Den Wiener Seelsorgern geht es überraschend gut. Ihre Arbeitszufriedenheit liegt genau im Bevölkerungsschnitt, das Burnout-Problem ist im Berufsvergleich eher gering. Am besten ist die Gesundheit bei jenen Seelsorgern, die im Team arbeiten.
Den Wiener Seelsorgern geht es überraschend gut. Ihre Arbeitszufriedenheit liegt genau im Bevölkerungsschnitt, das Burnout-Problem ist im Berufsvergleich eher gering. Am besten ist die Gesundheit bei jenen Seelsorgern, die im Team arbeiten.
Für die Studie hatten im Herbst 2016 alle 1.361 hauptamtlichen Seelsorger der Erzdiözese Wien einen Fragebogen zugesandt bekommen.
Nicht die Größe einer Pfarre bestimmt über die Zufriedenheit, Gesundheit und Belastbarkeit der dort tätigen Seelsorger, sondern vielmehr das "Klima vor Ort", zu dem besonders Wertschätzung und Zusammenarbeit zählen: Das besagt eine umfangreiche Studie der Erzdiözese Wien, die am Freitag, 17. Februar 2017, rund 500 kirchlichen Amtsträgern in der Wiener Aula der Wissenschaften präsentiert wurde.
Generalvikar Nikolaus Krasa, Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel und Studienleiter Prof. Christoph Jacobs informierten vorab im Rahmen eines Pressegesprächs über die Ergebnisse der Erhebung, deren Hintergrund die Wiener Diözesanreform ist.
Für die Studie hatten im Herbst 2016 alle 1.361 hauptamtlichen Seelsorger der Erzdiözese Wien - also Priester, Ordenspriester in diözesaner Funktion, Diakone sowie auf Seite der Laien Pastoralassistenten, Krankenhausseelsorger und Jugendleiter - einen Fragebogen zugesandt bekommen.
55 Prozent beantworteten diesen, wobei die Ergebnisse auch für die Nicht-Teilnehmer "verlässlich und repräsentativ" seien, erklärte Studienleiter Jacobs. Zentral ging es um die Lebens- und Arbeitssituation der Seelsorger - "jener Menschen, die unsere wichtigsten Akteure im derzeitigen Wandel sind", wie Prüller-Jagenteufel betonte.
Den Wiener Seelsorgern geht es überraschend gut, lautet ein zentrales Ergebnis. Ihre Arbeitszufriedenheit liegt demnach genau im Bevölkerungsschnitt, das Burnout-Problem ist im Berufsvergleich eher gering. Am besten ist die Gesundheit bei jenen Seelsorgern, die im Team arbeiten, erst recht, wenn sie ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt sind und im persönlichen Leben besonderes Augenmerk auf Spiritualität haben. Letzteres bezeichnete Jacobs als wichtigsten "Hebel" der Zukunft für positive Veränderungen bei der Lebenszufriedenheit der Seelsorger oder auch für ihre Identifikation mit dem Beruf.
Dennoch sprach Jacobs von einigen "neuralgischen Punkten": Priester und Diakone seien im Durchschnitt leicht übergewichtig und machten zu wenig Sport. Was den Alkoholkonsum betrifft, sollte jeder vierte Seelsorger mit dem Arzt reden, ob nicht ein Suchtproblem bestehe, verdeutlichte der Pastoralpsychologe und -soziologe. Es handle sich hier um ein "Berufsrisiko", zumal sich für Seelsorger zu viele Gelegenheiten des Essens oder Trinkens ergäben. "Coaching und eine Gesundheitsinitiative wäre hier sinnvoll", empfahl der Experte aus Paderborn.
72 Prozent der Wiener Priester gaben an, sie empfänden den Zölibat für die eigene Person und auch für ihren Dienst "hilfreich" - was ein deutlich höherer Wert ist als in deutschen Diözesen, in denen Jacobs im Vorjahr die gleiche Studie durchgeführt hatte. 25 Prozent der Priester sprachen von der Verpflichtung zur Ehelosigkeit allerdings als "Belastung". Anders als bei den Priestern bewerteten die in der Seelsorge tätigen Laien Ehe und Familie eher als Belastung für die Pastoralarbeit.
Kritik der Befragten wurde besonders hinsichtlich der eigenen Organisation Kirche laut. "Wenn es um Zukunftsstrategien, Prioritäten oder die Langfristigkeit der Entscheidungen geht, so haben viele die Skepsis, dass die Erzdiözese die Herausforderungen der Zukunft meistern wird", sagte Studienleiter Jacobs. Dieses große Problem zeichne sich in den deutschen Diözesen ebenso ab; vergleichsweise deutlich positiver beurteilten die Wiener Seelsorger, wie sich ihre Diözese um deren Mitarbeiter kümmert.
Ein Spezifikum für die Erzdiözese Wien sei auch, dass besonders viele Seelsorger aus anderen Kulturen tätig seien, erklärte Jacobs. Spannungen ergäben sich daraus besonders hinsichtlich des Bildes der Priester, von denen manche eine "ganz starke Position" wünschten, während andere wiederum die Gläubigen als Hauptakteure sähen. "Diese Haltungen miteinander ins Gespräch zu bringen ist eine große Herausforderung", so Jacobs. Detailauswertung einer vorangegangenen Studie über die Seelsorger in 22 deutschen Diözesen, deren Ergebnisse sich laut dem Forscher in den meisten Aspekten mit jenen aus Wien decken, werden in im März als Buch veröffentlicht.
Keine direkten Auswirkungen auf die Zufriedenheit und Gesundheit, aber dennoch enorme Relevanz für den Berufsalltag hat die laufende Diözesanreform in Wien, die vor fünf Jahren - mit den Schlagworten "Mission, Jüngerschaft und Strukturwandel" - gestartet wurde. Der Veränderungswunsch in der Erzdiözese Wien sei "sehr stark", zugleich sei jedoch auch die Skepsis speziell über die Änderungen in den Pfarrstrukturen mit 50 Prozent weit verbreitet, befand Jacobs. Laienseelsorger seien hier aufgeschlossener als Priester. Bei den Priestern betrage die gänzliche Ablehnung des Reformprozesses 22 Prozent. Allgemein herrsche der Eindruck vor, die Diözese stehe "erst am Anfang eines Prozesses, bei dem noch viel zu tun ist".
Hinsichtlich der Einstellung zur Diözesanreform machte der Studienleiter drei große Gruppen aus: Die beiden größten seien mit 40 Prozent Anteil zunächst die "liberalen Strukturkonservativen", die Reformen zwar bejahten, dabei aber Pfarrstrukturen erhalten wollten, sowie mit 38 Prozent die "idealisierenden Reformer", die jeder Reform zustimmten. Die 21 Prozent der "klassischen Bewahrer" seien hingegen bemüht, "das zu erhalten, was ihnen wichtig ist", sagte Jacobs.
"Das nötige Moment für die Bewegung einer großen Organisation ist weit überschritten", befand Generalvikar Krasa über den aktuellen Stand der Diözesanreform. Der administrative Umbau sei vergleichbar mit jenem des Wiener Stephansplatzes, der das Passieren kurzfristig mühsam mache. Die "Rüttelstrecke" gelte es jedoch hinter sich zu legen, "vor allem durch Reden und Kommunizieren". Hoffnungsvoll machten ihn dabei Erfahrungen aus der jüngsten "Pfarre Neu" im 4. Wiener Gemeindebezirk, wo sich eine sehr kritische Grundhaltung in Aufbruchsstimmung und Zufriedenheit gewandelt habe, so der Generalvikar.
Aus den Ergebnissen folgerte Generalvikar Krasa zudem, dass es besonders in der Zusammenarbeit der "Zentrale" mit den Seelsorgern noch Verbesserungspotenzial gebe. Die Studie lege zudem nahe, das bestehende Angebot zu geistlicher Vertiefung und Exerzitien ebenso noch weiter auszubauen wie auch Hilfestellungen zum Schutz der Gesundheit der Seelsorger. Bestätigt sehe man die Grundannahmen des diözesanen Entwicklungsprozesses, besonders was das Teamwork, den "charismenorientierten Einsatz" sowie die Schaffung größerer Einheiten betreffe.
Der Generalvikar kündigte an, dass die Studienergebnisse nach einer ersten Präsentation von elf "Thesen" noch detaillierter ausgewertet und auf Ebene der verschiedenen Seelsorger-Berufsvertretungen diskutiert werden. Die Erzdiözese sehe die Zahlen als belastbare Basis für konkrete Maßnahmen, auch was Veränderungen in der Priesterbegleitung und Personalentwicklung betreffe. Ziel müsse es sein, "vor Ort gut funktionierende Seelsorgeteams zu haben, die mit den Gemeinden tätig sein können", so Krasa.
Berichte über die Seelsorgestudie zum nachhören:
Diözesaner Entwicklungsprozess APG2.1