Entela und ihr Sohn Armando, Tirana/Albanien: Entela arbeite jeden Tag von sieben Uhr abends bis fünf Uhr früh als Straßenkehrerin, sieben Tage die Woche, und das schon seit zwei Jahren ohne Unterbrechung.
Entela und ihr Sohn Armando, Tirana/Albanien: Entela arbeite jeden Tag von sieben Uhr abends bis fünf Uhr früh als Straßenkehrerin, sieben Tage die Woche, und das schon seit zwei Jahren ohne Unterbrechung.
Im ärmsten Viertel der albanischen Hauptstadt Tirana bietet das Tageszentrum "Eden" rund 150 Kindern und Jugendlichen tägliche Mahlzeiten, medizinische Betreuung und die Chance auf einen Schulbesuch. Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer hat das Zentrum und Roma-Familien in elenden Wohn- und Lebensverhältnissen besucht.
Das Tageszentrum "Eden" liegt im elften Bezirk der albanischen Hauptstadt Tirana, einem der mit Abstand ärmsten Vierteln der Stadt. Hier lebten vor allem sozial schwache Familien, darunter viele Roma, erzählt Zamira Musa, die Leiterin des Zentrums, beim Besuch von Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer. In dem kleinen zweistöckigen Haus werden rund 150 Kinder und Jugendliche und auch deren Eltern betreut. Die Kinder sind meist psychisch wie physisch angeschlagen, im Zentrum erhalten sie täglich eine warme Mahlzeit und bekommen psychologische Beratung. Die Kinder werden dabei unterstützt, Lesen und Schreiben zu lernen und das Zentrum stellt auch dringend benötigte Medikamente für die Kinder zur Verfügung. Jugendliche werden in eigenen Kursen "jobfit" gemacht.
Für die Eltern gibt es Informationsabende, u.a. darüber, welche sozialen Rechte sie haben und wo sie Hilfe von den Behörden erhalten können. Mobile Sozialarbeiterinnen besuchen zudem regelmäßig die Familien, sehen nach dem Rechten und geben Hilfe bei der Erziehung der Kinder und bei Hygienemaßnahmen.
Die Liste der Probleme in den Familien ist lang, wie Musa verdeutlicht: miserable Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit und daher keine regelmäßigen Einkommen, Gewalt, so gut wie keine Schulbildung. Viele Eltern würden ihre Kinder einfach nicht zum Schulbesuch anmelden, "und so wird die Armut von einer Generation zur nächsten weiter vererbt". Und genau hier will das Zentrum "Eden" mit finanzieller Unterstützung durch die Caritas aus Österreich den Teufelskreislauf durchbrechen. Auch wenn es gelingt, einige Kinder in Schulen unterzubringen, muss das Zentrum sie weiterhin unterstützen, denn die Eltern hätten kein Geld etwa für Schulbücher, sagt Musa.
Christoph Schweifer macht sich mit einer "Eden"-Sozialarbeiterin auf den Weg in eine Roma-Siedlung im elften Bezirk. Über verwinkelte und mit Schlaglöchern übersäte Lehmstraßen gelangen sie zu Kristina Idrizi und ihrer Großfamilie. Die 57-jährige Kristina hat fünf Kinder und sehr viele Enkelkinder. Sie steht vor ihrem Haus bzw. dem, was davon noch übrig ist.
Direkt am Ufer des Flusses Tirana, der durch das Viertel fließt, haben die Indrizis einige armselige Häuser gebaut, typisch für Roma-Großfamilien. Das jüngste Hochwasser hat eines der Häuser der Familie völlig zerstört, Hunde streunen über die zurückgebliebenen Schutt und Müllberge. Es stinkt.
"Wir konnten nichts mitnehmen, mussten Hals über Kopf die Häuser verlassen, als das Wasser kam", erzählt Kristina. Sie entschuldigt sich für die Szenerie, sie würden es ohne Unterstützung der Behörden einfach nicht schaffen, das Chaos zu beseitigen, sagt sie. Ihr Mann sei schwer krank.
Überleben ist für die Familie kaum möglich. Sie bekomme 3.000 Lek (knapp 22 Euro) Pension, erzählt Kristina. Aber allein die monatliche Stromrechnung mache rund 4.000 Lek aus. Also muss sie sich mit Müllsammeln ein Zubrot verdienen.
Das wird in Zukunft freilich immer schwieriger, denn die Stadt Tirana hat im vergangenen Jahr ein Sammel- und Verkaufsverbot von recyclebaren Gütern erlassen, vorerst nur im Stadtzentrum, demnächst aber auch in den Außenbezirken. Eine der letzten Einnahmequelle für arme Menschen fällt damit in absehbarer Zeit weg, zum Zug kommt dafür eine private Firma.
Ein Teil der Häuser der Idrizi-Familie steht noch. Bis zum nächsten Hochwasser. Und das kommt bestimmt. Einer ihrer Söhne habe Angst, und wolle nicht mehr hier wohnen, erzählt Kristina. Deshalb sei er mit seiner Frau und seinen Kindern, eines davon schwer krank, nach Deutschland gegangen, um Asyl zu beantragen.
"Wir raten den Menschen natürlich davon ab, nach Deutschland oder in andere Länder zu gehen, und wir haben ihnen schon tausend Mal gesagt, dass sie keine Chance auf Asyl haben", sagt "Eden"-Leiterin Zamira Musa, von Christoph Schweifer mit dem Fall konfrontiert. Das nütze oft aber nichts. Die Menschen würden es trotzdem versuchen.
Erst vor kurzem seien sieben Familien wieder aus Deutschland zurückgeschickt worden, berichtet Musa. Drei davon seien inzwischen aber schon wieder Richtung Frankreich aufgebrochen. Ihre Chancen sind gleich Null, doch wer kann es den Menschen angesichts der elenden Not und fehlender Zukunftsperspektiven verdenken.
Was Kristina nicht sagte, aber nur allzu offensichtlich ist: Die kleine Roma-Siedlung wurde illegal errichtet und befindet sich in einem Überschwemmungsgebiet. Das betont auch Andi Seferi, der Vizebürgermeister von Tirana. Die Stadt sei gerade dabei, den Fluss zu regulieren, 60 betroffenen Familien seien bereits umgesiedelt worden in Wohnmöglichkeiten am Stadtrand. Und das alles auf Kosten der Stadt, sagt der Politiker. Die finanziellen Mittel der Stadt sind freilich beschränkt.
Die Behörden kommen bei Kristina nicht gut weg. Die Hilfe nach dem Hochwasser sei lächerlich gewesen. Für das Tageszentrum "Eden" hat sie hingegen nur lobende Worte. Viele ihrer Enkelkinder würden dort betreut, und dort habe die Familie auch nach dem Hochwasser kurzfristig übernachten können.
Nach Kristina besucht Christoph Schweifer noch die 38-jährige Entela. Sie lebt in einer schäbigen kleinen Mietwohnung. Auch sie könne nur Gutes über "Eden" berichten, so die geschiedene Roma-Frau, die vier Söhne hat. Der älteste ist bereits außer Haus, die drei anderen muss Entela noch versorgen, was ohne "Eden" unmöglich wäre. "Die Kinder bekommen zu Essen, werden medizinisch betreut, und ich muss mir keine Sorgen machen, weil ich weiß, dass sie gut untergebracht sind", sagt sie.
Sorgen hat die Frau freilich auch so genug. Sie arbeite jeden Tag von sieben Uhr abends bis fünf Uhr früh als Straßenkehrerin, sieben Tage die Woche, und das schon seit zwei Jahren ohne Unterbrechung, berichtet sie. Dafür bekomme sie 19.500 LEK (140 Euro) im Monat, den gesetzlichen Mindestlohn. Das reiche freilich für die Miete und alle anderen Kosten nicht aus. Umgerechnet rund 1.500 Euro Schulden hat Entela angehäuft und keine Ahnung, wie sie die jemals zurückzahlen soll. (In Albanien gibt es für Kinder grundsätzlich keine Unterstützung wie etwa in Österreich mit der Familienbeihilfe.)
Dazu kommen noch große Sorgen um ihren Jüngsten, den sechsjährigen Armando. Er hat Epilepsie. Ohne das Tageszentrum wüsste Entela nicht mehr ein und aus. Und sie hofft sehr, dass es mithilfe des Zentrums gelingt, dass Armando im nächsten Jahr die Schule besuchen kann.
"Wir sind nicht irgendwo sondern mitten in Europa", resümiert Christoph Schweifer inmitten der Müll- und Schuttberge am Rand des Roma-Viertels. Selten habe er so viel Armut und Hoffnungslosigkeit gesehen. Zugleich gebe es aber auch hier, im ärmsten Viertel Tiranas, "zarte Pflänzchen der Hoffnung". Dank Einrichtungen wie "Eden", dank engagierter Menschen wie Zamira Musa und dank der Unterstützung der Spender aus Österreich. Und wenn diese Unterstützung anhält, dann hat auch Armando die Chance auf ein besseres Leben in der Zukunft.
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