit den Menschen, die ihre Familie ausrotteten und sie ermorden wollten.
Die ehemalige Immobilienmaklerin und zweifache Mutter lebt in Terre Haute im US-Bundesstaat Indiana. Eva Mozes Kor gründete mit ihrem Mann das CANDLES - Children of Auschwitz Nazi’s Deadly Lab Experiments Survivors, ein kleines Holocaust-Museum.
Wichtig ist ihr, dass die schrecklichen Taten der Konzentrationslager in Erinnerung bleiben, aber auch Antworten für die Gegenwart aufwerfen. Auf die Frage, was sie als das Wichtigste ansieht, damit Menschen nie wieder soviel Leid und Schrecken über Andere bringen, sagt Eva Mozes Kor: „Schenken Sie Ihren Kindern Liebe und lassen Sie sie glücklich aufwachsen, das sehe ich als das Wichtigste an“.
Eva Mozes Kor hören Sie am 25. Jänner um 17.30 Uhr auf radio klassik Stephansdom.
Eva Mozes Kor
2016, Benevento
Auflage: 1. Auflage
Übersetzt von Guido Eckert; Joy Hawley
Hardcover
236 Seiten
ISBN: 978-3-7109-0011-2
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
am 25. Jänner um 17.30 Uhr
in der Sendereihe "Perspektiven"
auf radio klassik Stephansdom.
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