Ein Jahr lang bereiten sich die Taufwerberinnen und Taufwerber auf ihre Taufe vor.
Ein Jahr lang bereiten sich die Taufwerberinnen und Taufwerber auf ihre Taufe vor.
254 Erwachsene erhielten gestern nach intensiver Vorbereitungszeit in der Erzdiözese Wien die Zulassung für die Taufe. Damit zeigen die Erwachsenentaufen einen starken Aufwärtstrend. Die Taufwerber kommen aus vielen verschiedenen Ländern, die größte Gruppe aus dem Iran.
Einen sprunghaften Anstieg bei erwachsenen Taufwerbern verzeichnet die katholische Erzdiözese Wien. 254 Frauen und Männer nahmen am gestrigen Donnerstag an der Zulassungsfeier mit Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in Wien teil, das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr (2016: 121).
Bei der Zulassungsfeier erhalten die Taufbewerber („Katechumenen“) nach einer mindestens einjährigen Vorbereitungszeit („Katechumenat“) die bischöfliche Erlaubnis zur Taufe.
Die Feier am Donnerstag, 2. März 2017, fand aus Diskretionsgründen nichtöffentlich statt. Nicht wenige Taufbewerber, vor allem aus dem Iran, aber auch aus anderen muslimischen Ländern, fürchten Repressalien gegen ihre Angehörigen zuhause, sollte ihre Konversion zum Christentum bekannt werden.
Kardinal Schönborn sprach bei der Feier von "einem großen und bewegenden Tag für die Kirche von Wien". Dass heute 254 Menschen sagten, "dass sie Christus nachfolgen und in seiner Gemeinschaft leben wollen", sei "auch ein Ruf an uns - die wir das Glück und Privileg haben, von Kind an im Glauben aufzuwachsen, aber vielleicht vergessen haben, wie kostbar das ist".
Die Leiterin des Erwachsenenkatechumenats der Erzdiözese Wien, Friederike Dostal: „Noch nie hatten wir in unserer Diözese eine so große Zahl Erwachsener, die getauft werden wollen. Die Freude ist groß!“ Von den 254 Katechumenen aus 19 Nationen haben rund 80 Prozent islamischen Hintergrund, die meisten der anderen Taufwerber sind ohne Religion aufgewachsen. Die größte Gruppe der Taufwerber kommt aus dem Iran, gefolgt von Afghanistan und Österreich. Taufwerber stammen auch aus Fernost (Japan, Korea, China), anderen europäischen Ländern (z.B. Kroatien, Deutschland, Lettland, Russland, Tschechien) und Afrika (Uganda, Somalia, Nigeria).
Taufwerber ohne Sicherheitsbedenken beim Gruppenfoto.
Wie Dostal erklärt, haben vor allem viele Iraner, aber auch Menschen aus Afghanistan oder dem Irak, schon in ihrer Heimat das Christentum kennengelernt. Weil sie dort aber oft als Taufwerber angefeindet oder bei Religionswechsel gar mit dem Tod bedroht sind, sind sie nach Europa geflüchtet. Unter ihnen etwa ein Taufwerber, der sich für das Christentum zu interessieren begann, als er in einem Fitnessstudio einem assyrischen Christen begegnete, der beim Trainieren die Bibel hörte. Nachdem er Kontakt zu einer christlichen Gemeinde aufgenommen hatte, wurde er verhaftet und im Wiederholungsfall mit 15 Jahren Gefängnis bedroht, worauf er heimlich das Land verließ.
Andere Taufwerber, so Dostal, hätten erst in Österreich das Christentum näher kennengelernt. Manche Flüchtlinge seien beeindruckt worden von der Haltung, die ihnen katholische Helfer entgegengebracht hätten. Daneben gebe es auch Ausländer, die zum Studium in Österreich sind. Viele begegnen im Christentum auch einer Religion, die weit mehr Freiheit kennt, als sie im religiösen Regime ihrer Heimat erfahren haben. „Was mich aber am meisten beeindruckt ist, was für eine tiefe Beziehung diese erwachsenen Taufwerber zu Jesus Christus entwickeln, den viele von ihnen ganz existenziell als ihren Erlöser erleben.“
Das betrifft auch jene Taufwerber, die aus Österreich oder anderen europäischen Ländern kommen und meist in religionslosen Familien aufgewachsen sind. Manche sind in einer katholischen Schule zum christlichen Glauben gekommen, manche durch Freunde oder Partner, manche durch die Lektüre der Bibel.
Allen gemeinsam, darauf legt Dostal Wert, ist eine gründliche, mindestens ein Jahr dauernde Vorbereitung. Dabei geht es sowohl um christliches Grundwissen als auch um ein Hineinwachsen in ein Gemeinde und die katholische Alltags- und Feierkultur. Dostal: „Diese sehr sorgfältige Vorbereitung ermöglicht es dem Taufwerber und auch uns und den Gemeinden zu erkennen, ob der Wunsch, Christ zu werden, echt ist oder nur eine Nützlichkeitserwägung.“ Immer wieder müssten Taufwerber deswegen abgewiesen oder zurückgestellt werden oder müssten mit erweiterter Vorbereitungszeit rechnen, wenn Zweifel an der Echtheit ihrer Berufung zum Christen bestünden.
Die Taufen selber finden in den kommenden Monaten in den 67 Pfarren und Gemeinden statt, in denen die Katechumenen vorbereitet wurden. Der traditionelle Rahmen für eine Erwachsenentaufe ist die Osternacht (die Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag). In dieser Nacht feiert die Kirche, dass Jesus Christus durch Kreuzestod und Auferstehung die Menschheit erlöst und ihr den Himmel geöffnet hat. Da die Taufe den Eintritt in diese Erlösung bedeutet, war in der Urkirche die Osternacht der einzige Tauftermin im ganzen Jahr. Heute ist sie immer noch der bevorzugte Zeitpunkt für erwachsene Taufwerber, die in dieser Nacht Taufe, Firmung und Erstkommunion feiern. Ein anderer beliebter Tauftag ist der Christkönigssonntag, der letzte Sonntag vor dem Advent.
Mit rund 260 Taufwerbern ist die Zahl der Erwachsenen, die in der Erzdiözese Wien in den kommenden Wochen getauft werden, noch klein im Vergleich zum traditionellen Eintritt in die katholische Kirche: der Taufe im Säuglingsalter. Für heuer werden in der Erzdiözese rund 9.000 Kindertaufen erwartet. Während die Zahl der Kindertaufen stagniert, steigt die Zahl der Erwachsenentaufen kontinuierlich an. Im Jahr 2015 gab es 112 Taufen von Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren. Im Jahr 2013 waren es 81 und im Jahr 2011 erst 72.
Etwa zwei Drittel der Taufwerber leben in der Stadt Wien, ein Drittel im niederösterreichischem Teil der Erzdiözese. Drei Viertel sind jünger als 35, mehr als zwei Drittel sind Männer.
Die Taufe, auch die Erwachsenentaufe, muss von anderen Arten des Eintritts in die katholische Kirche unterschieden werden, vom Wiedereintritt und vom Übertritt aus einer anderen christlichen Kirche (etwa einer der evangelischen oder orthodoxen Kirchen):
Da jede christliche Taufe von der katholischen Kirche als Bekenntnis zu Jesus Christus und damit als Eintritt in die Gemeinschaft aller Christen gesehen wird, muss sich ein bereits evangelisch oder orthodox getaufter Christ nicht noch einmal taufen lassen, wenn er katholisch werden möchte. Man spricht hier vom Übertritt. Er kann grundsätzlich im Rahmen eines Gottesdienstes, aber auch in einem kleineren Feierrahmen vollzogen werden. Auch dem Übertritt geht eine sorgfältige Vorbereitungszeit voraus, aus praktischen Gründen manchmal gemeinsam mit den Taufwerbern.
Auch Menschen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind und wieder eintreten möchten, werden nicht noch einmal getauft. Ihre Taufe gilt für das ganze Leben. Wiedereintretende klären in einem Gespräch - in der Regel mit ihrem Pfarrer – die Gründe für ihren Austritt und den Wunsch, wieder offiziell zur Kirche zu gehören, ab und legen gemeinsam fest, ob es noch weitere Vorbereitungsschritte braucht. Auch der Wiedereintritt kann in einem Gottesdienst oder in kleinem Rahmen gefeiert werden. Im Jahr 2015 sind in der Erzdiözese Wien 1182 Personen auf diese Weise ohne Taufe in die katholische Kirche über- oder wieder eingetreten.