Ex-Skiweltmeister David Zwilling: "Gehen ist die Geschwindigkeit, bei der die Seele auch noch mitkommt."
Ex-Skiweltmeister David Zwilling: "Gehen ist die Geschwindigkeit, bei der die Seele auch noch mitkommt."
Früher war er Skirennläufer. Heute ist David Zwilling, der Abfahrtsweltmeister von 1974 in St. Moritz, als Pilger mit einer anderen Geschwindigkeit unterwegs.
Am 6. Februar beginnt die Alpine Skiweltmeisterschaft in St. Moritz. Der Kurort im schweizerischen Oberengadin ist zum fünften Mal Austragungsort der alpinen Wettbewerbe. Für den Salzburger David Zwilling aus Abtenau wurde die Weltmeisterschaft 1974 zum Höhepunkt seiner Skiläuferkarriere. "Ich hatte bereits mit meinem zwölften Lebensjahr, in dem ich die Landesschülermeisterschaften gewonnen habe, den inneren Drang und Wunsch, wie Toni Sailer Skirennfahrer zu werden und einmal auf dem Siegerstockerl zu stehen. Dass so ein Traum in Erfüllung geht, mit einer Goldmedaille im Abfahrtslauf und Silber im Slalom in St. Moritz und davor der zweite Platz im Gesamtweltcup 1972/73 ist natürlich ein Geschenk." Seinen großen Vorsprung von 1,03 Sekunden hat kein Weltmeister in der Abfahrt nach ihm je erreicht.
Hohe Geschwindigkeiten gehören zum Skisport und begleiteten stets das Leben von David Zwilling. "Dieses Gefühl der Geschwindigkeit und das Sichbewegen mit den Schiern in der Natur ist schon etwas Besonderes. Mit zwei Bretteln auf den Pisten herunterzuflitzen und das Gelände im Griff zu haben, zu reagieren und agieren auf das, was da kommt, ist auch heute noch ein tolles Erlebnis." Heutzutage kennt der ehemalige Skirennläufer als Pilger auch ein anderes Tempo: "Gehen ist die Geschwindigkeit, bei der die Seele auch noch mitkommt. Beim Gehen hat man die Möglichkeit, Dinge zu spüren, Zugang zur Seele zu bekommen: Wer bin ich, woher komme ich und wohin gehe ich?"
David Zwilling ist ganz und gar überzeugt, dass ihm Gott die Fähigkeiten des Skifahrens und das Beherrschen von Geschwindigkeit mitgegeben hat. Der Glaube spielte in seiner Kindheit eine große Rolle. "Beide Eltern waren gläubig. Der Glaube hat uns immer begleitet. Glauben heißt für mich nicht nur kirchlich gläubig, sondern gottgläubig und glauben an die Bestimmung. Jeder Mensch als Individuum ist einzigartig. Die Aufgabe, die wir mitbekommen haben, zu erkennen und das letztendlich auch zu leben, macht glücklich und zufrieden." Sein Dienst als Ministrant war nicht von langer Dauer, wie er gesteht. "Da war ich wenig erfolgreich, weil ich wenig zu Hause war. Mit dem Skifahren habe ich in der Schülerzeit begonnen, am Wochenende waren wir einfach viel unterwegs."
St. Moritz 1974: David Zwilling im Ziel nach dem Slalomlauf, den er als Zweiter beendete. Und der von den Menschenmenge gefeierte Weltmeister, der mit der Startnummer 3 die Abfahrt gewann.
Auf die Frage, ob es denn Mut brauche, einen steilen Abfahrtshang hinunterzufahren, sagt er: "Das war kein Thema. Wenn es deine Berufung ist und es dir im Blut liegt, dann ist das die schönste Begeisterung. Ich bringe immer diesen Vergleich: Wenn ich als Ackergaul geboren wurde, muss ich hinter mir einen Wagen nachziehen. Wenn ich ein Rennpferd bin, muss ich schnell laufen."
Ein öffentliches Kreuzzeichen hat David Zwilling nie vor einem Rennen im Starthaus gemacht. "Immer wenn ich mich in der Früh aufwärmen gegangen bin und ich habe irgendwo eine Kirche gefunden, bin ich kurz hineingegangen.Ich habe mich dann in diese Dankbarkeit versetzt, dass ich das alles machen darf. So hat mich der Heilige Geist auch immer beschützt."
Nach seiner aktiven Rennzeit kümmerte sich er um die Nachwuchstalente im alpinen Skisport. Er hat gemeinsam mit der Zeitung "Kurier" einen Talente-Cup entwickelt. Bei den Rennen ist ihm auch Marcel Hirscher, der Bub aus der Nachbargemeinde Annaberg, aufgefallen. "Von daher kenne ich den Marcel und seinen Vater. Ich habe die Professionalität, die sie einsetzen, und die Leistungen, die Marcel heute gemeinsam im Team mit seinem Vater und der Skifirma erbringt, immer bewundert."
David Zwilling war und ist seit seinem Ausstieg aus dem Rennsport als Unternehmer tätig. "Ich träume von einer besseren gerechteren Welt, in der klein -und mittelständische Unternehmer und überhaupt der Mensch mit seinen Fertigkeiten sich im Wirtschaftssystem einbringen kann und darf." Wie die Vision zur Wirklichkeit kommen kann, erklärt Zwilling so: "Wir wollen strategische Regionen gründen. Eine davon ist jetzt der Bezirk Neusiedl am See im Burgenland mit 27 Gemeinden. Es geht darum zu überlegen, wie können wir Wertschöpfung und Lebensqualität gemeinsam fördern."
Seine enge Beziehung zum Heiligen Land hat für Zwilling mit seiner Pilgerreise, die er gemeinsam mit der Pfarre Gars am Kamp im Jahr 2009 unternahm, begonnen. Im darauffolgenden Jahr hatte er bei einem Seminar in Kärnten eine Begegnung, die er selbst als Fügung bezeichnet. Er lernte die Polizisten Johannes Aschauer und Otto Klär kennen, die ihm von ihrem Plan, von Oberösterreich nach Jerusalem zu pilgern, berichteten. "In drei Wochen geht es los, sechs Monate dauert die Wallfahrt, 4.500 Kilometer Fußmarsch." David Zwilling war gleich begeistert: "Wenn ihr mich mitnehmt, dann gehe ich gerne mit." Aber was hat er da den beiden zugesagt? Wieder zuhause in Abtenau kamen doch bei ihm Zweifel auf, sich dieser Pilgerreise anzuschließen. Aber ein Ereignis veränderte alles. Kurz vor dem Abmarsch, eineinhalb Wochen zuvor, erhielt er von seinem Sohn Mike einen verzweifelten Anruf. David Zwillings zwei Monate alte Enkeltochter Nora wurde in einem Einkaufszentrum in Salzburg aus dem Kinderwagen heraus entführt. "Da wurde mir ganz klar, dass der Weg nach Jerusalem nun der richtige für mich ist. Entweder gehe ich mit einer Bitte oder in Dankbarkeit." Nach sechs Stunden wurde die kleine Nora auf bayerischem Gebiet unversehrt gefunden. "Der Weg wurde zum Geschenk. Jedes Mal, wenn es anstrengend wurde, habe ich gesagt: 'Danke, dass ich gehen darf.'" Über seine Weggefährten sagt Zwilling: "Wir sind als Fremde weggegangen und als Freunde nach Hause gekommen." Und die drei Pilger haben nach ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Land 2012 ein neues Projekt initiiert, den Jerusalemweg als internationalen Friedensweg. "Er führt vom Westen aus entlang des Jakobsweges über das Herz Europas nach Jerusalem, zum Ursprung. Er soll Religionen, Regionen und Völker verbinden und Brücken bauen. Denn wir sind alle Brüder und Schwestern."
Knapp vor dem Ziel "Jerusalem": David Zwilling (rechts) mit seinen Weggefährten Johannes Aschauer und Otto Klär.
David Zwilling denkt schon wieder weiter. Er plant die Errichtung von Friedensbildstöcken entlang der 800 Kilometer des österreichischen Abschnittes des Jerusalemweges, von Rankweil i n Vorarlberg nach Nickelsdorf im Burgenland. "Auf der einen Seite des Bildstockes ist der barmherzige Jesus zu sehen, auf der anderen die Madonna von Fatima. Am 13. Mai, dem Jahrestag der ersten Erscheinung der Muttergottes in Fatima vor 100 Jahren, wird der erste Bildstock in Großgmain bei Salzburg aufgestellt."
David Zwilling wurde am 24. August 1949 in Abtenau, Salzburg geboren. Er startete von 1969 bis 1975 im Skiweltcup, gewann zwei Riesenslaloms und belegte 1973 den zweiten Platz im Gesamtweltcup. Seine größten Erfolge feierte er bei der Weltmeisterschaft 1974. Er wurde Weltmeister in der Abfahrt und gewann die Silbermedaille im Slalom.
Zwilling ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seit Ende seiner aktiven Sportlerkarriere ist er als Gründer und Leiter mehrerer Unternehmen tätig. 1999 wurde er mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.