Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel dient der Vernetzung, dem Informationsaustausch und dem gemeinsamen Erarbeiten von Vorschlägen zur Prävention von Menschenhandel und zur Unterstützung Betroffener bzw. Opfer.
Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel dient der Vernetzung, dem Informationsaustausch und dem gemeinsamen Erarbeiten von Vorschlägen zur Prävention von Menschenhandel und zur Unterstützung Betroffener bzw. Opfer.
Missstände aufzeigen und Politik Vorschläge für besseren Opferschutz liefern.
Opferschutzeinrichtungen und spezialisierte Nichtregierungsorganisationen sollen künftig mitentscheiden können, wer als Opfer von Menschenhandel anerkannt wird: Das ist der Wunsch der "Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel", die sich am Donnerstag, 19. Jänner 2017 in Wien den Medien vorgestellt hat.
Der neue, auf kirchliche Initiative entstandene Zusammenschluss von NGOs und Fachexperten will Missstände aufzeigen, sachliche Vorschläge zur Verhinderung von Menschenhandel bieten und die Lage Betroffener auch konkret verbessern, erklärte die Kriminologin und Plattform-Koordinatorin Katharina Beclin.
Politische und rechtliche Maßnahmen schützen weder wirksam vor Ausbeutung noch stellen sie die Interessen der Opfer in den Mittelpunkt, so die Einschätzung der Wiener Strafrechtlerin. Recht auf Aufenthalt und finanzielle Unterstützung gebe es nur für jene Opfern, die zur Aussage in einem Strafverfahren bereit sind, und auch dies nur bis zum Ende des Verfahrens. "Welches Opfer sagt gegen gefährliche Täter aus, wenn ihm nach Ende des Strafverfahrens die Abschiebung in das Herkunftsland droht, wo es Vergeltung befürchten muss?", hinterfragte Beclin.
Zudem sind viele der von Menschenhandel betroffenen Frauen eingeschüchtert und psychisch so schwer traumatisiert, dass sie gar keine Aussage mehr machen wollen oder auch können, legte Schwester Anna Mayrhofer von der Ordens-Initiative "Solwodi" für von Menschenhandel betroffene Frauen dar. "Teils sind ihre Aussagen für die Polizei nicht relevant, da sie Zeiten und Orte durcheinander bringen und somit vor Gericht als schlechte Zeuginnen gelten", schilderte die Ordensfrau.
Mit dem Wert ihrer polizeilichen Aussage verwirkten sich die betroffenen Frauen nach derzeitigem Gesetz auch den Anspruch auf einen Opferstatus mit damit verbundenen Rechten wie etwa auf Betreuung, Schutz und soziale Absicherung. Sie seien jeder anderen EU- oder Drittstaatsbürgerin bzw. Asylwerberin gleichgestellt, sagte Mayrhofer. "Unser Appell daher: Einschlägige NGOs sollen berechtigt sein, an der Identifizierung der Opfer von Menschenhandel mitzuwirken", so die Salvatorianerin. In anderen europäischen Ländern gebe es bereits positive Erfahrungen damit.
Einschlägige NGOs sollten deshalb eine Mitsprache bei der Zuerkennung der vollen Opferrechte erhalten, da die wahre Geschichte einer Person am besten durch die hier stattfindende kontinuierliche Vertrauensarbeit erzählt werde, sagte Sabine Kallauch von der Initiative "Herzwerk" der evangelischen Diakonie.
Ändern müsse sich vor allem die Frage der Aufenthaltsregelung, sagte Evelyn Probst von der Wiener Interventionsstelle "Lefö". Erst der Wegfall der ständigen Angst, abgeschoben zu werden, gebe den Opfern von Menschenhandel Zugang zu sicherer Lebensgrundlage und sei "sicherer Boden, um auch das Strafrechtliche zu regeln". Letzteres sei bei Menschenhandel ohnehin hochkomplex, wo Ausbeutung in sexueller Form, in Hausarbeit, Pflege und Altenbetreuung stattfinde, aber auch in Saisonarbeit, Landwirtschaft und Bau, zusätzlich zu den Formen von Missbrauch und Gewalt.
In eine völlig falsche Richtung zielt laut Probst das neue Fremdenrecht, dessen Begutachtung am Mittwoch endete. Gefährlich für Opfer von Menschenhandel sei besonders die vorgesehene Strafe von bis zu 15.000 Euro für illegalen Aufenthalt. "Aus unseren Erfahrungen werden Opfer oft nicht als solche erkannt, weil sie sich nicht trauen auszusagen oder aufgrund von Stereotypen. Entkommt etwa eine betroffene Frau in Italien ihrem Menschenhändler und flüchtet nach Österreich oder wird sie hierher weitergeschickt und von der Polizei kontrolliert, landet sie in Verwaltungshaft, sofern sie kein Geld hat. Es kann aber nicht sein, dass Betroffene Verantwortung tragen für das Verbrechen, das ihnen angetan wurde."
Am größten ist die Scheu vor der Aussage vor der Polizei bei Kindern, die in die Fänge von Ausbeutung und Menschenhandel geraten sind - auch, da oft Verwandte und Bekannte die Ausbeuter sind. "Der Handel mit Kindern steigt ständig, auch durch die jüngsten Migrationen", warnte Astrid Winkler von ECPAT. In Österreich gebe es bei diesem Problem besonderen Aufholbedarf, liege die Identifizierung von gehandelten Kindern doch hierzulande nur bei rund fünf Prozent - international sind es 15 Prozent. Die Expertin forderte ein umfassendes Sicherheitskonzept mit besserer Gefährdungseinstufung und geheimen, eigenen Schutzwohnungen für diese Kinder. Ein derartiges Konzept habe sich in den Niederlanden bewährt.
Die "Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel" gründete sich in zweijähriger Vorarbeit aus einer Initiative des Salvatorianer-Missionsprokurators Lukas Korosec mit Unterstützung von Barbara Filek von der Wiener Pfarrcaritas.
Auf einer eigenen Homepage - http://gegenmenschenhandel.at - sind eigene Positionspapiere zu Menschenhandels in Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung, Arbeitsausbeutung, Kinderhandel, Organentnahme, Bettelei und Begehung von Straftaten abrufbar. Mitglieder sind neben den bei der Pressekonferenz aufgetretenen Organisationen und Personen auch die NGOs "Footprint", "Hope for the future", der Katholische Akademikerverband Wien, die Katholische Frauenbewegung und die Caritas Wien.